Persönlicher Messebericht
Die Spiel 2019 in Essen bot wie immer 4 Tage feinsten Messewahnsinn und wie zu erwarten neue Rekorde. Mit 209.000 Besuchern hat man das Vorjahresergebnis von 190.000 Besuchern sogar deutlich überboten. Und während es in 2018 noch Probleme mit dem Einlass gab, flutschte es bis auf kleinere Unregelmäßigkeiten in 2019 wie ein in Vaseline eingelegter Aal.
Natürlich war es trotz neuer Hallen auch in diesem Jahr wieder voll bis sehr voll. So voll, dass es mir persönlich schwer fällt zu bewerten, ob es im Vorjahr voller oder weniger voll war. Voll ist dann irgendwann einfach nur noch voll. Besonders was die großen Verlage in Halle 1 und Halle 3 anging. Wer hier ein bestimmtes Spiel spielen wollte, der brauchte Geduld und auch etwas Glück.
Und so war es dann wie jedes Jahr: Der über Wochen erstellte Plan wird spätestens beim Einlass und dem ersten Bad in der Menge in den nächsten Mülleimer geworfen. Es gilt die Devise: Treiben lassen, Lücken suchen und vor den erstbesten freien Meeples, Tiles und Würfeln schnell den Hintern platzieren. Und spielen, was gespielt werden kann, egal ob neu, semi-neu oder etwas angestaubt. Wir sind gekommen, um zu spielen, also spielen wir.
Von Blindkäufen, Ganzkörperkondomen und brummigen Erklärbären
Bei den ansässigen Verkehrsbetrieben scheinen nur Spielehasser zu sitzen. Oder Mensch-Ärger-Dich-Nicht– und Monopoly-Veteranen, denen alles Neue in der Spielewelt ein Graus ist. Mau-Mau-Misantrophen! Anders ist es nicht zu erklären, dass man jedes Jahr im Oktober faule Schienen in den Weg gelegt bekommt, wenn man nach Essen will. Genau in der Messewoche fährt die S6 von Düsseldorf nicht mehr nach Essen, was kein Problem wäre, wenn dann wenigstens noch die anderen Züge kommen. Diese fallen aber wie bestellt einfach aus. Problemlos hingegen die Fahrt mit der U11 von Essen HBF zur Gruga. Klar, auch hier schon Quetschkommode angesagt, aber die Bahnen sind ordentlich getaktet und das gut aufgelegte Personal vor Ort hat die Massen im Griff. Spielidee: Fahrt zur Messe nach Essen. Eine Mischung aus Zug um Zug, Flügelschlag und Pandemie.
Gegen 9:45 Uhr am Eingang West dann das gewohnte Bild von schnatternden Horden. Dank Presseaufweis darf ich früher reinschlüpfen und erlebe zum ersten Mal seit Jahren die Hallen, bevor die Tore öffnen. Die Ruhe und Weite gepaart mit dem Farben der noch schlummernden Stände ist …
… etwas, wofür ich keine Zeit habe. Zumindest einen guten Vorsatz für 2019 möchte ich umsetzen. Denn dieses Jahr kaufe ich mir ein im Vorfeld gehyptes Spiel blind, um Triumph oder Schmach eines Blindkaufs vollumfänglich erfahren zu dürfen. Mein persönliches Discover! Wochenlange akribische Recherche, das Studieren der Neuheitenliste auf Boardgamegeek in Schleife, Zuhören und Zuschauen diverser und internationaler YouTuber, Abwägen, Taktieren … Selbst in meine Magisterarbeit ist nicht so viel Schweiß, Alkohol und Ibuprofen geflossen wie in diese Entscheidung. Im Karussell saßen Maracaibo, Glen More Chronicles II, Cooper Island, Atlantis Rising, Obscurio, Paladins of the West Kingdom, Era of Tribes, Trismegistus, Everdell und Crystal Palace. Und es drehte und drehte und drehte sich …
„Bitte einmal Ecos: First Continent und Point Salad. Ja, Ecos bitte auf Deutsch. Nein, nur die kleine Tüte. Nicht das Ganzkörperkondom. Ja, bar. Danke.“ AEG ist an diesem Donnerstag der erste Stand, den ich aufsuche und 60 € von meinem sauer zusammengesparten Messebudget überreiche. Wobei, Budget auf der Spiel, … Der ist gut!
