Reich der Spiele

Johanna

Johanna - Ausschnitt - Foto von dlpgames

Das beliebte Kennerspiel Orléans hat eine kleinere Variante bekommen. Und was läge bei einem Spiel, das sich durch und durch um Orleáns dreht, naheliegender, als die vielleicht berühmteste Tochter dieser Stadt zum Thema zu machen? Johanna: Draw & Write von Ryan Hendrickson und Reiner Stockhausen (dlp games) ist ein „… & Write“-Spiel, allerdings kein typisches Roll & Write. Wir brauchen zwar auch bei Johanna Stift und Papier, aber keinen einzigen Würfel. Stattdessen wird der Bag-Building-Mechanismus von Orléans in ein Draw & Write-Spiel übersetzt (oder eher: ersetzt). Aber was ist das eigentlich genau?blank

Das Grundprinzip bei Johanna: Draw & Write

Roll & Write-Spiele kennen inzwischen die meisten (eines der bekanntesten ist Qwixx) und auch Flip & Write findet sich in vielen Spieleregalen (z.B. Die Kartographin oder Trails of Tucana). Draw & Write funktioniert ähnlich. „Draw“ meint dabei aber nicht zeichnen (das würde irgendwie auch wenig Sinn machen: Zeichnen und Schreiben … obwohl … aber das ist ein anderes Thema). Das „draw“ bei Johanna meint jedenfalls „ziehen“. Nur eben keine Karten wie beim Flip & Write, sondern etwas anderes. Zum Beispiel Plättchen aus einem Sack. Ansonsten funktioniert das Ganze wie von Roll & Write gewohnt: Plättchen ziehen (statt würfeln) und auf dem persönlichen Spielblatt etwas eintragen (schreiben/write). Fertig.

Spielelemente bei Johanna: Draw & Write

Bei Johanna ziehen wir die von Orléans bekannten Figurenchips – allerdings haben wir nun keinen eigenen Beutel mehr; es gibt nur einen für alle. Vielleicht ahnt ihr es schon: Das vom großen Brettspiel gewohnte Bag Building kommt hier nicht mehr zum Tragen. Dafür lässt das Spielblatt schon durch das große Format ein wenig an ein Spielbrett denken: Auf der rechten Seite ist eine Landkarte mit Straßen und Wasserwegen, links finden sich in der oberen Hälfte verschiedene Bereiche für Waren, Geld und segensreiche Werke, in der unteren verschiedene Gebäude. Außerdem gibt es noch Ortskarten (als Alternative zu den aufgedruckten Gebäuden).

Und so funktioniert das Draw & Write-Spiel Johanna

Zu Beginn jeder Runde ziehen wir Personenplättchen aus dem Beutel (die Anzahl hängt von der Spielerzahl ab), reihum wählen wir dann eines. Abhängig von der gewählten Person können wir Standardaktionen durchführen:

  • Mit Schiffer und Ritter reisen wir auf der Landkarte von Stadt zu Stadt
  • … und bauen dort mit dem Handwerker Kontore
  • Mit dem Kaufmann kaufen wir neue Gebäude (Ortskarten)
  • Der Gelehrte bringt uns auf der Entwicklungsleiste voran
  • … und vom Bauer bekommen wir Waren für unser Lager
  • Alternativ bekommen wir von manchen Personen auch Geld

Stattdessen können wir das Plättchen aber auch bei einem sogenannten „segensreichen Werk“ für bestimmte Boni einsetzen oder den Effekt eines Gebäudes nutzen. Und wenn wirklich nichts passen will, können wir einen Mönch (Joker) einsetzen.

Das Spiel endet nach einer bestimmten Rundenzahl. Gewonnen hat, wer die meisten Siegpunkte erreicht.

Spielmechanismen und taktische Kniffe bei Johanna

Wirkt überschaubar? Besonders am Anfang sind die Zugmöglichkeiten auch noch relativ begrenzt, gerade durch die Auswahl der Figurenplättchen. Wenn weder Schiffer noch Ritter da ist, können wir auch nicht reisen. Außer … Da gibt es dann eben doch noch Möglichkeiten. Zum Beispiel über die segensreichen Werke oder indem wir einen Mönch einsetzen oder ein Gebäude nutzen. Es dauert ein bisschen, bis man sich so richtig „eingespielt“ hat und alle Zusammenhänge überblickt (wer Orléans kennt, wird sich leichter zurechtfinden).

