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kosmopoli:t

kosmopoli:t - Ausschnitt - Foto von HUCH

Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne an einem lauschigen Sommerabend ibadoro iduob esse. Dazu einen gut gekühlten gu e tobi genieße. Und zum Nachtisch darf es danndoba bessu sein. Aber nur in meiner Massenphase. Anonsten achte ich natürlich auf die Hüften und dann gibt es eher taktoditang mit pibimpa. Auf kimtzitzige muss ich leider verzichten, da ich davon Sodbrennen bekomme und am nächsten Tag schon mal die Luke in Flammen steht. Und dann ist die Messe noch vor Sonnenaufgang gelesen. Aber wir sollten nicht über gegessene Speisen reden, bevor sie serviert wurden. Und genau das ist unsere Aufgabe beim Spiel [kosmopoli:t] von Julien Prothière, Florent Toscano (HUCH!).

Kooperatives Partyspiel für (angehende) Linguisten

Och nö, nach Kitchen Rush noch ein Partyspiel rund ums Zubereiten, Anrichten und Ausliefern von Speisen?!! Gemach, gemach, mein junger Padawan, das hier ist nicht die Spielversion von „Kitchen Impossible“, sondern Feuerwerk und Obstkorb in einem für Linguisten, Philologen und Anthropologen sowie Menschen mit anderen verstörenden Leidenschaften. Denn im Kern geht es darum, Speisen in ungewohnten Sprachen auszusprechen, zu verstehen, zu finden und die benötigten Zutaten zusammenzustellen. Come on, das klingt mehr nach Experiment als Gaudi. Wir brauchen doch schon bei manch Landsmann und Landsfrau im Fernsehen Untertitel.

Appgesteuerter Restaurantbetrieb in Echtzeit mit babylonischen Auswüchsen

Bleiben wir bei den Fakten. Und die stehen wie immer im Regelheft. Auch bei [kosmopoli:t]. Erst einmal der Hintergrund: In diesem Spiel arbeiten wir mit 4-8 Personen in einem Restaurant. Aber in einem besonderen Restaurant, weil wir in unserem Restaurant versuchen, für unsere Gäste Speisen zu servieren, die typisch für das Land sind, aus dem sie kommen. Und so bestellen die Gäste ihre Speisen auch in ihrer Landessprache.

Die Kellnerin nimmt dabei die Speisen auf und teilt sie den Köchen mit. Der Oberkellner notiert hierbei die Tischnummer und den Speisenwunsch. Er stellt das Bindeglied zwischen der Kellnerin und den Tischen dar und wiederholt auf Wunsch Tischnummer und Speise. Die Köche müssen nun anhand des Gesagten auf ihren Karten die passende Transkription finden. Hat ein Koch die gesuchte Speise gefunden, teilt er den anderen Köchen mit, welche Zutat er für die Fertigstellung benötigt. Diese suchen nun die Zutat in ihren Zutatenkarten. Wobei jeder Koch eine oder mehrere Kategorien von Zutaten verwaltet.

Sobald die Zutat gefunden wurde, reicht der Koch dem Oberkellner die Zutat und  die Sprachkarte mit der Speise weiter. Der Oberkellner packt noch die entsprechende Tischkarte dazu und reicht dies an die Kellnerin weiter. Diese überprüft abschließend die Bestellung. Falls alles richtig ist, gibt es Punkte. Falls nicht, gibt es Punktabzug und die Karten wandern zurück.

Woher bekommt eigentlich die Kellnerin ihre Bestellungen? Jetzt wird es modern. Digital!! Magie!! Nämlich über eine App.

In der App wird das Restaurant simuliert, in welches Gäste nach und nach die Tische besetzen, die Speisekarte studieren und dann signalisieren, dass sie eine Bestellung aufgeben wollen. Klickt man auf den entsprechenden Tisch, hört man die Bestellung, bspw. Applflappen. Oder Schjöttböllar o potatißmous. Damit dies aber nur die Kellnerin hört, hat sie Kopfhörer auf. Solange sie den Tisch nicht wechselt, kann sie sich die Bestellung auch mehrmals ohne Punkteabzug anhören. Kehrt sie allerdings später an den Tisch zurück und hört sich die Bestellung erneut an, verliert man Punkte.

Der Knackpunkt an [kosmopoli:t] sind die fremdländischen Speisen und der Zungenkasper, den man beim Aussprechen veranstaltet. Hinzu kommt dann noch das Flüsterpostprinzip, welches schon bei der Kellnerin anfängt. Was sie hört und was sie wiedergibt, sind zwei Paar Schuhe. Und dann sind noch Oberkellner und Köche daran beteiligt, die ebenfalls diesem Phänomen unterliegen.

