Lookout Games unterstützt Spendenprojekt in Äthiopien
Lookout Games hatte bei der Spiel ’08 in Essen eine Cola dabei, die gegen eine Spende für ein Hilfsprojekt in Ätiopien abgegeben wurde. Wir haben Hanno Girke von Lookout Games und die beiden Ethnologen Christina Gabbert und Felix Girke zu diesem Projekt befragt und bitten unsere Leserinnen und Leser, über eine Spende für das Projekt nachzudenken.
Hanno, wie ist Lookout Games auf die Idee gekommen, mit Spenden ein Projekt für äthiopische Bauern zu unterstützen?
Hanno: „Es mag damit zusammenhängen, dass unser Kulturforscher Felix in den letzten Jahren viel in Äthiopien gearbeitet hat. Zusammen mit seiner Kollegin Christina Gabbert hat er vor einigen Jahren schon einmal für ein ähnliches Projekt Spenden eingeworben. Dieses spezielle Projekt wurde nun ausgewählt, weil sich hier der Spielinhalt von Agricola im wahren Leben wiederfindet: Wir helfen durch die Finanzierung von Ausbildungen, mit kleinen und großen Anschaffungen, beim Erschließen neuer Felder, mit Saatgut – und beim Verhindern von Betteln. Außerdem weiß ich, dass bei diesem Projekt keine Gelder für die Verwaltung ausgegeben werden – es fließt direkt dorthin, wo es gebraucht wird.“
Unter anderem habt ihr eine Cola brauen lassen, die auf der Spiel in Essen verkauft wurde und von deren Erlös ein Teil in das Spendenprojekt fließt. Warum eine Cola und wie verlief die Kooperation mit der Brauerei?
Hanno: „Nun, das Wortspiel Agri-Cola ist ja augenfällig. Verkauft wurde die Cola allerdings nicht – sondern gegen Spenden abgegeben, die komplett ins Projekt fließen. Die Zusammenarbeit mit der Brauerei Göller lief hervorragend. Da sich der Drucker der Etiketten bis zum letzten Moment Zeit gelassen hat, wurde in der Brauerei am Samstag vor der Messe eine Extraschicht eingelegt, damit die Cola noch rechtzeitig zur Messe fertig wird. An dieser Stelle möchte ich dem Ehepaar Göller auch noch einmal ganz herzlich danken.“
Bei der Verleihung des Deutschen Spielepreises habt ihr die Cola und das Projekt den geladenen Gästen, Verlage, Autoren, Presse, vorgestellt. Wie war die Resonanz bei diesen Leuten?
Hanno: „Getrunken oder mitgenommen haben es die meisten. Rückmeldungen oder Spenden haben wir von dieser Seite allerdings noch nicht bekommen. Aber das kommt ja vielleicht noch.“
Wird Lookout Games das Projekt auch zukünftig unterstützen?
Hanno: „Ja. Ein Teil der erzielten Erlöse jedes Spiels fließt direkt in das Projekt – solange sich Agricola also weiter verkauft, fließt weiter Geld in das Projekt. Ich kann mir auch gut vorstellen, nächstes Jahr in Essen wieder eine Spendenaktion zu organisieren.“
Felix, wie bist du auf die Arbore und ihre Probleme aufmerksam geworden, wie kam es zu dem Hilfsprojekt?
Felix: „Das begann vor einigen Jahren. Ich habe Ethnologie studiert, und bin zur Vorbereitung einer auf Feldforschung basierenden Doktorarbeit zum ersten Mal 2003 in die Region Süd-Omo in Äthiopien gefahren.
Eigentlich wollte ich nicht zu den Arbore; dort arbeiteten bereits eine ganze Reihe von Forschern, darunter meine direkte Kollegin Christina Gabbert – sie bereits seit 1993. Es war auch Christina Gabbert die mich ermutigte, meine Pläne spontan zu ändern, und meine erste Reise nach Südäthiopien doch zu den Arbore zu planen: Bereits 2003 hat es eine massive Zerstörung einer Ernte durch Hochwasser gegeben, und eine Hungersnot stand bevor. Christina Gabbert hatte umgehend in Deutschland, aber auch in Addis Abeba einige Gelder unter anderem von der deutschen Gemeinde dort gesammelt; nur musste sie zum Zeitpunkt meines Eintreffens zurück nach Deutschland.
So stand ich plötzlich mit zwei freundlichen Arbore (die nur sehr wenig Englisch konnten), einem Toyota Land Cruiser, und einer Tasche voller Geld in Addis Abeba.
Dieser intensive Einstieg hat mich sehr geprägt. Auch wenn ich nach dem Abschluss dieses ersten Projekts nur wenig Zeit in Arbore selber verbracht habe, und mich auf meine Forschungen unter den weiter westlich lebenden Kara konzentriert habe, habe ich immer noch enge Beziehungen zu verschiedenen Arbore, die mich damals willkommen geheißen und aufgenommen haben.
