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Das tiefe Land

Das tiefe Land - Ausschnitt - Foto von Feuerland Spiele

Ist von der Nordsee die Rede, so denken die meisten von uns wohl erst mal an Urlaub, Sommer, Sonne und ein laues Lüftchen. Vielleicht aber auch an Herbststürme, die Spaziergängern den Kopf freiblasen oder aber an lange und einsame Wattwanderungen zwischen den Gezeiten. Kaum jemand denkt hingegen an die direkten Bewohner der Wattküsten, die dort leben und nicht nur die schöne und angenehme Seite der Nordsee kennen, sondern auch die raue, gierige und vor allem landverschlingende. Denn das Leben direkt an der Küste ist ein permanenter Kampf mit den Gezeiten, um Land zu gewinnen und nicht zu verlieren. Diesem steten Ringen der Küstenbewohner um Landgewinnung, verbunden mit dem dazu notwendigen Deichbau und der allgegenwärtigen Schafzucht, haben Claudia und Ralf Partenheimer in den Mittelpunkt ihres hier vorliegenden Erstlingswerkes Das tiefe Land (Feurland Spiele) gesetzt.

Worum geht es bei Das tiefe Land?

Das tiefe Land ist ein semikooperatives Spiel, in welchem alle Spieler zusammen an einem gemeinsamen Deich bauen, um ihre jeweiligen Schafweiden vor den Fluten der Nordsee zu schützen. Gleichzeitig versucht aber jeder Spieler für sich, seinen jeweiligen Hof zu entwickeln, Gebäude zu errichten und seine Schafherde zu vergrößern. Das große Problem dabei ist: Werden zu viele Ressourcen in den gemeinsamen Deichbau gesteckt, fehlen diese irgendwann beim Ausbau des eigenen Hofes. Wird andererseits zu wenig investiert und der Deich bricht, werden alle Weiden überschwemmt und der Wert der Schafe sinkt drastisch. Derjenige Spieler der diesen Spagat zwischen gemeinschaftlichen und eigenen Interessen am besten schafft, gewinnt das Spiel bei der abschließenden Punktewertung.

Jeder der zwei bis vier Spieler bewirtschaftet einen eigenen Hof an der Nordseeküste, welcher durch ein Spielertableau dargestellt wird. Grasen anfangs auf der eigenen Spielerweide lediglich zwei eingezäunte Schafe, so soll sich das im Verlauf des Spiels möglichst schnell ändern. Zu Spielbeginn stehen jedem Spieler drei Bauern mit unterschiedlichen Aktionsstärken, ein Knecht, vier zufällige Rohstoffe und ein paar Münzen zur Verfügung. Zusätzlich gibt es einen gemeinsamen Spielplan, auf dem zusammen am Deich gewerkelt wird. Hier finden sich auch alle anderen relevanten Informationen wie der Spielphasenanzeiger, die Deichpunktleiste, die Vorschau der Flutkarten oder die Auslage der Baustoffkarten.

Jedes Spiel ist in drei Abschnitte unterteilt, die wiederum aus jeweils sechs Phasen bestehen. Am Anfang jedes Spielabschnittes werden in der Gezeitenwechselphase die Flutkarten für den aktuellen Abschnitt gezogen. Dadurch bekommen die Spieler zumindest einen Hinweis, wie stark die nächsten drei Fluten werden können. Anschließend wechseln sich Arbeits- und Verwaltungsphasen je zweimal ab.

In der Arbeitsphase können die Spieler ihre Bauern für Aktionen einsetzen, um dabei Gebäude bzw. Anlagen für ihren Hof zu bauen, durch Abgabe von Baustoffkarten den Deich zu erweitern, durch den Kauf von Zäunen die Weidefläche zu vergrößern, Schafe zu kaufen oder verkaufen und Baustoffkarten nachzuziehen. In der Verwaltungsphase hingegen kommt es zur Vermehrung der Schafe, die Spieler erhalten ihr aktuelles Einkommen und ihre eingesetzten Bauern zurück. Zudem wird eine Flutkarte aufgedeckt und die Menge der Flutsteine auf dem gemeinsamen Spielplan um die dort angegebene Anzahl erhöht.

Die Flut nagt am Deich

Am Ende jedes Spielabschnitts kommt in jedem Fall ein Hochwasser auf die Spieler zu. Hierbei wird überprüft, ob der Deich hält oder bricht. Das geschieht ganz einfach im Vergleich der angesammelten Flutsteine zum Baufortschritt des bisher errichteten Deiches. Hält der Deich, werden die Spieler, die am meisten zum Deichbau beigetragen haben, mit Geld belohnt. Gibt es hingegen einen Deichbruch, erhalten die Spieler, die am wenigsten zum Deichbau beigetragen haben, so genannte Deichbruchmarker, die sich bei der Endabrechnung in Minuspunkte verwandeln können. Anschließend wird der allgemeine Wertemarker entsprechend des Zustands des Deiches verschoben. Das bedeutet, dass sich aufgrund eines Deichbruches der Wert der Schafe verringert, die Siegpunkte pro Punkt auf der Deichpunktleiste jedoch erhöhen.