Beschwingt hüpfe ich vorbei an den noch leeren Ständen, lächle den schon schwitzenden und sich gegenseitig motivierenden Erklärbärenfamilien zu und stelle mich am Eingang Süd auf, um den Einlass zu beobachten. Punkt 10 Uhr öffnen die Tore und wie jedes Jahr schwappt eine panische, hektische, teils durch Kaufrausch entstellte Masse in die Halle und überschwemmt die ersten Stände . Und genau jetzt hat Essen 2019 begonnen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Denn die Eingänge sind verstopft.
Meine Messebegleitung für den ersten Tag hingegen steckt im Stau und verspätet sich wohl ordentlich. Dann doch ein Hoch auf den ÖPNV. Umliegende Parkhäuser sind nämlich schon voll. Und P10 ist für Kaufsüchtige ungeeignet, da sie Tonnen neuer Spiele gerne während der Messe in ihre P- und Lkw bringen wollen. Die hohe Belastung der Parkhäuser resultiert sicherlich auch daher, dass es 2019 keine Eintrittskarten mehr mit kostenfreier Bahnfahrt im VRR gibt. Viele Besucher sind daher wieder auf ihr Auto umgestiegen.
Mein zielloses durch die Hallen Streifen führt mich an den Stand von Godot Games. Human Punishment 2.0 Social Deduction steht tatsächlich auf meiner Liste. Sogar als heimlicher Blindkauf. Da aber gerade eine Supporterin frei ist, lasse ich mir die Grundzüge des Spiels zusammen mit einem jungen Pärchen erklären. Auch nach der Ausführung bin ich noch interessiert, die Jungverliebten sind unschlüssig. Dann geht doch nach Pegasus Fog of Love spielen!
Ich nutze die Gunst der Stunde und schließe mich einer gemischten Gruppe an, die gerade ins Spiel startet. Verwandtschaftsverhältnisse meiner Mitspieler: Mutter, Tochter und vermutlich Schwiegersohn in Spe. Kann aber genauso wie ich auch ein zufällig Hinzugestoßener sein.
Bei Human Punishment erhält jeder Spieler verdeckt drei Karten, die er vor sich ablegt und die bestimmen, welcher der drei Parteien er im Spiel angehört. Es gibt Menschen, Maschinen und Gesetzlose. Das Hintergrundszenario erinnert ein wenig an Terminator, nachdem die Maschinen die Herrschaft übernommen haben. Dabei gewinnen die Maschinen, wenn sie die Menschen auslöschen. Die Menschen gewinnen, wenn sie Maschinen und Gesetzlose auslöschen. Und ein Gesetzloser gewinnt, wenn er als einziger überlebt. Jeder Spieler hat in seinem Zug dabei verschiedene Aktionsmöglichkeiten, wobei er u. a. auch mit den ausliegenden Waffen auf seine Mitspieler zielen und (meistens) in der nächsten Runde auch schießen kann.
Zu Beginn noch etwas uninspiriert, steigern wir uns mit jeder Runde mehr in das Spiel hinein. Der Erklärbär unterstützt ordentlich und selbst die reife Dame am Tisch findet offensichtlich Gefallen am munteren Treiben. Als Gesetzloser muss ich alle am Tisch ausschalten. Schnell habe ich herausgefunden, dass der vermeintliche Schwiegersohn den Maschinen angehört und Mutter und Tochter Menschen sind. Ob wirklich mit Absicht oder eher versehentlich, auf jeden Fall schalten die Menschen die Maschinen aus. Als Gesetzloser wird für mich die Luft nun dünn. Ich spiele ein Programm und wechsele meine Gesinnung mit der Tochter. Als Mensch überzeuge ich die Mutter, dass wir Töchterlein eliminieren müssen, indem ich meine Spezialwaffe einsetze: Reden! Darauf war bisher noch keiner gekommen. Und da Mutter mir mehr traut als ihrer eigenen Tochter, fällt die gesetzlose Tochter im Kugelhagel und Mutter und ich klatschen uns begeistert ab. Euphorisiert über diesen genialen Clou schrumpft das Messebudget schon früh am Tag erneut und Human Punishment wandert zum Punktesalat in die Tasche. Vielleicht hätte ich doch das Ganzkörperkondom nehmen sollen.
