Reich der Spiele

Lift Off

Lift Off - Ausschnitt - Foto von Hans im Glück

Hach, was waren das für Zeiten! Als die Menschen die Lüfte eroberten und sogar erste Ausflüge in den Weltraum unternahmen. Als die technische Entwicklung geradezu sprunghaft verlief und immer größere und anspruchsvollere Projekte und Missionen angepackt werden konnten. Als letztlich gar ein veritabler Wettlauf zum Mond entbrannte und zuvor nicht für möglich Gehaltenes plötzlich möglich wurde. Darum geht es auch bei Lift Off von Jeroen Vandersteen (Hans im Glück).

So funktioniert Lift Off

In diese allgemeine Aufbruchstimmung Mitte des letzten Jahrhunderts mit ihrem Glauben an die Wunderdinge der modernen Technik versetzt uns Lift Off zurück. Wir sollen als Raumfahrtagenturen eigene Raketensysteme aufbauen, um damit vielfältige Missionen ins All zu unternehmen. Dazu stehen uns allerlei Spezialisten zur Verfügung, deren Karten am Anfang jeder Runde ausgewählt und weitergegeben (neudeutsch: gedraftet) werden. Ganz zu Beginn der Partie gibt es zudem Spielendekarten, die ebenfalls gedraftet werden und die so wichtige Weichenstellungen für den weiteren Spielverlauf vornehmen, wenigstens wenn alles läuft wie es laufen sollte. Wirklich wissen kann nämlich niemand, was alles beim späteren Kartenrumschieben dann effektiv auf die Hand kommen und zum Einsatz stehen wird – Drafting halt, mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen, die aber genau für die taktischen Herausforderungen und emotionalen Spannungselemente und -entladungen sorgen, die wir alle lieben!

Die Spezialisten sorgen für Geld oder Siegpunkte oder auch ganz spezifische Vorteile bei den anstehenden Missionen. Die ausgewählten Karten werden reihum abgelegt und sogleich abgewickelt. Gleiches gilt anschliessend für den Start der eigenen Missionen. Diese mussten zuvor aus mehreren Stapeln der Auslage rausgesucht werden und können nun einzeln oder gleich mehrere auf einen Schlag mit demselben Raketenstart erfüllt werden. Dazu müssen allerdings sämtliche spezifischen Voraussetzungen erfüllt sein, wozu insbesondere genügend große Ladekapazitäten für die geplanten Missionen sowie happige Kosten für den Abflug der ganzen Rakete zählen.

Ist alles gegeben, darf ich die jeweiligen Missionskarten in meiner Auslage nach oben schieben (sie sind nun gewissermassen im All) und die damit verbundenen Belohnungen und Vorteile einkassieren. Haben das reihum alle getan oder bewusst darauf verzichtet (freiwillig oder unfreiwillig …), folgt eine nächste Spielrunde mit dem Draften neuer Spezialisten und dem Einsammeln weiterer Ressourcen und Missionskarten, damit anschließend zu neuen Raketenflügen gestartet werden kann.

Der ganze Spezialistenstapel wird zweimal durchgespielt, mit einer kleinen Zwischenphase nach dem ersten Durchlauf, die neue Missionskarten und andere Wertungsparameter mit sich führt – aufgrund der technischen Entwicklung werden Raktenflüge immer einfacher durchzuführen und sind daher im Gegenzug auch weniger aufsehenerregend und wertvoll. Nach dem zweiten Durchlauf gibt es noch eine Schlusswertung, in der insbesondere die Spielendekarten von ganz am Anfang abgerechnet werden, worauf der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt.

Ist Lift Off ein gutes Brettspiel?

Lift Off ist vielschichtig und anspruchsvoll und trotzdem alles andere als unübersichtlich oder gar eine Überforderung für die Mitwirkenden. Die Abläufe und Spielphasen sind rasch verstanden und die Partie verläuft überraschend flüssig. Klar könnte auf das ganze Drafting verzichtet und stattdessen einfach allen die jeweilige Anzahl Handkarten ausgeteilt und so etwas Zeit gewonnen werden. Allerdings ginge dabei ein wesentliches Element von Lift Off verloren. Das Spiel lebt nämlich enorm von der Vielfalt der unterschiedlichen Strategien und der Unmöglichkeit, alles unter einen Hut bringen und umsetzen zu können.

