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Die unüblichen Verdächtigen

Die unüblichen Verdächtigen - Heidelberger Spieleverlag

Vorurteile sind etwas Praktisches: Sie sind meistens bereits vorhanden oder zumindest rasch gefunden und ersparen so unnötiges Nachdenken, das schlimmstenfalls zum kritischen Hinterfragen grundsätzlichster Annahmen und Überzeugungen führen könnte oder müsste. Solches wird oft als anstrengend empfunden und daher lieber gemieden. Außerdem stellen Vorurteile häufig auf das jeweilige Umfeld und die Anschauungen im Freundes- und Bekanntenkreis ab und verschaffen so ein wohliges Gefühl der Geborgenheit innerhalb unserer Gruppen und Gedanken. Das verbindet uns mit unseren Nächsten, was meist durchaus willkommen und gern gesehen ist.

Andererseits sind Vorurteile durchaus nicht unproblematisch und können im Extremfall sogar zur Gefahr für Leib und Leben werden. Man denke nur an die Probleme der „nicht-weißen Bevölkerung“ Amerikas mit der Polizei. Aber wer will schon derart kleinlich und kritisch sein, wenn es darum geht, am Stubentisch üble Verbrechen aufzudecken? Und genau das ist das Ziel bei Die unüblichen Verdächtigen, einem ziemlich ungewöhnlichen Deduktions- und Partyspiel von Paolo Mori (Heidelberger Spieleverlag), das in letzter Zeit in meinen Testrunden erstaunlich oft gespielt und gleich nochmals gewünscht wurde. Und das selbst von Leuten, die sonst lieber anspruchsvollere Kost bevorzugen wie dies oder das.

Wie wird Die unüblichen Verdächtigen gespielt?

Wir sollen also gemeinsam ein Verbrechen untersuchen und den Täter ermitteln. Einer von uns ist der Zeuge, der die Tat gesehen hat und wertvolle Aussagen über den Schuldigen machen kann. Alle übrigen Spieler sind Ermittler, die diese Informationen interpretieren und jede Runde einen oder mehrere Unschuldige aus dem Kreis von zwölf Verdächtigen, die in Form von Spielkarten mit Personenportraits in der Tischmitte ausliegen, ausschließen müssen. Das dauert so lange, bis die Ermittler einmal falsch liegen oder aber zuletzt nur noch der effektive Täter übrig geblieben ist.

Die Aussagen des Zeugen sind Antworten auf Fragen, die jede Runde verlesen und vom Zeugen mit Ja oder Nein beantwortet werden müssen. Das Besondere ist, dass der Zeuge dazu selber keine weitergehenden Informationen hat, sondern sich stets neu überlegen muss, wie der Täter die jeweils aufgeworfene Frage beantworten würde. Dazu schaut der Zeuge die Portraitkarten gut an und macht anschließend eine Aussage aus der mutmaßlichen Sicht des nur ihm bekannten Täters.

Beispielsweise kann gefragt sein, ob er/sie ordentlich ist. Oder an die Wiedergeburt glaubt. Oder noch bei den Eltern lebt. Oder zu den Frühaufstehern zählt. Die Antwort des Zeugen wird im Kreis der Ermittler diskutiert, worauf sie jede Runde gemeinsam mindestens eine Person bezeichnen müssen, die ihrer Ansicht nach nicht als Täter in Frage kommen kann. Liegen die Ermittler mit ihrer Vermutung richtig, geht das Spiel mit weiteren Fragen und Entlastungsvorschlägen weiter, andernfalls ist die Partie sofort für alle verloren.

Das ist bereits alles und macht in den meisten Fällen trotzdem Spaß, besonders wenn die Ermittler ihren Emotionen freien Raum lassen und die jeweiligen Überlegungen und Vorschläge kritisch prüfen und kommentieren. Was, dieser Waldschrat soll viel Zeit im Bad verbringen? Nein, nie und nimmer; dann schon viel eher diese Schickse mit dem leichten Silberblick. Und der Hipster da drüben könnte durchaus des öftern Mahlzeiten überspringen.

So geht es hin und her, ohne dass jemand wirklich etwas Konkretes weiß. Und trotzdem kommt die Gruppe in erstaunlich vielen Fällen zum gemeinsamen Ziel. Das kann einerseits fast ein wenig erschreckend sein. Andererseits sind Spieler ja durchaus gewohnt, mit unterschiedlichsten Sachverhalten und Besonderheiten umzugehen. Und so vermeidet man allzu tiefschürfende Analysen über die Bedeutung und Aussagekraft von Die unüblichen Verdächtigen und wendet sich lieber gleich einem nächsten Verbrechen zu, das aufgedeckt werden soll.

Wie gut ist Die unüblichen Verdächtigen?

Die unüblichen Verdächtigen haben sich in eine Reihe mit anderen Spielen gestellt, die bei uns zum Zuge kommen wenn es darum geht, etwas Kurzes und Unkompliziertes zu spielen, als Abschluss eines längeren Abends mit anderem oder im Kreis von eher Ungeübten, die mit Anspruchsvollerem überfordert wären. Wir lassen dabei meist auch das zusätzlich angebotene Wertungssystem weg, mit dem sich die Effizienz der Ermittlungen beurteilen und vergleichen lassen. Ebenso verzichten wir auf die Sonderregeln für einen kompetitiven Wettstreit von zwei Ermittlergruppen in größeren Runden.

Dafür macht es auch nichts, wenn jemand vorzeitig auf den Zug muss oder erst im Verlauf der Ermittlungen dazustößt, meist angelockt durch das große Hallo und die lebhaften Diskussionen, die sich im Kreis der Ermittler abspielen. Das ist beste Werbung für das Spielen und sehr unterhaltsam, selbst wenn eigentlich gar nicht richtig gespielt und um den Sieg gerungen wird. Aber das braucht es offenbar auch gar nicht immer und überall.

Infos zu Die unüblichen Verdächtigen

  • Titel: Die unüblichen Verdächtigen
  • Verlag: Heidelberger Spieleverlag
  • Autor: Paolo Mori
  • Spieleranzahl (von bis): 3-18
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 8
  • Dauer in Minuten: 20
  • Jahrgang: 2015

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