Kurze Zeit später treffen meine zwei Messebegleiter ein. Komplett planlos, aber hochmotiviert. Uninspiriert machen mir uns auf den Weg und bleiben am erstbesten freien Platz hängen. Bei Hobby Japan. Und spielen zusammen mit einem Erklärbär, der zumindest optisch auch einen guten Quarterback in der NFL geben könnte, Rumble Nation. Laut Erklärbär für Freunde von Risiko. Ich sehe mich schon bis zur Dämmerung vor dem kleinen Spielbrett sitzen und farbige Kuben hin und herschieben.
Aber es kommt anders. Denn Rumble Nation ist doch recht flott gespielt. Man würfelt mit drei Würfeln und kann dann anhand des Ergebnis eine bestimmte Anzahl an Kuben in seiner Farbe in einer Region des Spielplans platzieren. Außerdem darf man 1x in dieser Phase eine der offen ausliegenden Aktionskarten nutzen. Beim Platzieren sollte man darauf achten, dass man in einer Region die Mehrheit besitzt und möglichst Regionen mit hoher Zahl einnimmt. Wurden alle Würfel platziert, werden die Regionen aufsteigend gewertet. Hat man in einer Region die Mehrheit, bekommt man die volle Punktzahl dieser Region. Der Zweitplatzierte die Hälfte. Außerdem streuen die Einheiten des Spielers mit der Mehrheit noch, d. h. in allen umliegenden Regionen bekommt er noch einen Kubus dazu. Was der Erklärbär natürlich bis zur Auswertung verschwiegen hat, um dann glanzvoll zu gewinnen. Gar nicht übel, aber für meine Spielrunden wohl eher zu farblos und trotz Thematik zu abstrakt. Meine Begleitung nimmt es aber für schlappe 20 Euro mit. Es gibt sogar ein deutsches Übersetzungspack dazu.
Am Stand von Quality Beast bleiben wir erneut hängen. Die Tische mit den deutschen Ausgaben von Root und Vast sind natürlich besetzt und die dort grübelnden Spieler machen zwar keinen glücklichen, aber auch nicht den Eindruck, als dass sie bald aufstehen werden. Frei hingegen ist der Tisch mit dem Spiel Village Pillage, von dem ich noch nie zuvor gehört habe. Scheinbar auch niemand am Stand von Quality Beast, denn das Standpersonal und die anwesenden Supporter erscheinen alle auf einmal schwer beschäftigt. Also quält sich meine Begleitung durch die englischsprachigen Regeln. Als ein wenig Licht am Ende des Regelhorizonts erscheint, taucht dann doch noch jemand vom Stand auf, der das Spiel zumindest einmal gespielt hat und gießt das Fundament für einen erfolgreichen Start.
Village Pillage hat eine Schere-Stein-Papier-Mechanik als Grundmechanismus. Jeder Spieler spielt verdeckt links und rechts eine Handkarte und vergleicht diese nach Aufdecken mit den gespielten Karten seiner Nachbarn. Dabei sind gewisse Kartenfarben höherwertig als andere bzw. es ist festgelegt, was passiert, wenn gewisse Kartenfarben aufeinandertreffen. So gewinnt oder verliert man Ressourcen, die man in neue Karten oder in Reliquie investieren kann. Von jeder Reliquie wird ein Exemplar schließlich benötigt, um das Spiel zu gewinnen. Was mir zu meiner eigenen Überraschung gelingt. Auch wenn es Spaß gemacht hat, ist es halt nur ein nettes kleines Spiel, aber unter der riesigen Anzahl an Neuheiten kein Messehighlight.