Mit zunehmender Vertrautheit mit Äthiopien und speziell der Region Süd-Omo habe ich verstehen gelernt, was Gruppen wie die Arbore alles leisten, um ihrem Land Ernten abzuringen, ihre Herden zu erhalten und mit widrigen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen umgehen zu können.“
Christina, du bist Expertin für die Arbore. Kannst du uns bitte kurz erklären, was das für ein Volk ist und warum ihnen geholfen werden muss?
Christina: „Die Arbore sind eine relativ kleine Gruppe von etwa 5.000 Personen. Sie besitzen hervorragendes landwirtschaftliches Wissen, und die Viehhaltung mit Kühen, Ziegen und Schafen bietet neben dem Ackerbau eine weitere Grundlage nicht nur für die Subsistenzwirtschaft, sondern auch für ihr Selbstbild als „Hirtenvolk“ (Pastoralisten). Die Arbore konnten jahrhundertelang mit ihrer Wirtschaftweise nicht nur sich selber, sondern in vielen Jahren auch ihre Nachbarn versorgen, und Arbore galt als eine Kornkammer Südäthiopiens.
Spürbare klimatische Veränderungen in Kombination mit einer unvollkommenen und nicht auf lokalem Einverständnis basierenden Entwicklungspolitik bringen aber ihre Wirtschaftsweise aus dem Gleichgewicht: Überschwemmungen zerstören zu viele Ernten in Folge, Antibiotika für Tiere werden ohne die dazugehörenden Informationen zu Nebenwirkungen und Dosierungen verkauft, neue private Plantagen für untypische, wasserintensive Pflanzenarten zweigen das Wasser aus dem Fluss Woyto bei Trockenheit ab, bevor es Arbore erreichen kann. Bei Regen werden dann die Staudämme geöffnet und die Fluten rauschen unkontrolliert bis nach Arbore, wo sie große Schäden anrichten können. Arbore, im heißen Tal nördlich des Stephaniesees, liegt in mancher Hinsicht am Ende vieler ökonomischer, ökologischer und politischer Verkettungen. Die Arbore werden dabei nicht in die Planungen einbezogen. Sie kämpfen gegen Widrigkeiten, die sie nicht zu verantworten haben.
Unser Projekt reagiert auf Eigeninitiativen der Arbore, die versuchen, mit diesen Herausforderungen umzugehen, eben um nicht zu abhängigen Lebensmittelempfängern zu werden. Dazu gehört vor allem der Erwerb traditionell nicht verfügbaren Wissens, und, damit verbunden, Ausbildung und Fortbildung in den bestreffenden Bereichen, um auf Wandel angemessen reagieren zu können.
Kurz: Den Arbore wurden durch globale und lokale Veränderungen die Möglichkeiten ihrer unabhängigen und erfolgreichen Wirtschaftsweise in einem klimatischen Extremgebiet genommen. Um damit konstruktiv umzugehen und sie nicht zu Hilfsempfängern zu degradieren, bedarf es integrierter Bemühungen, das heißt, Anstrengungen, die nicht bloß Symptome bekämpfen. Wir verstehen die Projekte nicht vornehmlich als Hilfe, sondern als Ausgleich für Veränderungen, die global verursacht, global zu verantworten, und lokal auszubaden sind.“
Welche Zielsetzung hat das Projekt? Wie steht es dabei um die Nachhaltigkeit? Ist es ein Projekt, das kurzfristig Not lindert oder besteht die Chance, dass die Arbore mittelfristig von Unterstützung unabhängig werden?
Christina: „Das Projekt besteht aus einem Projektkatalog aus integrierten Teilprojekten, die auf den Bedürfnissen der Arbore beruhen. Diese Projekte sind zumeist Langzeitprojekte. Dazu gehört, dass Not und akuter Hunger gelindert werden müssen, damit Menschen arbeiten und sich weiterbilden können. Darum unterstützen wir entschieden auch Nothilfe ohne Bedingungen. Die Arbore haben im September 2008 ihre dritte Ernte in Folge verloren. Das sind zwölf Monate ohne ausreichende Nahrungsmittelversorgung. Dabei haben sie jeweils zwölf Monate durchgearbeitet, gerodet, gesät und gepflanzt, in der Hoffnung auf neue Ernten. Solche Entbehrungen sind schwer nachvollziehbar. Die Arbore können ebenso wenig wie internationale Beobachter in den neuen Launen der Natur bisher irgendwelche Regelmäßigkeiten feststellen und neue Anbauzyklen generieren. Das Projekt soll unverhältnismäßige Not lindern, zum Beispiel bei Familien, die alle ihre Tiere verloren haben oder hungern. Das geht Hand in Hand mit langfristigen Projekten, die vor allem im Bereich der Weiterbildung liegen. Die globale Wirklichkeit hat Arbore mit aller Wucht getroffen. Die Arbore sind bereit, darauf zu reagieren. Die Bildungsangebote in der Region sind aber nicht hinreichend. Darum sollen in allen Bereichen lokale Spezialisten mit nationalen und internationalen Experten neue Formen angepasster Wirtschaftsweisen erarbeiten. Beginnen wollen wir mit der Synthese von grundlegendem lokalem und internationalem Wissen in den Bereichen Veterinärmedizin, Humanmedizin, Landbau, und Bildung. Für die Misere in der Viehhaltung ist zum Beispiel geplant, in der traditionellen Tierhaltung besonders versierte Arbore mit externen Spezialisten in Workshops vor Ort zur Diagnose alter und neuer epidemischer Krankheiten, den Behandlungsmöglichkeiten und deren Nebenwirkungen zusammenzubringen, um gemeinsam zeitgemäßes Wissen zu erarbeiteten.
