Atombombenbau als Thema für ein Worker-Placement-Spiel ist sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, um es mal vorsichtig auszudrücken. Allerdings geht es in The Manhattan Project darum, sich möglichst schnell das beste Bombenarsenal zur Abschreckung der anderen Spieler zuzulegen. Wer die aufwändigsten Plutonium- und Uranbomben baut, gewinnt. Zum Einsatz kommen die Bomben aber nicht.
Von diesen Voraussetzungen kann man halten, was man möchte, das Spiel an sich zieht einen allerdings schnell in seinen Bann. Die cartoonhafte Gestaltung von Regelheft, Spielbrett und Karten überzeugt. Man spielt hier nicht reales Kriegsgeschehen nach, sondern ist eher in eine Parallelwelt geraten, in der das "echte" Manhatten Projekt und der Kalte Krieg durcheinander gehen.
Wir haben jeweils Arbeiter, Ingenieure und Wissenschaftler, die für uns verschiedene Tätigkeiten ausführen können. Selbstverständlich kann nicht jeder überall eingesetzt werden, und man benötigt eigentlich immer mehr hochspezialisiertes Personal, als man zur Verfügung hat. Interessanterweise tritt der Fachkräftemangel während des gesamten Spiels in Schüben auf: Mal fehlen Ingenieure und Wissenschaftler, dann wieder Arbeiter, die kräftig mit anpacken können. Zum Glück bilden die Universitäten im Laufe des Spiels immer mehr Menschen aus, die wir anheuern können. Graue Leiharbeiter gibt es im Übrigen auch, die wir nur eine Runde lang beschäftigen können, bis sie wieder auf der Straße sitzen und auf den nächsten Werkvertrag warten.
Es gibt ein zentrales Spielbrett, auf das wir in jeder Runde nur einen unserer Arbeiter schicken können. (Ich schreibe von jetzt an „Arbeiter“, wenn ich „Arbeiter, Ingenieure oder Wissenschaftler“ meine.) Hier können wir vor allem Gebäude erwerben, die auf unseren individuellen Spielbrettern schnell kleine Städte entstehen lassen. In unseren Städten dürfen wir nun in jeder Runde so viele Arbeiter schuften lassen, wie uns zur Verfügung stehen. Nach ein paar Runden können das schon mal ein Dutzend Leute sein, es geht also schnell voran.
In Mienen wird Yellowcake, der entscheidende Rohstoff in diesem Spiel, angebaut. Kraftwerke stellen Uran her, Brutreaktoren verarbeiten Uran oder Yellowcake zu Plutonium. Des Weiteren können unsere Arbeiter uns noch Geld (in Fabriken) und weiteres Personal (aus Unis) beschaffen. Es stehen uns immer eine ganze Reihe an Möglichkeiten offen, The Manhattan Project ist in dem Sinne kein Mangelspiel. Allerdings darf man nie aus den Augen verlieren, warum wir den ganzen Aufwand betreiben: nämlich, um Bomben herzustellen.
Haben wir genügend Ressourcen (Uran, Plutonium, die passenden Arbeiter und Geld), können wir forschen gehen und Bomben bauen. Je nach Aufwand, den wir betrieben haben, sind die Bomben acht bis 34 Punkte wert. Da man zum Beispiel im Spiel zu viert nur 50 Punkte für den Sieg benötigt, kann man verschiedene Strategien anwenden, also mit vielen günstigen oder zwei hochentwickelten Bomben sein Ziel erreichen.
Bis hierhin verläuft The Manhattan Project gradlinig. Hat man seine erste Bombe erstellt, wird es allerdings etwas knifflig. Man muss sie auch noch testen und an ein Flugzeug laden. Diese extra Schritte machen das Spiel an dieser Stelle unnötigerweise unübersichtlich.
Diese leichte Überfrachtung ist allerdings der einzige Kritikpunkt. The Manhattan Project bietet einem nicht nur gute Optionen und verlangt taktische Entscheidungen, es wartet auch noch mit einigen ungewöhnlichen Mechanismen auf, die das Spiel von anderen Worker-Placement-Spielen abheben und zu einer deutlich höheren Kommunikation zwischen den Spielern führt.
Man schickt seine eigenen Arbeiter nicht nur aufs Hauptbrett und in die eigene Stadt, man kann auch Spionagefähigkeiten erwerben und sie bei den Mitspielern einsetzen. Auf diese Weise kann man sehr gut Gebäude nutzen, die einem vorher weggeschnappt wurden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, die Städte der Mitspieler anzugreifen und einzelne Gebäude vorübergehend lahm zu legen. Man muss also auch noch seine Verteidigungsfähigkeit im Auge behalten, indem man nebenbei noch Flugzeuge erwirbt. Bevor es zum Konflikt kommt, darf man sogar noch Deals abschließen. (Gibt es einen gemeinsamen Feind? Sollen wir für einige Runden Frieden schließen?)
Gerade wegen der hohen Kommunikation zwischen den Spielern ist The Manhattan Project ein sehr gutes Worker-Placement-Spiel, geeignet allerdings eher für Viel- als für Gelegenheitsspieler. Thematisch ist es eh nicht wirklich familientauglich. Das Spiel wartet mit einigen innovativen mechanischen Kniffen auf und die Thematik ist zudem erfrischend anders. Wer sich das Dauerbesäufnis in einer Fernsehserie wie Mad Men mit einem Augenzwinkern ansehen kann oder auch mal zu politisch nicht korrekten Computerspielen greift, der sollte auch in The Manhattan Project Atombomben bauen können.
Infos zu The Manhattan Project
- Titel: The Manhattan Project
- Verlag: Minion Games
- Autor: Brandon Tibbetts
- Spieleranzahl (von bis): 2 - 5
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 13
- Dauer in Minuten: 120
- Jahrgang: 2011
Werbung
Nach neuen Spielen schauen bei:
Amazon
Spiele-Offensive