In der Galeria stoppen wir beim Mogel-Verlag, um Banana Bandidos zu spielen. Da die Spielregeln hier an anderer Stelle schon beschrieben wurden, spare ich mir eine detaillierte Erklärung. Nur soviel: Trotz Schaumstoffbananen hat das Spiel keinen aus der Spielrunde beim ersten Durchlauf gepackt. Daher versuchen wir es mit einer Partie Belratti. Das kooperative Assoziationsspiel hingegen kommt bei allen Beteiligten sehr gut an und so wandern nach der Erstpartie einige signierte Exemplare über den Tresen.
Beim Streifzug durch die Hallen wird schnell klar, dass es auch am Nachmittag nicht leicht wird, sich irgendwo platzieren zu können. Den nächsten freien Tisch erwischen wir bei Blue Orange Games ausgerechnet bei Slide Quest. Slide Quest ist das klassische Murmel Labyrinth reloaded, diesmal nur aus Plastik, kooperativ und mit Storymode. Aufgrund des Storymodes kann man die Spielfläche auch wechseln und hierüber den Schwierigkeitsgrad steigern. Das Ganze sieht wirklich putzig aus, die Idee der variablen Spielfläche ist sauber, aber wir sind definitiv nicht die Altersgruppe. Zumal ich als Besitzer des originären Murmel Labyrinths auch einfach die klassische Haptik vermisse.
Am Stand von Pegasus gibt es dieses Jahr zwei Spiele, die mich mächtig interessieren: Der Kartograph und Kitchen Rush. Allerdings sind die entsprechenden Tische mit Dauercampern belegt, so dass wir uns anderswo niederlassen wollen. Wollen, weil ein Erklärbär von seinen leeren Tischen keinen Stuhl abgeben will und an dem Tisch, an dem wir Platz nehmen wollen, Stühle fehlen. Diskutieren kannst Du aber vergessen. Der Mensch versteht nicht, dass aktuell keiner Bock hat, Yu Gi Oh zu zocken! Also weichen wir an den Tisch von Tuki aus, auch wenn das Material auf den ersten Blick nur nach buntem Plastikmüll ausschaut. Der sich herbeischleppende Erklärbär pfeift zu diesem Zeitpunkt auch schon aus dem letzten Loch und hat augenscheinlich keinen Bock auf Tuki.
Da Tuki eine einfache Nummer ist, kommen wir auch mit der lustlosen Erklärung des Erklärbären klar. Bei Tuki bauen bis auf einen Spieler alle gleichzeitig ein Tukilik aus Spielsteinen. Ein Spieler zieht dabei eine Karte, auf der vorgegeben ist, wie das Tukilik auszusehen hat und überprüft nach dem Bauen, ob die Spieler das Tukilik richtig gebaut haben. Damit die einzelnen Gebilde halten, kann man sogenannte Schneeblöcke nutzen. Der Spieler, der als letztes sein Gebilde fertigstellt, bekommt eine Strafkarte. Wer zum Schluss die wenigsten Strafkarten hat, gewinnt.
Auch wenn die Spielsteine optisch wenig hergeben, sind sie haptisch 1a. Das Bauen der Tukilik ist gar nicht so trivial, da man hierbei die unterschiedlichen Schneesteine richtig einsetzen muss. Und das Ganze unter Zeitdruck. Macht mir Spaß, meine Begleitung ist nicht ganz überzeugt. Vielleicht hat der Erklärbär sie auch angesteckt.
Vormittags haben wir uns schon für 16 Uhr bei Snowdale Design für eine Runde Dawn of Peacemakers eingetragen. Das Spiel hatte beim Vorbeigehen unser Interesse geweckt, da sowohl der Spielkarton als auch das Spielbrett mit seinen Tierminiaturen etwas hermacht. Auch das Thema „Make peace, not war“ und Tiere als Friedensstifter klingen im ersten Moment spannender als das ewige „Auf die Mappe“.
