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Escape The Box: Der verfolgte Sherlock

Escape the Box: Der verfolgte Sherlock - Ausschnitt - Foto von frechverlag

Oft müssen die einfachen Leute dran glauben. Jemand wird getötet, erpresst, entführt. Auch im Spiel. Anders bei Escape the Box: Der verfolgte Sherlock (Sebastian Frenzel, Beate von Lühmann, frechverlag). Der Titel gibt es schon (fast) richtig wieder: Es ist der Detektiv aller Detektive, Sherlock Holmes himself, der in diesem Abenteuer entführt wird. Seine Aufgabe übernehmen somit an seiner Stelle ein bis vier Spieler in der Rolle seiner Freunde und Verwandten. Ziel ist es aufzuklären, was geschah, und Sherlock (sowie zwei weitere fast einfache Leute) heil nach Hause zu bringen.blank

Ein Spiel in der Box

Das Spielmaterial ist übersichtlich: Ein Stapel Karten, mehrheitlich bestehend aus nicht näher bezeichneten Spielkarten, Charakteren und Karten, die für die Lösung von Rätseln benötigt werden. Außer einem kurzen Regelheft gibt es ein Aktionsheft, das den Spielern ihren Fortschritt erklärt und dem sie Hinweise entnehmen können.

Escape the Box: Der verfolgte Sherlock - Spielmaterial | Foto: Axel Bungart

Das Innere der Spielschachtel bildet den Spielplan. Hier werden noch ein paar Trennwände eingesetzt, und schon ist die Kulisse der Bakerstreet 221 b, dem Büro von Sherlock Holmes, sowie ein kurzer Straßenabschnitt davor in 3D errichtet. Auch außerhalb der Box werden noch zwei Orte mittels Trennwände errichtet. Jeder Spieler erhält eine Charakterkarte mit einer Eigenschaft und ein paar Symbolen, und dann geht es los.

So funktioniert Escape the Box: Der verfolgte Sherlock

Die Symbole auf den Charakterkarten der Spieler findet man gleichermaßen auf manchen Elementen der Kulisse und später auch auf Karten, die gezogen werden. Sie sind geformt wie Puzzleteile, sodass man auch nur logisch verbinden kann, was optisch zusammenpasst. Stimmen zwei Symbole überein und passen zusammen, addiert man die beiden dort notierten Ziffern. Dann schlägt man in dem Aktionsheft unter dem Symbol und der entsprechenden Ziffer nach, um zu erfahren, welche Erkenntnisse man mit dieser Maßnahme gewonnen hat.

Escape the Box: Der verfolgte Sherlock - Charakterkarte | Foto: Axel Bungart

Dadurch kommen ggf. neue Karten ins Spiel, die neue Orte erschließen oder weitere Symbole ins Spiel bringen, die man wieder kombinieren kann. Zwischendurch stoßen die Spieler auf diese Art auf Rätsel. Deren Lösung ergibt einen Zahlencode, den man mithilfe einer Kombination von Lösungskarten verifizieren kann. Lag das Team richtig, erhält man des Rätsels Lösung als Text.

So versucht das Team, alle Rätsel zu lösen und alle entführten Personen zu befreien. Das sollte nach Verlagsangaben in zwei bis drei Stunden gelingen.

Wie gut ist Escape the Box: Der verfolgte Sherlock?

Optisch macht das Spiel erst mal was her. Der 3D-Aufbau innerhalb der Schachtel sieht nicht nur schön aus, sondern verkörpert den Ort der Handlung und erzeugt zunächst etwas Atmosphäre.

Escape the Box: Der verfolgte Sherlock - Spielschachtel mit Einsatz | Foto: Axel Bungart

Die Spieler finden recht schnell ins Spiel und heraus, wie man am besten vorgeht. Jeder vergleicht die Symbole auf der eigenen Charakterkarte mit denen, die man in Räumen und auf Karten findet, verknüpft sie und addiert die Ziffern. Und schon … Überlegt er, was er damit jetzt machen soll. Die Spielregel deutet darauf hin, den entsprechenden Abschnitt in der „Aktionstabelle“ nachzulesen. Eine erste Ungenauigkeit. Erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass mit „Tabelle“ das Aktionsheft gemeint ist.

Klarheit nach dem ersten Rätsel

Hat man dieses erste Rätsel gelöst, wird die Vorgehensweise klar: Für jedes Symbol gibt es eine Seite im Aktionsheft, auf der Zahlen den zu lesenden Abschnitt kennzeichnen. Hätte man aber auch so beschreiben und nicht nur im Beispiel erwähnen müssen.

Escape the Box: Der verfolgte Sherlock - Aktionsheft | Foto: Axel Bungart

Das erste (echte) Rätsel, das wir lösen sollten, stellte unser Logikverständnis gleich wieder auf die Probe. Die Aufgabe, einen Fingerabdruck zu ermitteln und dann Zahlen zu ordnen (Anweisung auf der Karte), war zunächst aus unserer Sicht nicht lösbar. Ganz einfach, weil sich auf der Karte gar keine Zahlen befanden. Mehr zufällig stellten wir fest, dass sich die zu ordnenden Zahlen, die zu den Fingerabdrücken auf der Karte gehörten, an einem anderen Ort befanden. (Gut, man kann drüber streiten, ob wir zu blöd dafür waren.) Ein (verklausulierter) Wink wäre an dieser Stelle angebracht gewesen. Hier erweist sich der 3D-Aufbau auch als eher hinderlich, da er nicht von allen Spielern gleichermaßen eingesehen werden kann. Somit sehen vielleicht zwei Augenpaare nicht das, was schon die anderen verpasst haben.