Kettenreaktionen und die richtige Balance

Das liegt nicht zuletzt an den vielen kleinen Zusatzeffekten, die wir beim Eintragen („write“) auslösen können. Und an den Kettenreaktionen, die sich gezielt nutzen lassen. Sowohl im Lager (Waren) als auch in der Bank (Münzen) gibt es Boni beim vollständigen Ausfüllen von Spalten und Reihen, beim Reisen auf der Landkarte bekommen wir wiederum Waren. Und Bücher für die Buchleiste – die ist zusammen mit den Kontoren und Bürgern das Wichtigste im Spiel, denn darüber ergeben sich in der Regel die meisten Siegpunkte. Strenggenommen heißt sie Entwicklungsleiste, aber in unseren Spielrunden war es die „Buchleiste“, weil wir dort nicht nur durch den Gelehrten, sondern auch immer dann ein Kreuz setzen dürfen, wenn wir irgendwo ein Buchsymbol bekommen. Auch auf dieser Leiste gibt es auf bestimmten Feldern Boni – unter anderem Bürger, die wir generell nur über Bonusfelder bekommen (zum Beispiel wenn wir ein segensreiches Werk als Erstes abschließen).

Und die Kontore? Die sind der eigentliche Grund für das Reisen auf der Landkarte. Bauen dürfen wir sie nämlich nur an Orten, die wir bereits besucht haben (auf dem Spielblatt mit Zahlen dargestellt).

Die Herausforderung besteht darin, die richtige Balance aus Büchern und Kontoren/Bürgern zu erreichen: Am Spielende werden beide Werte miteinander multipliziert.

Das Optimum herausholen

Entwicklung und Optimierung ist bei Johanna: Draw & Write entscheidend. Das betrifft nicht nur die „Buch-“ bzw. Entwicklungsleiste (bei der die Entwicklung schon im Namen steckt), sondern auch die Ortskarten. Über Gebäude können wir die Standardaktionen der Personenplättchen sozusagen aufwerten und so mehr und bessere Effekte erzielen. Mit Standardaktionen allein lässt sich Johanna nicht gewinnen. Beliebt sind gerade zu Beginn deshalb die segensreichen Werke, die Flexibilität und oft auch etwas höhere Erträge bringen (zum Beispiel machen wir dort aus einem Bauern de facto einen Schiffer, weil die Belohnung aus Schifffahren auf der Landkarte besteht). Und wenn es gelingt, eines der Werke zuerst abzuschließen, bekommen wir attraktive Boni wie einen sofort zu nutzenden Mönch oder einen Bürger.

Draw & Write mit taktischer Interaktion

„… & Write“-Spiele haben den Ruf, sehr solitär zu sein. Ganz ausnehmen lässt sich da auch Johanna nicht. Schließlich malt jeder nur auf seinem eigenen Spielblatt und kommt niemandem in die Quere. Aber dann eben irgendwie doch: Jedes Kontor kann nur einmal gebaut werden (egal von wem).

Und auch bei Boni und den segensreichen Werken schauen wir viel auf die Mitspielenden. Manche Boni (insbesondere die begehrten Bürger) bekommt nur, wer sie zuerst erreicht. Dadurch kommt nicht nur ein gewisses Wettkampf-Feeling ins Spiel, sondern das, was die anderen tun, beeinflusst durchaus auch die eigene Taktik. Auch bei den Personenplättchen: Was lasse ich den anderen noch, was brauche ich selbst? Wo kann oder sollte ich jemanden ausbremsen, indem ich das passende Plättchen wegschnappe?

Das betrifft auch die Ortskarten: Die sind in vier Stufen eingeteilt, wobei höhere Stufen interessantere Karten bieten. Erst wenn wir als Gesamt-Spielrunde mindestens zwei Karten aus der aktuellen Stufe gekauft haben, wird die nächste Stufe zum Kauf freigegeben. Wann wir welche Karten kaufen und ob wir vielleicht sogar versuchen, die Mitspielenden zum (früheren) Kaufen einer Karte zu bewegen, wird damit zur taktischen Raffinesse (zumal auch das Ausgeben von Geld in der Bank Boni auslöst).

Kleine Runden für bessere Übersichtlichkeit

Johanna spielt sich besonders in kleineren Runden gut, da dort diese Interaktion mehr zum Tragen kommt.