Unser finnischer Erklärbär Ville bereitet uns zu Beginn mit seinem von einem finnischen Akzent geprägten Englisch starke Probleme. Das Spiel erklärt er mit stoischer Ruhe, emotionslos, die einzelnen Wörter monoton wie eine Schreibmaschine in den Raum tackernd. Erinnert mich an Ivan Drago. Es dauert gefühlt 45 Minuten, bis wir ein einheitliches Verständnis vom Spiel haben. Soviel haben wir verstanden: Wir spielen jeder Tiere, die gemeinsam versuchen, zwei gegnerischen Parteien den Spaß am Krieg zu nehmen. Dabei befinden wir uns mitten im Geschehen und versuchen, die Aktionen der Parteien zu beeinflussen, indem wir bspw. einzelne Krieger abziehen, sie vergiften oder ganz einfach ihre Aktionen durcheinanderbringen. Tatsächlich gelingt es uns, nach knapp über einer Stunde das erste Szenario erfolgreich zu beenden. Spaß gemacht hat es allerdings nicht wirklich, aber das Spielmaterial ist toll. Aber für 80 € einfach ein zu teurer Staubfänger.
Dawn of Peacemakers hat uns erschöpft. Da kommt der Stand vom Kuriosum Verlag genau richtig. Die Berliner Jungs hatte ich schon in Ratingen kennen- und ihr Erstlingswerk Faules Ei liebengelernt. Zu viert dreschen wir einige Runden, um den Kopf wieder frei zu kriegen. Dabei erzählt Marcel vom kommenden Projekt Crazy Pitch, bei dem man spielerisch das Halten von Kurzpräsentation (Pitch) üben kann. Ein Partyspiel sowohl für zuhause als auch für Unternehmen oder Selbstständige.
Meine Messebegleitung will noch Comics kaufen, so dass ich mich verabschiede und einfach noch ein wenig alleine über die Messe schlendere. Bei Portal Games findet der Abverkauf der 2017er Neuheit Rising 5: Runes of Asteros statt. Das appgesteuerte Spiel mit SciFi-Setting war 2017 kein Messehighlight, aber da ich als Kind sehr gerne Mastermind gespielt habe, packe ich es für 5 € auch noch in meinen Beutel.
Damit endet auch der erste Tag. Nur 4 Spiele gekauft. Ich bin stolz auf mich!
Herrengedeck trifft auf wandelnde Mensch-Frikadelle
Trotz einiger Herrengedecke am Abend bin ich aus dem Nachmessesog nicht rausgekommen und dementsprechend gerädert/verkatert am Freitagmorgen. Meine Mitfahrgelegenheit muss ich sausen lassen, um mich erst einmal langsam zu entfalten, schaffe es aber doch mit ÖPNV gegen 10 Uhr zur Messe.
Dort habe ich die dumme Idee, mich beim Asmodee Schnäppchenstand anzustellen. In der Schlange komme ich kurz ins Gespräch mit den Jungs vom Spieleabend TV, einem Kanal, von dem ich angenommen habe, dass er längst eingestellt wurde. Das sächsische Duo, welches in Stuttgart ansässig ist, strahlt aber weiterhin fröhlich aus und ist am Freitagmorgen schon mit allem möglichen Plunder beladen. Alleskäufer! Allesspieler! Alles! Alles! Alles! Komplett schmerzbefreit! Aber alles sympathisch … und professionell mit Visitenkarte. Mir hingegen fällt nur Zombicide: Prison Outbreak (30 €) und Lorenzo, der Prächtige (15 €) in die Arme. Bei einigen Spielen zuckt es zwar, aber noch siegt der Verstand! Man muss den Mist ja auch den ganzen Tag mit sich rumschleppen. Anderswo eskaliert schon die Brieftasche. Nein, Nein, Nein, schnell weg!
Heute bin ich mit meinen zwei Lieblingsdamen aus der Spielgruppe und dazugehörigen 15 jährigen Pubertier unterwegs. Treffpunkt Pegasus. Warmzocken mit Tricky Druids, Familienspiel ab 8, bekanntes Zaubertrankthema. Kater sei Dank schaffe ich keinen Trank und bin froh, als es vorbei ist. Die Nummer ist auch irgendwie nicht wirklich neu, sieht aber ganz nett aus. Irgendwie glaubt mir auch keiner der umstehenden Besucher, dass das ein ganz heißer Kandidat für das kommende Kennerspiel des Jahres ist.
