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Wie Spiele ihr Design bekommen II

Das Schachtelcover von Angkor bringt Stimmung rüber von Michael Menzel

Griff nach den Sternen

Worauf es ihm bei der Packung ankommt, bringt Ravensburgers Tom Ring in griffige Formeln: „Bei der Oberseite zählt die absolute Plakativität. Die Randgestaltung muss wie eine Bandenwerbung im Fußball-Stadion sein. Und die Rückseite mit Foto, Text und Info-Leiste wie eine Anzeige.“

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Bloß wie ereicht man diese Plakativität? „Superschwierig!“ findet Michael Menzel. „Du musst einerseits zeigen, worum es in dem Spiel geht. Dann musst du aber auch die Stimmung des Spiels rüberbringen, also ob es eher lustig oder anspruchsvoll ist. Die Schrift muss klar und lesbar sein. Und dann soll das Cover auch noch ein bisschen irritieren und etwas anders aussehen als bei der Konkurrenz.“ Für ein gelungenes Beispiel hält er sein Angkor (Schmidt): „Zuerst fällt einem der Tiger ins Auge. Der ist der Reinholer. Als zweites sieht man den Tempel. Und wenn man genauer hinguckt, entdeckt man auch immer mehr Kleinigkeiten: die Prinzessinnen oder dass der Tiger auf einer Statue steht.“ Und dabei fand Menzel das Thema von Angkor zunächst schwierig: Pflanzen, die Gebäude überwuchern. „Wie stellt man das gut dar? Einfach nur Pflanzen – das ist kein Motiv. Erst mit dem Tiger als Sinnbild für die Natur hat es funktioniert. Der Tiger hat daraufhin auch eine größere Relevanz im Spiel bekommen. Eine vorher anders benannte Figur wurde nun zum Tiger.“

Der "Reinholer" für das Schachtelcover von Die Insel musste neu erfunden werden von RavensburgerBei der Innengestaltung benötigt man einen Reinholer wie den Tiger natürlich nicht mehr. Man ist ja schon drin. Der Grafiker Franz Vohwinkel beschreibt seine Zielvorstellung: „Das Material soll genau dieselbe Funktion erfüllen wie beim Prototypen – bloß hübscher. Optimal finde ich es, wenn man sich beim Auspacken über das schöne Material freut, beim Spielen diese Schönheit aber wieder vergisst und die Grafik nicht vom Spielen ablenkt. Beim Einpacken fällt einem dann wieder auf, wie toll doch alles aussieht, und man freut sich auf die nächste Partie, um es wieder auspacken zu können.“

Angesichts der vielen Spiele, die jährlich auf den Markt drängen, ist schon von vornherein klar, dass nicht jedes ein Erfolg werden kann. Trotzdem besitzt Tom Ring den unbedingten Ehrgeiz, stets das Maximum herauszuholen: „Wir wollen bei jedem Spiel bestmögliche Qualität abliefern. – Immer nach den Sternen greifen!“ Die Aufgaben der Design-Entwicklung gehen deshalb über die reine Grafik hinaus. „Es kann vorkommen, dass wir bis in Namensvorschläge hineingehen oder dass wir Spiele thematisch komplett woanders hinbringen.“ Mexica ist dafür ein Beispiel. Das war ursprünglich in Venedig angesiedelt. Doch mit San Marco hatte Ravensburger bereits ein Venedig-Spiel auf dem Markt, welches sich obendrein längst nicht so gut verkaufte wie zuvor das von der Komplexität her vergleichbare Tikal. „Wir haben dann ein Brainstorming gemacht“, erzählt Ring, „und uns gefragt, wo es denn noch viele Kanäle gibt.“ Man kam auf Mexiko. Als ideal erwies es sich, dass mit dem Masken-Cover von Tikal bereits eine grafische Ausgangsbasis für eine Spiele-Reihe geschaffen war. Der Masken-Look ließ sich für weitere Spiele übernehmen. „Das endgültige Aussehen von Mexica war also eine Reaktion auf das, was im Markt passierte. Genauso wäre vorstellbar gewesen, dass es bei entsprechendem Erfolg von San Marco eine Venedig-Reihe gegeben hätte“, erklärt Ring.