Gesellschaftsspiel Lift Off - Foto von Hans im GlückVielmehr zeigt sich innhalb kurzer Zeit, dass eine Verzettelung der Kräfte nicht zum Erfolg führen wird. Wir Raketenpioniere müssen uns also rasch entscheiden, worauf wir im Verlauf der Partie hinarbeiten wollen: Strebe ich einen umfassenden Ausbau meiner Rakete an, um mit deren Start immer komplexere und entsprechend wertvollere Missionen durchführen zu können? Oder investiere ich lieber in die Raumstation, die nebenbei auch noch gebaut wird und meist massig Vorteile einträgt. Oder schnappe ich mir konsequent die Siegpunkte, die einzelne der Spezialisten mit sich bringen, während ich dann halt auf andere Vorteile verzichten muss? Jedenfalls wird allen sehr rasch klar, dass nicht auf sämtlichen Hochzeiten getanzt werden kann und mit jeder strategischen Ausrichtung im Spiel anderes wegfällt, das ebenfalls interessant und lukrativ wäre …

Mitentscheidend bei diesem Festlegen der persönlichen Spielweise sind idealerweise nicht zuletzt die Spielendekarten, die ganz zu Beginn der Partie ausgesucht und rausgenommen wurden. Doch auch diese unterlagen bekanntlich dem allgegenwärtigen Drafting von Lift Off, sodass nicht stets dieselbe Strategie wie in den vorangehenden Partien verfolgt werden kann.

Andererseits zwingt genau dieser Umstand dazu, jede Partie völlig unvoreingenommen zu starten und unterschiedliche Vorgehensweisen auszuprobieren, die sich vom Beginn des Spiels an abzuzeichnen beginnen. Und dabei ist völlig offen, welche Strategie am Ende erfolgreich bleiben wird und ob jemand es schafft, mit seinen Spielendekarten möglicherweise ganz zuletzt noch die entscheidenden Siegpunkte einzuheimsen.

Der positive Eindruck von Lift Off wir durch eine stimmungsvolle Retro-Grafik im optimistisch-naiven Stil der 50er und 60er Jahre unterstrichen, die zwar durchaus Geschmackssache ist, uns aber von Anfang an gefallen hat. Interessant ist außerdem, dass der Autor in seinem Berufsleben bei der NASA und aktuell bei der ESA tätig war und ist – der Mann kennt also die Besonderheiten und Herausforderungen der Raumflugbranche gewissermaßen aus eigener Anschauung.

Das führt zu einem wirklich runden Ganzen. Und so lassen wir uns von Lift Off bereitwilig immer wieder neu in eine für uns fremde Welt und Technologiebranche entführen, werkeln an unseren Raketen herum und versuchen möglichst optimiert zu agieren, bis zuletzt ein Sieger feststeht, der dann auch wirklich stolz auf sich uns seine Erfolge sein darf – so müssen Spiele sein, die uns stets neu herausfordern und begeistern sollen und können!blank

Infos zu Lift Off

  • Titel: Lift off
  • Verlag: Hans im Glück
  • Autor: Jeroen Vandersteen
  • Spieleranzahl (von bis): 2-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 60-120
  • Jahrgang: 2018

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3 Kommentare

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Dirk Janßen 3. Mai 2019 at 13:52

Schöne Besprechung. Habe es in Essen nur angespielt und war auch recht angetan. Hatte allerdings die Befürchtung, dass ich das Spiel in keiner meiner Spielegruppen tatsächlich anbringen kann. Daher habe ich es nicht gekauft. Wenn es irgendwann zu einem Preis angeboten wird, wo man nicht Nein sagen kann, dann nehme ich es aber mit.

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Jack 24. November 2023 at 23:09

Mal ne kurze Frage: Ich hab das Spiel erst jetzt gesehen, aber ist es nicht irgendwie von Liftoff! von Fritz Bronner inspiriert? Das Spiel hat ja damals auch eine Computerversion unter dem Titel „Buzz Aldrins Race into Space“ hervorgebracht.
Ich mein, ist ja schön dass dasselbe Thema aus unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuchtet wird, aber dann sogar quasi denselben Titel zu verwenden finde ich zumindest merkwürdig.

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Bernhard Zaugg
Bernhard Zaugg 25. November 2023 at 21:19

Ich kenne „Buzz Aldrins Race into Space“ nicht, doch scheint es tatsächlch Ähnlichkeiten der beiden Spiele zu geben. Verwechslungsgefahr sehe ich aufgrund der Titel jedoch keine. Oder wie ist Dein entsprechender Hinweis zu verstehen?

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