Da man erneut nichts reißen kann, was Tische bei Der Kartograph und Kitchen Rush angeht, landen wir auch bei Tuki. Der heutige Erklärbär ist gut drauf, präsentiert die Nummer ansprechend und legt uns noch irgendein Promopaket für den Gewinner auf den Tisch. Bei den Jägern und Sammlern am Tisch schlägt daraufhin der Puls bis zur Halskrause und dementsprechend wird mit zittrig-schwitzigen Händen gezockt. Am Ende steht es irgendwie Unentschieden und wir teilen die Karten des Promopacks einfach untereinander auf. Wichtiger ist die Erkenntnis, dass die Nummer wirklich Spaß macht, wenn man denn auf abstrakte Bau- oder Stapelspiele steht.
Nächster Stopp Game Factory. 13 Indizien lockt an den Tisch. Die Mischung aus Cluedo und Mastermind kann alle überzeugen und so wandert zumindest ein Exemplar für die Spielgruppe ins Gepäck.
Bis ein Tisch für Color Brain frei wird, zocken wir eine Runde Avacoda Smash! Wer Reaktionsspiele mag, dem kann ich das kleine, originell verpackte Kartenspiel nur ans Herz legen.
Color Brain ist ein etwas anderes Quiz-Spiel, bei dem auf 150 doppelseitigen Karten nach Farben gefragt wird, z. B. „Welche Farben hat Blume bei Bambi“, „Deutscher Hersteller von Elektrogeräten“ oder „Farben im Google Logo“. Die Anzahl der gesuchten Farben wird durch die Fragekarte vorgegeben. Geantwortet wird mit Farbkarten. Gespielt werden kann mit bis zu 12 Spielern. Auch in Teams. Color Brain ist originell, gut gemacht und macht definitiv auch Laune. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Spielspaß lange hält, weil man halt nur auf Farben limitiert ist. Außerdem stinke ich bei dem Spiel ziemlich ab.
Sehr gespannt bin ich auf First Contact, die Neuheit von Huch! Obwohl es nur ein Vorführexemplar auf der Messe gibt und die Verkaufsexemplare im Zoll feststecken, bekommen wir nach ein paar Minuten Wartezeit einen freien Platz am Tisch. Es gesellen sich noch zwei interessierte Mitspielerin dazu, so dass wir mit 6 Spielern das Kommunikationsspiel bestreiten.
Doch zuerst sagt ein alter Bekannter „Hallo“: Der unangenehme Geruch! Und erst da fällt mir auf, dass es in diesem Jahr bisher noch zu keiner Begegnung gekommen ist. Dafür nun umso heftiger. Es riecht auf einmal, als ob ein stark schwitzender Mensch sich am Vortag mit Fertigfrikadellen eingerieben hat. Das ist schlecht für die Nase, schafft aber Flair für das vor uns liegende Spiel: Denn wir befinden uns im alten Ägypten, in dem Außerirdische landen.
Das Team der Ägypter versucht dabei, die Hieroglyphen des Teams der Außerirdischen zu verstehen, um den Außerirdischen die richtigen irdischen Geschenke zu überreichen. Die Entschlüsselung funktioniert hierbei über auf Karten abgebildete Gegenstände. Zum Beispiel kann ein Spieler aus dem ägyptischen Team alle Gegenstände um 90 Grad drehen, die gemeinsam haben, dass sie rund sind, um hierfür die Hieroglyphe für „rund“ zu erfahren. Die Außerirdischen wiederum zeigen Hieroglyphen, um gewisse Gegenstände zu erhalten. Wenn die Ägypter die richtigen Gegenstände überreichen, gibt es dafür Punkte.
First Contact ist nicht so prickelnd wie erwartet, aber auch nicht wirklich schlecht. Würde es Codenames nicht geben, würde es sicher besser ankommen. So fühlt es sich aber nicht so originell an, wie es gerne wäre.
