Auf Spurensuche: Krimispielreihe im Buchverlag
Frank Liebsch, Sie sind Verantwortlich für die Krimispiele im Gmeiner-Verlag. Der Gmeiner-Verlag ist in erster Linie ein Buchverlag. Könnten Sie unseren Lesern bitte den Verlag und sein Sortiment vorstellen?
„Der Gmeiner-Verlag wurde 1986 von Armin Gmeiner gegründet und hat seinen Sitz in Meßkirch im Süden Baden-Württembergs. Anfangs wurden vor allem landesgeschichtliche Bücher veröffentlicht. 1998 erschien dann der erste Kriminalroman. Seitdem hat sich der Verlag zu einem Spezialisten für Spannungsromane, die im deutschsprachigen Raum spielen, entwickelt. Heute hat Gmeiner 30 Mitarbeiter und es erscheinen jährlich über 180 neue Titel in den beiden Sparten ‚Spannung‘ und ‚Kultur‘. Neben zeitgenössischen und zeitgeschichtlichen Kriminalromanen, die ungefähr die Hälfte der Neuerscheinungen ausmachen, werden Thriller, historische Romane und Frauenromane veröffentlicht. In der Kultursparte erscheinen Reise- und Kulturführer, Bildbände, Biografien, Chroniken sowie regionalgeschichtliche Titel. Bei unseren inzwischen über 1.300 lieferbaren Titeln handelt es sich fast ausnahmslos um Originalausgaben von Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, unter denen auch regelmäßig Debütanten zu finden sind.
Der Schwerpunkt liegt also auf Krimis. Ist das der Anknüpfungspunkt für die Krimispiele, die Sie seit einigen Jahren regelmäßig veröffentlichen?
„Ja, als ausgewiesener Spezialist für Kriminalromane sind wir auch immer auf der Suche nach thematisch passenden Programmergänzungen. So finden sich in unserem Programm z. B. Rätselkrimis, Kriminelle Reiseführer und eben auch Krimispiele.“
Wie ist die Idee entstanden, zum Verlag passende Gesellschaftsspiele zu veröffentlichen?
„Das war eher ein Zufall. Im Herbst 2005 wurde im Verlag heftig über die Vermarktung des kommenden Frühjahrsprogramms diskutiert. Wir dachten damals über ein passendes Präsent für unsere Buchhändler nach. Etwas ganz Besonderes, Hochwertiges sollte es sein, das aber auch klar zeigte, dass unser Verlag für Krimi steht. Schließlich kam uns die Idee, ein Krimi-Kartenspiel zu entwickeln. Kurz vor dem Weihnachtsfest lag der Prototyp unter dem Verlagsbaum und schnell war uns klar, dass Kreuzverhör – so der Titel des Krimi-Kartenspiels – allein zum Verschenken zu schade war. So wurde beschlossen, das neue Spiel ins Verkaufsprogramm des Verlags aufzunehmen. Kreuzverhör liegt inzwischen in der 8. Auflage vor und beansprucht einen Platz unter den Top Ten der meistverkauften Gmeiner-Titel.
Dass sich das Spiel zu so einem Verkaufsschlager entwickeln konnte, war jedoch nicht nur unser Verdienst, sondern auch Hutter Trade aus Günzburg zu verdanken, die wir als Vertriebspartner für den Spielwarenhandel gewinnen konnten. Deren Geschäftsführer Hermann Hutter testete das Spiel höchstpersönlich in seinem Weihnachtsurlaub und sorgte dafür, dass es pünktlich zur Spielwarenmesse im Februar 2006 in Nürnberg dem Fachpublikum vorgestellt wurde.“
Das Thema Krimi ist trotz bekannter Spiele wie Cluedo kein sehr typisches Thema für ein Gesellschaftsspiel. Wie schaffen Sie jedes Mal wieder den Brückenschlag zwischen kriminalistischem Spannungsbogen und guten Spiele-Mechanismen? Wo sind Ihnen vielleicht auch durch die thematische Ausrichtung Grenzen gesetzt?
„Wie in unseren Büchern versuchen wir, uns auch bei den Spielen dem Thema Krimi auf ganz unterschiedliche Weise zu nähern. In aller Regel geht es um ein Verbrechen, das die Spieler in Spannung versetzen soll. Mehrheitlich schlüpfen sie dabei in die Rolle des Ermittlers und müssen den Täter entdecken oder den eigentlichen Grund des Geschehens herausfinden. Beispiel ist das Krimispiel Millionenraub von Inka und Markus Brand. Es ist auch aber denkbar, dass nicht die Aufklärung des Verbrechens im Mittelpunkt des Spiels steht, sondern die Ausübung des Verbrechens – das Spiel also aus Sicht der Verbrecher bzw. Täter angelegt wird, wie z.B. in den Krimi-Kartenspielen Kunststück, Dreck am Stecken und Gelegenheit macht Diebe. Sogar die Variante, in der jeder Spieler abwechselnd sowohl aus der Täter- als auch aus der Ermittler-Perspektive agiert, gibt es, wie z.B. in dem Krimispiel Auf der Flucht. Und es muss nicht immer gegeneinander gehen: Mit Die Villa des Paten haben wir im letzten Jahr erstmals eine kooperatives Krimispiel veröffentlicht.