Hier kann nur ein ganzheitlicher Ansatz den speziellen Bedürfnissen der Region gerecht werden. Langfristig sollen technische und medizinische Schlüsselpositionen von Arbore selber eingenommen werden. Da aber bisher Schulbildung nicht mit ihrer Wirtschaftweise zu vereinbaren war, ist das im veränderten Umfeld ein langfristiger Prozess. Wir glauben, dass dieser ganzheitliche Ansatz basierend auf dem wertvollen lokalen Wissen verbunden mit externem Spezialwissen der richtige Weg ist, um Veränderung möglichst sinnvoll und lokalen Bedingungen entsprechend zu gestalten. Vor allem soll darauf geachtet werden, dass das kulturelle Selbstwertgefühl der Arbore dabei nicht einfach übergangen, sondern respektiert wird. Dazu sollen diejenigen Arbore unterstützt werden, die eine Schul- und gegebenenfalls Universitätslaufbahn auf gutem Niveau anstreben. Die Kosten dafür sind von einer Arbore-Familie alleine nicht zu tragen. Junge Arbore, die sowohl das neuerworbene Wissen erwerben als auch ihre Kultur und somit die Verantwortung für ihre Gesellschaft weitertragen wollen, sollen von der Gemeinschaft ausgewählt werden. Die notwendigen Rahmenbedingungen waren bisher für solche Individuen nicht gegeben. Das resultierte in Kompromissen, die oft zu unzureichender Schulbildung in Internaten, Entfremdung von der Kultur und Familie, und zur Verarmung der Familien von Schülern führte. Gute Schulen für Arbore sollen sorgfältig ausgewählt werden. Diese Möglichkeit soll das Projekt durch bestehende überregionale Netzwerke unterstützen. Spezialisten aus Arbore für Arbore sind das langfristige Ziel dieser Bemühungen.“
Das Projekt sieht unter anderem vor, die Landwirtschaft in einem höher gelegenen Gebiet zu betreiben. Trotz der Überschwemmungsgefahr beim bisherigen Boden: Gibt es dadurch Einbußen der Fruchtbarkeit? Warum wird der Boden dort bisher nicht genutzt?
Christina: „Die Überschwemmungsgefahr ist bei den höher gelegenen Feldern geringer. Dort kann aber nicht mit Schwemmlandbau gearbeitet werden, da sie der Fluss nicht erreicht. Die Fruchtbarkeit der Böden ist von den Arbore in einem mehrjährigen Testanbau bestätigt worden. Gleichzeitig soll die bewässerte Fläche vergrößert werden, um Fruchtwechsel zu ermöglichen. Hierzu ist aber der Einsatz von Wasserpumpen notwendig, eine neue Technik für die Arbore, die ebenfalls erfolgreich getestet wurde. Da die Extrainvestitionenen bisher nicht durch Subsistenzwirtschaft finanzierbar waren, wurden die natürlich geschwemmten Flächen bisher bevorzugt. Nach zahlreichen zerstörten Ernten auf den Schwemmlandflächen haben sich die höher gelegenen Flächen zumindest bei mittelmäßigen Überschwemmungen als sicher erwiesen und bringen dann noch Ernten. Die Frauenkooperative, die so erfolgreich auf diesen Feldern Gemüsebau getestet hat, hat weiteren Zulauf. Die kleine Pumpe kann aber keine größere Fläche bewässern. Darum soll eine neue Pumpe mit mehr Kapazität angeschafft werden. Ziel ist, dass wie im Feldversuch 2006 der Ernteüberschuss verkauft werden kann, um die laufenden Kosten für Diesel und Wartung selbst zu tragen.“
Wie werden die Gelder des Lookout-Spendenkontos konkret eingesetzt? Gibt es einen bestimmten Teilbereich oder fließen sie in ein Spendenpool?