Bei vielen Mitspielenden sieht man schlicht nicht mehr so gut, was die anderen so auf ihren Spielblättern markiert haben und ob zum Beispiel jemand kurz davor ist, ein bestimmtes segensreiches Werk abzuschließen oder einen bestimmten Bürger zu erreichen. Dann ist es manchmal sinnvoller, die eigenen Aktionen anderweitig zu investieren – oder aber jemanden gezielt auszubremsen. Und auch, welche Kontore man noch jemandem “vor der Nase wegschnappen“ kann, weiß man in kleineren Runden einfach besser. Mit mehreren bedeutet das dann: gut aufpassen und sich viel merken. Und dann doch immer wieder nachfragen oder sich über den Tisch beugen, um das Spielblatt noch mal genauer zu sehen.

Johanna als Reisespiel

Dass manche Gebäude (Ortskarten) direkt auf die Spielblätter gedruckt sind, ist eine tolle Idee. Zum einen erleichtert das gerade Orléans-Neulingen den Einstieg, da sich diese Gebäude besonders für ein Einstiegsspiel eignen. Zum anderen kann man dadurch auch ohne Ortskarten spielen; nicht zuletzt deshalb eignet sich Johanna wunderbar als Reisespiel mit leichtem Gepäck: Stoffsack mit Personenplättchen, ein paar Blätter, Stifte – fertig. Zumindest solange es nicht zu windig ist und man ein gewisses Minimum an Platz und eine Schreibunterlage hat. Und natürlich lässt sich so auch remote spielen, worauf die Anleitung explizit hinweist.

… aber nichts für schlechte Augen

Die Kehrseite des Ganzen ist allerdings leider, dass auf dem Spielblatt sehr viel unterkommen muss. Alles ist recht klein gedruckt und auch ohne Sehschwäche teils schwer zu erkennen. Das Spielen mit Ortskarten ist zwar hinsichtlich der Gebäude angenehmer für die Augen, macht die übrigen Elemente der linken Seite aber auch nicht größer. Besonders die Figurensymbole mit dunklem Hintergrund muss man schon sehr genau ansehen, um zum Beispiel Kaufmann und Handwerker zu unterscheiden. Das geht besser.

Redaktionelle Umsetzung bei Johanna

Und auch Spielverständnis und -flow könnte die Illustration mehr unterstützen, wenn etwa bestimmte (Ausnahme-)Regeln symbolisch abgebildet wären (wie dass Mönche für segensreiche Werke nicht als Joker gelten).

Johanna - Schachtel - Foto von dlpgames

Auf der Rückseite der Spielblätter ist jeweils das Solospiel abgedruckt. Schöner wäre es, wenn auf einem Blatt jeweils nur (zweimal) das Solospiel oder das Spiel für mehrere ist, dann wäre es gerade hinsichtlich Reisen praktischer. Aber das ist eine Feinheit. Thematisch schade ist, dass die namensgebende Johanna nur im Solospiel vorkommt.

Johanna als kürzere Orléans-Version auf Kennerniveau

Familien- und Wenigspielende werden sich mit Johanna eher schwertun. Auch die kürzere Orléans-Variante richtet sich klar an Kennerspielende. Wer Orléans kennt, findet sicherlich schneller ins Spiel als Neulinge, zumal Anleitung und Symbolik übersichtlicher sein könnten. Durch die wechselnden Ortskarten ist jede Runde ein wenig anders. Auch wenn man die Gebäude nach einigen Partien alle kennt, erhöht diese Varianz den Wiederspielreiz.

Hat man erst einmal einen Überblick über die Kettenreaktionen und Möglichkeiten, ist Johanna: Draw & Write ein schönes Spiel, das anspruchsvoll ist und dabei nicht zu lange dauert.

 

Infos zu Johanna

  • Titel: Johanna
  • Untertitel: Das Orléans Draw & Write
  • Verlag: dlp games
  • Autor: Ryan Hendrickson, Reiner Stockhausen
  • Spieleranzahl (von bis): 1-5
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
  • Dauer in Minuten: 45
  • Jahrgang: 2022

Werbung
kaufen Prüfen, ob Johanna vefügbar ist bei:
Amazon
Spiele-Offensive

Mehr Spiele-Themen entdecken

Kommentieren