Die Umsetzung des Krimi-Themas erfolgt bevorzugt in Form eines Deduktionsspiels, aber auch andere Spielmechanismen bzw. Kombinationen aus verschiedenen Spielmechanismen sind möglich. Grundsätzlich sollen Taktik, Überlegung und/oder Kommunikation die dominierenden Spielcharakteristika bilden. Dieser flexible Ansatz erlaubt es uns, auch über die Grenzen des klassischen Krimispiels hinauszugehen, wie z.B. mit Mord in der Villa Mafiosa, einem Dinner-Krimispiel mit Kochbuch, oder den im letzten Frühjahr sehr erfolgreich gestarteten ‚Crime Master‘-Spielen, die auch Gelegenheitsspieler ansprechen.“
Etwa zur Spielemesse in Essen 2017 erscheint das neue Krimispiel Kurzer Prozess von Reiner Knizia. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und worum geht es thematisch?
„Reiner Knizia hat bereits 2010 ein deduktives Krimispiel, Sieben unter Verdacht, in unserem Verlag veröffentlicht, das bis heute erfolgreich verkauft wird. Als er uns Kurzer Prozess vorgestellt hat, waren wir direkt überzeugt, weil es wieder eine neue, bisher in unserem Programm noch nicht vorhandene Variante eines Krimispiels darstellt. In Kurzer Prozess schlüpfen die Spieler in die Rollen von ein paar ziemlich üblen Schurken, die sich für ihre Taten – Diebstahl, Fälschung, Einbruch, Erpressung und sogar Mord – vor den strengen Augen des Gesetzes verantworten müssen. Dass sich dort jeder selbst der Nächste und nur darauf bedacht ist, die eigene Haut zu retten, versteht sich von selbst.“
Welche Hauptmechanismen sind für Sie bei Kurzer Prozess spielentscheidend für den Spielspaß?
„Anders als die meisten unserer Krimi-Kartenspiele ist Kurzer Prozess kein Deduktionsspiel, sondern ein Mehrheitenspiel. Im Laufe von drei Spielrunden versucht jeder Spieler, den anderen möglichst viele belastende Verbrechen- und Zeugen-Karten zuzuschieben. Denn je mehr Karten ein Spieler am Ende eines Spiels hat, desto länger ist die Knastperiode, die er erhält. Wer nach den drei Spielen die kürzeste Zeit im Gefängnis verbringen muss, darf sich als Sieger feiern lassen.
Durch einer ein paar kleine Regel-Kniffs ist garantiert, dass bis zum Schluss offen bleibt, wer das komplette Spiel gewinnt bzw. jeder hat die Chance, das Blatt auch noch in der letzten Runde zu drehen. Für den Spielspaß während der Spielrunden sorgt zudem die Kommunikation der Spieler untereinander: sich ‚gegeneinander auszuspielen‘, ’sich zu verbrüdern‘ und ‚ordentlich Rache zu nehmen‘ ist ausdrücklich erwünscht. Kurzer Prozess ist also ein kleines, aber wunderbar fieses Kartespiel mit hohem Ärger-Faktor.“
Welche Zielgruppe peilen Sie mit Kurzer Prozess und mit Ihren anderen Krimispielen an?
„Aufgrund des Themas Krimi sind die Hauptzielgruppen unserer Spiele Erwachsene und junge Erwachsene. In aller Regel sind die Spiele aber bereits ab zwölf Jahren geeignet. Und Kurzer Prozess macht auch schon Kindern ab zehn Jahren sehr viel Spaß, wie einer unserer Tests gezeigt hat. Prinzipiell ist es uns wichtig, dass die Krimispiele erfahrenen Spielern Spaß machen, aber auch Gelegenheitsspieler nicht überfordern.“
Als Buchverlag vertreiben Sie die Krimispiele selbstverständlich über den Buchhandel. Zusätzlich haben Sie mit Hutter Trade einen Spielevertrieb als Partner. Wo sehen Sie Ihre Vertriebsschwerpunkte und gibt es eine gewisse Arbeitsteilung zwischen beiden Partnern?
„Mit Hutter Trade haben wir seit Jahren einen verlässlichen Vertriebspartner, der uns in seinem Katalog gelistet hat, uns auf den wichtigen Spielemessen vertritt und unsere Spiele an den Spielwarenhandel vertreibt. Hier wird auch der überwiegende Teil unserer Spiele verkauft. Unsere eigenen Verlagsvertreter besuchen den Buchhandel, der erfreulicherweise in den letzten Jahren ein immer stärkeres Interesse an Spielen und anderen Non-Book-Artikeln zeigt, so dass der Anteil der an den Buchhandel vertriebenen Krimispiele kontinuierliche steigt.“
Als Buchverlag mussten Sie zwangsläufig einen Weg finden, sich der Digitalisierung anzupassen. Wird es für Ihre Krimispiele ebenfalls eine Digitalisierung geben? Gibt es Planungen für wie auch immer geartete elektronische Ausgaben?
„Bereits seit 2007 sind alle unsere Bücher auch als E-Book-Ausgaben erhältlich. Der Umsatzanteil des E-Books liegt bei uns inzwischen bei ca. 15 Prozent. Im Spiele-Bereich ist mit so einer Entwicklung allerdings nicht zu rechnen – zumindest nicht kurz- und mittelfristig. Da setzen wir nach wie vor auf das gute alte ‚Spiel zum Anfassen‘.“
Übersicht der Krimispiele von Gmeiner
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