Christina: „Das Geld aus dem Spendenkonto wird in die Durchführung von Teilprojekten in Arbore fließen. Teilweise, wie im Falle von einfachen Schulpatenschaften, wird das gesamte Teilprojekt vom Lookout-Konto aus finanziert werden können, bei größeren Projekten (wie bei der besagten Pumpe) müssen mehrere Quellen zusammenfließen. Der Ansatz basiert ja auf einer engen Zusammenarbeit mit den Arbore selber, und wir streben nicht an, an separaten ‚Baustellen‘ zu arbeiten. Daher wird eine möglichst zeitgleiche Förderung mehrerer Teilbereiche angestrebt. So ist eine Förderung von Einzelprojekten ausschließlich durch das bei Lookout eingegangene Geld nur in speziellen Fällen sinnvoll. Die Festlegung des Projektablaufs hängt nicht zuletzt von den notwendigen organisatorischen Schritten, insbesondere den notwendigen Genehmigungen durch die Regierungsstellen ab.
Kurz: je mehr auf dem Lookout-Konto eingeht, umso mehr Projekte werden vollständig von Lookout gefördert werden können. Man darf aber nicht vergessen, dass es sich hier um ein mehrjähriges, komplexes Projekt für die Verbesserung der nachhaltigen Lebensgrundlage für eine gesamte Bevölkerungsgruppe handelt. Eine Finanzierung nur durch Lookout wäre willkommen, ein phantastisches Phänomen. Sicher werden aber für eine sinnvolle und langjährige Arbeit noch mehr Quellen aufgetan werden müssen. In jedem Fall werden alle Projekte, an die die Lookout-Gelder ganz oder teilweise eingebracht wurden, dokumentiert und einsehbar gemacht.“
Felix, wer ist Träger des Projektes? Können die Spender sicher sein, dass ihr Geld tatsächlich dort ankommt, wo es benötigt wird?
Felix: „Verantwortlich für das Projekt sind die Ethnologen Echi Christina Gabbert und ich. Wir gründen momentan einen Verein zu diesem Zweck. Wir beide haben bereits ein Nothilfeprojekt und mehrere nachhaltige Projekte in Süd Äthiopien erfolgreich begleitet. Aufgebaut wird dabei auf die Erfahrungen von Christina Gabbert (seit 1993 bei den Arbore) und mir (seit 2003 einen längeren und mehrere kurze Aufenthalte in Arbore).
Das Projekt baut auf direkte Kommunikation und kontinuierliche Zusammenarbeit. Das ist ein wichtiger Ansatz unseres Projektes. Christina Gabbert spricht die Sprache der Arbore fließend. Es wird somit ohne Zwischenmänner gearbeitet. Es wird gemeinsam geplant, diskutiert und evaluiert. Das erleichtert die Arbeitsabläufe und wie in bisherigen Projekten, wird das Geld so direkt und ohne aufwändigen Verwaltungsapparat eingesetzt. Das vermindert erfahrungsgemäß die Kosten verglichen zu anderen Projekten um etwa ein Drittel.
Christina Gabbert hat auf der Basis von intensiver Grundlagenforschung für Initiativen der Arbore den rechtlichen und organisatorischen Rahmen für Projekte ausgearbeitet. Zusätzlich stellt sie jedes Projekt dem kritischen Ältestenrat vor und nur dort abgesegnete Projekte werden auch durchgeführt. Dabei geht es den Arbore vor allem um die Wahrung ihrer kulturellen Integrität in einer sich wandelnden Welt. Das Geld wird direkt und ausschließlich für die Projektdurchführung verwendet.
Abschließend ist erneut zu betonen, dass der Projektansatz nicht nur auf lokalem Wissen basiert, sondern auch auf lokalen Bedürfnissen. Wir bringen keine Projekte nach Arbore, die nicht gewollt sind oder am Schreibtisch ausgedacht werden, denn die Arbore formulieren selbst, was am nötigsten ist. Wir assistieren im wesentlich bei der Konzeption, Beratung, Finanzierung und Durchführung von Ideen, zum Beispiel wenn es darum geht, Erlaubnisse für Projekte zu erwirken oder Kontakte zu erfolgreichen ähnlichen Initiativen zu knüpfen und somit eine gute Basis für eine Veränderung im positiven Sinne zu schaffen.“
Hinweis:
Es werden dringend Spendengelder benötigt. Dazu steht folgendes Konto bereit, dessen Einzahlungen direkt dem Projekt zugute kommen:
- Lookout Games – Arbore-Projekt; Konto 1 943 335 801; Oldenburgischen Landesbank; BLZ 28020050;
- PayPal – arbore@lookout-games.de
Informationen bei Lookout Games
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