Mit jedem Symbol, das man kombinieren kann, wird ein neuer Textabschnitt vorgelesen. Das sind zuweilen Rahmeninformationen, die zwar nett sind, was die Story angeht. Spannend und für den Fortschritt entscheidend wird es aber nur, wenn neue Karten ins Spiel kommen, die aus dem Stapel zu ziehen sind.

Anspruchsvolle Rätsel

Die Rätsel sind überwiegend anspruchsvoll. Keines ist so geradlinig, dass man mit wenigen Überlegungen zum Ziel kommt. Häufig sind sie sehr mathematisch, was im Hinblick auf eine gewünschte Immersion die Euphorie deutlich dämpft. Höhepunkt ist ein Straßenkampf gegen drei Gegner, bei dem offenbar ein Videogame simuliert werden soll. Mit verschiedenen Werten für Kampfbewegungen, weiteren Werten für Trefferflächen, sowie Schutz durch Kleidung, mathematisch durchgeführt mittels Multiplikation und Subtraktion sollen die Ermittler einen bestimmten Endwert erreichen, aus dem sich der Lösungscode ergibt.

Escape the Box: Der verfolgte Sherlock - Rätselkarte | Foto: Axel Bungart
Rätselkarte gibt Rätsel auf

Als erstes war es regulär gar nicht möglich, die im Aktionsheft stehenden – wichtigen! – Hinweise dazu zu lesen, da die Karte (7) mit den drei Gegnern einen entscheidenden Fehler enthält, was die Darstellung der Symbole angeht: Die Puzzleteile passten zu keinem der Charaktere, sodass man keine Kombination bilden und nicht ermitteln konnte, welcher Abschnitt zu lesen wäre. Hier half nur, die Spielregel zu ignorieren.

Die Symbolik auf einer weiteren Karte (s. o.) war überfrachtet mit Zahlen, uneindeutig in der Symbolik und daher nur schwer verständlich. Der Begriff „Rätselkarte“ bekommt hier eine neue Bedeutung. Irgendwie ist der Rechenweg wohl möglich, aber die Idee ist hanebüchen und schlecht umgesetzt. Nach einer Spielzeit von zwei bis zweieinhalb Stunden konzentrierten Kombinierens mag man dann auch einfach nicht mehr kompliziert rechnen.

Zu viele Fehler

Im Verlauf des Spiels tauchen plötzlich Karten auf, die chronologisch nicht in den Ablauf passen. So etwas müsste redaktionell gründlich überarbeitet werden. Leider erschweren bei weiteren Rätseln immer wieder grafische Ungenauigkeiten das eindeutige Lösen von Rätseln. Beim Showdown sollen zum Beispiel Felder gezählt werden, die man durchschreitet. Es ist jedoch kaum zu erkennen, was nun genau ein Feld ist. Selbst anhand der Abbildung der Lösung ist das nicht eindeutig nachvollziehbar.

Störend wirkt irgendwann auch der x-te Rechtschreibfehler, den man in Anleitung und Aktionsheft findet. Das sind Nachlässigkeiten, die überflüssig und nervend sind.

Hätte man mal …

Am Ende findet man eine Karte, auf der man seine Siegpunkte hätte ermitteln können – hätte man während des Spiels alle Hinweise und Lösungen mitgezählt. Hat man aber nicht, weil ein Hinweis darauf am Anfang fehlte. Im Nachhinein lässt sich das kaum noch ermitteln. Auch hier hat man nicht weit genug gedacht.

Es ist unschwer zu entnehmen, dass Escape the Box: Der verfolgte Sherlock nicht zu den Spielen gehört, die ich irgendwem empfehlen würde.

Dort, wo es es nur um die Kombination der Symbole geht, fühlt man sich zu sehr gespielt. Das trifft auch auf die Eigenschaften der Charaktere zu, die ebenfalls nicht aktiv angewendet, sondern nur im Zusammenhang mit der Story erwähnt werden; sie sind damit überflüssig.

Escape the Box: Der verfolgte Sherlock - Schachtel - Foto von frechverlag

Dass der Titel nicht wirklich zutreffend ist (Sherlock wird entführt, nicht verfolgt), stört da noch am wenigsten. Das Spielmaterial ist teils fehlerhaft, Spielregeln sind unzureichend beschrieben, Grafiken ungenau und daher irreführend und die Texte hätten einem Lektorat unterzogen gehört. So etwas wie Atmosphäre will schon deshalb nicht aufkommen, was zudem teilweise an der Art der Rätsel liegt, die sich sehr mathematisch anfühlen. Die angesetzten – und benötigten – drei Stunden möchte man so nicht verbringen.

Infos zu Escape The Box: Der verfolgte Sherlock

  • Titel: Escape the Box: Der verfolgte Sherlock
  • Verlag: frechverlag
  • Autor: Sebastian Frenzel, Beate von Lühmann
  • Spieleranzahl (von bis): 1-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
  • Dauer in Minuten: 120-180
  • Jahrgang: 2021

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1 Kommentar

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Alex82 1. Januar 2024 at 15:56

Ich habe mir das Spiel von einem Gutschein zu Weihnachten gekauft und bin auf diesen Artikel gestoßen, weil ich nicht mehr weiter komme.
Viele Ansichten sehe genauso.
Ich finde auch, dass hier viel Potential verschenkt wurde. Also hätte man sich anfangs viele gute Gedanken gemacht und konnte diese am Ende aufgrund Termindrucks nicht mehr gut umsetzen.
Ich überlege tatsächlich, ob ich das Spiel zurückgeben werde, da so viele Fehler enthalten sind.

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