Da es mit Kartograph anscheinend nichts wird, versuchen wir unser Glück bei Blue Cocker Game, um das ähnlich gelagerte Welcome zu spielen. Tisch ist frei, aber bei Blue Cocker hat man an Supportern gespart. Zwei Mitarbeiter betreuen mehrere Tische, so dass eine Erklärung auf sich warten lässt. Die Erklärung ist dann zwar unaufgeregt, aber ordentlich. Und Welcome wird sicherlich nicht umsonst als eines der besten Flip‘n‘Write -Spiele bezeichnet. Die Nummer hat einen schönen Mechanismus und verschiedene Möglichkeiten, Punkte zu machen. Bringt schon die Synapsen auf Betrieb. Gut.
Bei Board Game Box testen wir zuerst Welkin. Hier sind wir in einem futuristischen Fantasy-Setting Architekten für fliegende Inseln und versuchen, diese gewinnbringend zu bauen. Optisch hübsch, spielerisch aber unaufregend. Definitiv kein Must-Have.
Besser gefällt uns dabei Draftosaurus. Das Material ist niedlich. Und das Spiel, in dem man seinen eigenen Dinosaurierpark zusammenpuzzelt und durch optimiertes Setzen versucht, am Ende möglichst viele Punkte zu bekommen, bietet einen einfachen Einstieg und ist angenehm kurzweilig. Und ist nach der Berlin Con total gehypt worden. Daher vollkommen unverständlich, dass der Verlag lediglich 40 Exemplare in Essen dabei hat, die natürlich „fast as a shark“ ausverkauft waren. Allerdings soll bald eine neue Version kommen, die das Manko des kleinen Beutels ausbügelt.
Czech Games haben dieses Jahr mit Sanctum nicht nur ein Brettspiel im Hack and Slay Genre am Start, das alle Diablo-Fans im Vorfeld wuschig gemacht hat, sondern mit Letter Jam auch das obligatorische Kommunikationsspiel. Unsere Supporterin gibt sich Mühe, uns das Spiel zu erklären, allerdings steht ihr brüchiges Englisch dem etwas im Weg. Dennoch schaffen wir es zumindest rudimentär, die Nummer auf den Tisch zu bringen. Detaillierte Regeln finden sich beim HeidelBÄR Verlag. Freunde von Wortspielen sollten sich das einmal angucken. Nach dem ersten Spiel fällt es mir schwer zu sagen, ob es nur ein weiteres beliebiges Wortspiel ist oder in der Oberliga des Genres spielt.
Den Abschluss des zweiten Tags bildet Clash of Vikings, ein Kinder- bzw. Familienspiel aus dem Hause Queen Games. Hier dürfen bis zu 4 Spieler munter bluffen und ihre Figuren prügeln oder plündern lassen. Alles natürlich kindgerecht. Und Kinder scheinen auch das Zielpublikum zu sein. Uns hat das Ding nicht angesprochen.
Somit endet auch der zweite Tag. Nur zwei Schnäppchen gekauft! Braver Junge!
Der Hund, der nicht bellt, und Eskalation im Schlauch
Eigentlich wollte ich Samstagnachmittag mit dem am Vortag kennengelernten Magazinkollegen Riemi um die Stände ziehen, aber Samstagmorgen fühlte ich mich, als hätte ich seit Jahren nicht geschlafen. Außerdem habe ich durch das einseitige Schleppen der Schnäppchentüte einen Nerv in der Schulter gereizt und bekomme den Kopf nicht mehr vollumfänglich gedreht. Körperlich und geistig ein Wrack! Aus! Vorbei! Finnito! Reif für einen Besuch bei Dr. Bibber! Für den Kollegen auf ewig als verweichlichter Graubart in Erinnerung!
Sonntag ist der Mensch zwar nicht komplett wiederhergestellt, aber heute ist der letzte Messebesuch im Familienkreis angesagt. Dazu habe ich mich sogar bereit erklärt, mit dem Auto nach Essen zu brettern. Und so steuern wir kurz nach 9 Uhr P10 an und befinden uns zu früher Stunde am Eingang Ost. Da ich keinen Bock habe, mir eine halbe Stunde die Beine in den Bauch zu stehen, nur um einer der Ersten zu sein, der in die Halle strömt, schmeiß ich für 10 € eine Runde Kaffee und Tee im Restaurant. Kann ich mir ja erlauben, habe ja kaum was gekauft. Als um Punkt 10 die Tore öffnen, fließen wir zäh, aber gesittet in einer gewaltigen Menschenmasse in Halle 6.