Weiterhin hat man nur 6 Minuten Zeit, so viele Bestellungen wie möglich zu erfüllen. Und plötzlich reden alle wild durcheinander. Die Kellnerin haut Bestellungen raus, der Oberkellner mahnt die Zeit und versucht Ordnung ins Chaos zu bringen. Die Köche wiederholen Bestellungen und schreien Zutaten raus. Klein-Babylon im Wohnzimmer.

[kosmopoli:t] entwickelt hier schon auf niedrigstem Level eine unglaubliche Dynamik, dass man das Gefühl hat, in einer gut gefüllten Vogelvoliere zu sitzen.

Und das schon beim ersten Level. Und die Schote wird mit steigendem Level ja immer schlimmer. Es müssen mehr Speisen geliefert werden, es gibt mehr Tische, es gibt mehr Räume, es gibt mehr Gäste und dann kommen auch noch Restaurantkritiker dazu, die unerkannt bleiben, aber Bonuspunkte geben. Mein lieber Scholli, da nässt die Achsel und schwillt die Zunge. Ausnahmsweise passt da der Verlagsname ganz gut. Huch! Huch! Huch!

[kosmopoli:t] – liebevoll gestaltetes Partyspiel mit überraschend viel Background

Jetzt bin ich ausnahmsweise einmal ehrlich. Als das Ding hier bei mir gelandet ist, habe ich gedacht, ich kriege hier wieder die größte Graupe, während die anderen die Festspiele serviert bekommen. Kooperative Spiele! Geh mir langsam weg damit! Und dann diese komischen krakeelenden Männchen auf dem Cover. Mensch, man will doch in Würde altern. Und das Spielprinzip klang anfangs auch gar nicht sooo witzig. Einmal ausgepackt, war ich dann aber doch überrascht.

Hier hat man nicht lieblos ein weiteres Partyspiel rausgehauen, um auf dem florierenden Markt eine schnelle Münze zu machen, sondern tatsächlich eine Menge Arbeit reingesteckt.

Das fängt bei der gut strukturierten, verständlichen Anleitung an, die auch eine Menge Informationen zur Transkription bietet. Dann funktioniert die App zumindest bisher einwandfrei. Wirklich groß finde ich aber die beiliegende Dokumentation „Ein Blick hinter die Karten“, welche auf knapp 30 Seiten den wissenschaftlichen Background erläutert. Und wer dann immer noch nicht genug hat, kann sich online noch das komplette 60 Seiten starke Begleitheft herunterladen. Wenn man dann noch auf der letzten Seite schaut, wer alles irgendwie an dem Projekt beteiligt war, dann merkt man, dass hier eine Menge Schweiß und Herzblut drin steckt. Respekt!

Mitmachnummer für die ganze Familie: vom Urenkel bis zur Oma

kosmopoli:t - Material und Spieleschachtel - Foto von HUCH

Aber für uns zählt natürlich das Spiel an sich. Und das hat überraschend gut funktioniert, auch in verschiedenen Konstellationen. Zusammen mit ganz jung (Grundschule) bis hin zum gereiften Alter (80 Jahre). Alle haben emsig in der Küche mitgewirkt, gestikulierend und durcheinander schreiend, um unsere ungeduldigen Gäste ans Mampfen zu bringen. Und langweilig ist das nicht. Schade ist nur, dass man als im Spiel Involvierter so wenig davon mitbekommt. Dass muss für einen Außenstehenden genauso bekloppt wirken, wie wenn Leute Lucky Lachs spielen.

Persönlich hat mir am Besten die Rolle der Kellnerin gefallen. Wenn man da so sitzt und versucht zu verstehen, was der Gast denn will und nur aus den Augenwinkeln sieht, wie das Chaos mit jeder Bestellung, die man rausfeuert, zunimmt. Das ist schon großes Entertainment. Und wird erst einmal durch den steigenden Schwierigkeitsgrad und die Menge an Karten auch nicht so schnell langweilig. Und ich könnte mir vorstellen, dass wenn das Ding hier einschlägt, auch noch die eine oder andere Erweiterung drin ist. Genug Sprachen, Gerichte und Zutaten gibt es ja schließlich. Und notfalls peppt man halt den Küchenalltag  mit dem einen oder anderen Ereignis auf.

Infos zu kosmopoli:t

  • Titel: [kosmopoli:t]
  • Verlag: HUCH!
  • Autor: Florent Toscano, Julien Prothière
  • Spieleranzahl (von bis): 4-8
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
  • Dauer in Minuten: 6
  • Jahrgang: 2022
  • Video:
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