Nachdem die sechs Phasen dreimal durchlaufen wurden, steht mit der Sturmflut die Schlussphase an. Hier wird nun abschließend geprüft, ob der Deich hält. Hält er, gibt es keine besonderen Auswirkungen. Bricht er jedoch, müssen die eventuell im Laufe des Spiels erhaltenen Deichbruchmarker in Form von Schafen oder Geld abgegolten werden. Erst danach gibt es Siegpunkte entsprechend des aktuellen Stands des Wertemarkers und der Position der Spieler auf der Deichpunktleiste. Zusätzlich gibt es noch Punkte für eigene Schafe, fertiggestellte Hofausbauten, gesammeltes Geld und eventuell vorhandene Baustoffkarten. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt natürlich das Spiel.

Ist Das tiefe Land ein gutes Brettspiel für Experten?

Das tiefe Land - Cover - Foto von Feuerland SpieleAuf den ersten Blich wirkt Das tiefe Land wie ein typisches Uwe-Rosenberg-Spiel. Ein Hof wird im Wettstreit entwickelt bzw. optimiert und eine Vielzahl von zum Bau möglicher Gebäude und Anlagen sorgt für eine hohe Varianz. Allerdings sollte man dabei auch immer die Flutprognosen im Auge haben, um unliebsamen Überraschungen zu entgehen. Eine ungestörte Optimierung, wie in ähnlichen Spielen ist hier nicht möglich.

Neu und zudem sehr reizvoll ist das Element des kooperativen Deichbaus, das noch zusätzlich durch die 3D-Bau- und Flutsteine verstärkt wird. Auch hierdurch hebt sich das Spiel stark von anderen Entwicklungs- und Optimierungsspielen ab. So gibt es die Möglichkeit, Mitspieler beim eigenen Deichbau zu integrieren, was zu einer erhöhten Interaktion am Spieltisch führt. Dazu sollte man allerdings am besten zur dritt oder viert spielen. Zwar kann Das tiefe Land durch die Verwendung unterschiedlicher Materiallager- und Schafmarkttableaus auf alle Mitspielerzahlen skaliert werden, trotzdem funktioniert es in diesem Punkt in größerer Besetzung am besten.

Sperrige Regeln

Die grundlegende Regel des Spiels ist zwar schnell verinnerlicht, allerdings gibt es immer wieder viele kleinere Dinge zu beachten und zu bedenken. In diesem Zusammenhang ist die Symbol- und Spielgrafik nicht wirklich gelungen. So müssen die Spieler gerade in den ersten Partien immer wieder im Regelanhang nachschlagen und auch die Entwicklung einer eigenen Strategie oder das Erkennen, was die Mitspieler durch ihre Ausbauten erreichen wollen, ist ohne größere Vorkenntnisse nicht ohne weiteres möglich. Insofern sind hier einige Partien nötig, um das gewisse Gefühl für die Situation zu bekommen.

Es wäre so einfach zu gewinnen …

Das tiefe Land ist ein nicht ganz einfach zugängliches, atmosphärisch trotzdem aber sehr dichtes Optimierungsspiel auf oberem Kennerspiel-Level. Der ideale Pfad zum Gewinn des Spiels ist eigentlich recht genau vorgezeichnet. Zeitig möglichst viele Deichpunkte machen und den Deich halten, zum Schluss hingegen den Deich brechen lassen, um nochmals möglichst viele Siegpunkte einzusacken und den Mitspielern die auf die Schafzucht gesetzt haben, in die Suppe zu spucken. Das wissen die Mitspieler aber auch und werden entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Hier zeigt sich aber auch leider der Pferdefuß von solch spielmechanisch notwendigen Wertungen in thematisch dichten Spielen. Warum sollte man bewusst einen Deich brechen lassen? Das fühlt sich zumindest logisch fragwürdig an.

Spannend und für Experten

Das Cover des Spiels hat zwar einen hohen Aufforderungscharakter, die Spielgrafik hingegen wirkt auf mich jedoch seltsam blass und leblos und schreckt eher ab, als weitere Spieler an den gemeinsamen Tisch zu lotsen. Trotzdem ist Das tiefe Land ein spannendes Optimierungsspiel mit sehr hoher Varianz und einem ebensolchen Wiederspielreiz und kann deshalb Vielspielern ohne Vorbehalte empfohlen werden. Aus seiner semikooperativen Ausrichtung und der permanenten Suche nach der perfekten Balance zwischen Gebäude- und Deichbau schöpft es einen Großteil seiner Faszination. Empfehlenswert!

Hier geht’s zur Spielregel

Infos zu Das tiefe Land

  • Titel: Das tiefe Land
  • Verlag: Feuerland Spiele
  • Autor: Claudia Partenheimer, Ralf Partenheimer
  • Spieleranzahl (von bis): 2-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12-
  • Dauer in Minuten: 50-100
  • Jahrgang: 2018

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