Ein Spiel mit von Anfang an starker Beteiligung der Design-Abteillung war Die Insel. Ring beschreibt die Überlegungen dabei: Die Insel ist nach King Arthur der zweite Titel in der Reihe der ‚Touch and Play‘-Spiele. Bei der Packungsgestaltung haben wir daher die gleiche Architektur aufgegriffen wie bei King Arthur. Links verläuft eine themenbezogene vertikale Bildleiste und erklärt die Mechanik des Spiels. Im rechten Bereich teilt das Titel-Logo das Hauptbild horizontal.“ Der Bildaufbau von King Arthur mit einem dominierenden Motiv im Zentrum und mehreren Figuren im Hintergrund ließ sich so allerdings nicht wiederholen. „Während man beim Namen King Arthur sofort eine ganze Reihe von Bildern vor Augen hat – das Schwert Excalibur, die Tafelrunde, das Schwert im Stein – ist Die Insel eine thematische Neuschöpfung, bei der wir auf keinen ‚Bilder-Schatz‘ in den Köpfen der Zielgruppe bauen konnten. Deshalb konnten wir weder auf ein bekanntes Key-Visual wie eben das Schwert im Stein zurückgreifen, noch den Collage-Stil weiterführen.“ Die Lösung sieht nun so aus: In der unteren Bildhälfte nähert sich ein Entdecker, quasi aus der heilen Welt kommend, mit seinem Schiff der Insel. Und über dem Lava-Logo droht der Vulkan, in dessen Wolken sich bereits die Fratzen der Kreaturen abzeichnen, denen man später im Spiel begegnen wird.

Die Entwicklung des Gesichtsausdrucks des Anglers auf dem Cover von Petri Heil zeigt diese Animation von Michael MenzelAuch für die Innengestaltung musste ein verändertes Konzept her: Mehr als King Arthur erfordert Die Insel Abstraktionen. Um eine leicht verständliche und einheitliche Symbolsprache zu schaffen, entschied man sich, statt wie beim Vorgängerspiel mit Digitalziffern im Leuchtdisplay nun mit Ort-Symbolen zu arbeiten. Die gleichen Symbole tauchen auch auf den Karten wieder auf und schließlich dreidimensional als Spielsteine. Der Spielplan selbst bleibt weitgehend frei für eine abenteuerliche Inselwelt mit Dschungel und Sandstränden.

Das fertige Endprodukt erweist sich also bis kleine Details hinein als das Ergebnis sorgfältiger Abwägungen und Optimierungsprozesse. Nichts hat sich einfach „so ergeben“. Das zeigt sich auch beim Queen-Spiel Timbuktu, das eigens vom Grafik-Designer Jo Hartwig entworfene Kamelfiguren enthält. „Wir haben uns zunächst die Kamelspiele der Mitbewerber angeschaut“, erzählt Bernd Dietrich. „Was gibt es schon? Wie ist es gemacht? Timbuktu benötigt sehr viele Figuren. Und alle müssen ohne umzufallen auf den Plan passen, leicht anzufassen und leicht zu bewegen sein. Sie müssen auch eine bestimmte Größe haben, um optische Informationen rüberzubringen. Die Idee von Jo Hartwig war es dann, die Kamele sitzen zu lassen. Das passt auch zum Thema, schließlich ruhen sich die Tiere in der Oase ja aus.“ Nach dieser Entscheidung waren die Kamele aber immer noch nicht fertig. Jetzt ging es um die schönste Form; darum, dem kleinen Stück Holz möglichst viel Kameloptik zu geben. Außerdem sollte sich jedes Kamel durch eine Farbe und einen Buchstaben von den anderen unterscheiden. Zwei Möglichkeiten boten sich an: Entweder lässt man die Figuren vom Hersteller farbig produzieren oder aber naturfarben und gibt dann einen bunten Aufkleber dazu. Da für den Buchstaben ohnehin ein Aufkleber benötigt wurde, entschied Dietrich sich für Letzteres. Das Holz mit einem Buchstaben prägen zu lassen, hätte Timbuktu zu teuer gemacht. „Man ist sich in diesem Entscheidungsprozess aber nie ganz sicher. Deshalb muss man Muster bauen, sich das anschauen und ausprobieren.“

 

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Rezensionen für Millionen – Der Blog von Udo Bartsch

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