Inzwischen kann bei modernen Gesellschaftsspielen im Verlaufe einer Partie ja bereits Verschiedenstes am Material und an weiteren Einzelheiten des Spiels verändert werden: Mal können die einzelnen Felder einer Laufstrecke manipuliert oder aber beseitigt werden, mal wird der Spielplan mit speziellen Stickern versehen, die Beeinflussung und mehr oder weniger gezielte Steuerung des Kartenstapels oder des Inhalts eines Spielbeutels ist fast schon altbekannt und selbst vor den eigentlichen Spielkarten macht der Trend nicht Halt, wobei diese Aufzählung keineswegs abschließend oder auch nur halbwegs umfassend sein will und ist …
Und nun ist dieses Do-it-yourself-Prinzip also mit Dice Forge von Regis Bonnessee (Libellud/Asmodee) erstmals auch bei Würfeln möglich (klar, es gab schon mal erste Versuche von Lego, die allerdings ein eher durchzogenes Echo auslösten und daher hier nicht weiter thematisiert werden sollen …). Dice Forge dagegen hat den Anspruch eines durchaus ambitionierten und anspruchsvollen Brett- und Würfelspiels, was mit einer Altersangabe von 10 Jahren und einer Spieldauer von 45 – 60 Minute angemessen zum Ausdruck gebracht wird. Und auch die äußere Gestaltung der Schachtel und der Anleitung des Spiels lassen nichts zu wünschen übrig und wecken große Vorfreude und Erwartungen auf das anschließende Spektakel.
So funkioniert das Gesellschaftsspiel Dice Forge
Dazu passt auch der schwärmerische Hinweistext in den Unterlagen zum teuren Spiel, wonach die Spieler Heldentaten erbracht haben, deren Ruhm das himmlische Reich der Götter erreicht hat. Diese bieten in ihrer unendlichen Großzügigkeit die Chance, einen Platz in ihrer Mitte als Halbgott zu erhalten, sofern man sich in einem Vorereitungsturnier als würdig genug erweist. Dazu müssen Inseln besucht und Ressourcen mit speziellen Götterwürfel gesammelt werden, wobei letztere auf Ersuchen und unter Abgabe besonderer Opfer weiter geschmiedet und verbessert werden können.
Extrem mühsamer Einstieg
Allerdings erweist sich der anschließende Einstieg ins eigentliche Spiel dann als eher profan, wenn nicht gar mühsam. Dice Forge enthält eine große Menge Material und die Schachtel ist randvoll gefüllt mit unterschiedlichsten Plastik-Aufsteckplättchen und Spielkarten aller Art, die als erstes geordnet und/oder ausgelegt werden müssen. Die Sortier- und Aufbauanleitung benötigt dabei gleich viel Platz wie das restliche Regelwerk des Spiels, was ich in dieser Form bisher noch nie so gesehen habe. Derselbe Sortieraufwand ist dann auch am Ende einer Partie wieder zu leisten, doch soll hier nicht vorgegriffen werden. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass die Abbildungen in der Anleitung reichlich klein geraten sind und die Regelung verschiedener Einzelheiten des Spiels eher unklar bleiben, sodass zumindest bei uns das Aufstellen und der Start in die erste Partie wirklich Mühe bereitete und viel zu lange dauerte.
Simpler Spielablauf
Wenigstens verlief anschließend der ganze Rest des Spiels ziemlich schlank und rank, was allerdings erfahrungsgemäß nicht immer nur positiv zu werten ist. Unterschiedliche Spielstrategien gibt es bei Dice Forge jedenfalls kaum zu entdecken und auszuprobieren. Stattdessen geht es im Wesentlichen darum, die eigenen zwei (Götter-) Würfel mit wertvolleren Seitenplättchn aus der Schachtel (dem Tempel) zu bestücken sowie beim Gang der eigenen Spielfigur über den Spielplan (die Inseln) spezielle (Heldentat-) Karten zu erwerben, die alle dem Erwerb zusätzlicher Ressourcen (Gold, Sonnen- und Mondsplitter) dienen, die auf dem eigenen (Helden-) Tableau gesammelt und später wieder eingesetzt werden können.
Heldenkarten bringen Variabilität
Die Heldentatkarten sind dann auch das einzige variable Element im Spiel, da sie von Partie zu Partie neu zusammengestellt und bei den Inseln ausgelegt werden können. Sie sind in einem separaten Faltblatt (dem Helden-Leitfaden) mustergültiig beschrieben, haben jedoch nur begrenzten Einfluss auf das eigentliche Spielgeschehen, das auch sonst relativ schematisch verläuft. Dabei wirft jeder Spieler zu Beginn jedes Spielzuges einmal seine beiden Würfel und erhält die so angezeigte Belohnung geschenkt (große Göttegbabe). Anschließend kann der aktive Spieler Karten einsetzen, die er in früheren Spielzügen auf den Inseln gekauft hatte, um zusätzliche Aktionen auszulösen, die meist auf den Erwerb weiterer Ressourcen hinauslaufen, beispielsweise durch nochmaliges Würfeln eines der beiden eigenen Würfel (kleine Göttergabe).
Wenige Entscheidungen bis zum Ende
Zum Abschluss seines Zuges kann der aktive Spieler noch wahlweise ein neues Seitenplättchen kaufen (Beistand der Götter erbitten bzw. Würfel schmieden) oder aber seine Spielfigur zu einer der Inseln führen, um dort eine zusätzliche Heldenkarte zu erwerben (eine Heldentat vollbringen). Befindet sich auf der fraglichen Insel allenfalls eine gegerische Spielfigur, wird diese verdrängt, was dem davon Betroffenen eine erneute große Göttergabe einträgt und daher bestmöglich vermieden werden sollte. Gegen Abgabe von zwei Mondsplittern kann dann noch ein weiterer Zug angefügt werden, worauf der nächtste Spieler an die Reihe kommt und alle eine weitere große Göttergabe erhalten, bis nach einer vorgegebenen Anzahl Runden das Spiel zu Ende geht, alle ihre Siegpunkte auf dem Heldentableau und den Heldentat-Karten zusammenzählen und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
Viel zu entscheiden gibt es also im ganzen Spiel eigentlich nicht. Alle kaufen in ihrem Zug die tollsten Seitenplättchen, die gerade erschwinglich sind, oder aber entsprechende Heldentat-Karten, bei denen möglichst kein Gegner verdrängt werden muss, und hoffen anschließend auf das nötige Würfelglück, um neue Ressourcen für weitere Käufe zu erhalten. Viel mehr bietet das Spiel eigentlich nicht und das ist leider reichlich wenig.
Dice Forge: statt Liebe fehlende Begeisterung
Dice Forge bleibt so ein Spiel, das man gerne lieben möchte, das aber mehr Schein als Sein (und in der Handhabung der ganzen Plättchen- und Kartenauslagen eher mühsam) ist und niemanden wirklich begeistert. Es reicht halt eben nicht, einen interessanten Mechanismus (das Tunen der eigenen Würfel) zu haben, wenn dieser nicht in einen mindestens ebenso interessanten Spielablauf eingebunden ist mit Handlungsoptionen, die für den Ausgang des Spiels relevant sind. Und genau daran fehlt es bei Dice Forge leider an allen Ecken und Enden – die Lego-Spiele (-Flops) lassen aus der Distannz leise grüßen …
Infos zu Dice Forge
- Titel: Dice Forge
- Verlag: Libellud
- Autor: Regis Bonnessee
- Spieleranzahl (von bis): 2-4
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
- Dauer in Minuten: 45
- Jahrgang: 2017
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