Trotz einem Tag Erholung bin ich uninspiriert und im Opfermodus für alles zu haben. Die Familie will den Tag am Stand vom Kuriosum Verlag mit Faules Ei beginnen. Ich folge der Empfehlung, komme mir langsam wie ein Stalker vor, aber der Kuriosum Verlag kann sich bei mir für 3 verkaufte Exemplare auf der Spiel 2019 bedanken. Vielleicht sollte ich mir Aktien von dem Jungunternehmen zulegen.
Bei Kuriosum werden wir von einem Vertreter von den Brettspiel-News an deren Stand eingeladen, um ihr erstes eigenes Spiel Nice Try auszuprobieren. Nice Try ist eine kleine Ideensammlung im Kartenspielformat für Aktionsspiele, bei denen man auf Haushalts- bzw. Alltagsgegenstände wie Löffel, Taschentücher und Münzen zurückgreift. 4-8 Spieler können sich hier einige Runden in diversen Mini-Games messen, wozu z. B. das Schnippen von Münzen, das Werfen von Taschentücherpackungen in einen Eimer oder das Faustballen in 30 Sekunden zählen. Letzteres ist übrigens wirklich mies, da 30 Sekunden Faustballen einen noch stundenlang mit zittrigen Händen zurückläst. Nice Try ist „nice“, hat uns Spaß gemacht, aber uns fällt spontan keine Situation ein, wo wir die Nummer in einer unserer Runden spielen würden. Für Gruppen, die eher actiongeladene Spiele statt Kopflastiges spielen sicherlich ein Spaß. Hätte ich eine reine Jungs-Dosenbier-Trotz-Geheimratsecke-Altern-Wir-Nicht-Gruppe, ich würde es mitnehmen. Hab aber nur die Geheimratsecken im fortgeschrittenen Stadium.
Dachshund Games hat wohlmöglich das thematichste Kartenspiel zur Messe veröffentlicht: Mint Condition, ein Spiel, bei dem es darum geht, die heilige Brettspielsammlung vor schädlichen Einflüssen (Katzen, Schmutz, etc.) zu schützen. Der Verlag bezeichnet es selbst als „Liebeserklärung an das wundervolle Hobby Brettspielen und an alle passionierten Spielerinnen und Spieler“. Von der Liebe ist an diesem Morgen allerdings wenig zu spüren. Obwohl wir lediglich mit einem Interessenten am Stand stehen und das Spiel gerne antesten würden, bekommen wir nur eine kurze, freundliche „Inhaltsangabe“ und den abweisenden Hinweis, dass für ein Testspiel erst einmal alle Karten erklärt werden müsste und dies 20 Minuten dauern würde. So what!? An anderen Ständen erklären heisere Menschen nun schon zum vierten Tag Klopper wie Crystal Palace, Tapestry, Barrage & Co.! Ein Spieleautor Ode erklärt nach Hören-Sagen voller Leidenschaft die gesamten Messetage sein Baby Cooper Island mit Inbrunst! Und bei einem Kartenspiel ab 10 Jahren mit einer Spieldauer von 25 Minuten geht das nicht? Gut, wir sind alle etwas irritiert, wollen uns aber nicht aufdrängen. Auch wenn es nur 1.000 andere Neuheiten zum anspielen gibt.
Als Wiederholungstäter landen wir auch heute bei Board Game Box und lassen uns von einem extrem enthusiastischen Erklärbären die Neuauflage von Dice Tower näher bringen. Thematisch im Westerngenre angesiedelt werden hier vor allem klassische Zocker von Poker und Kniffel angesprochen. Allerdings kommt das Spiel nicht so trocken daher, dass nicht auch andere Spielertypen Gefallen finden könnten. Die angesprochene Zielgruppe sollte sich das Ding auf jeden Fall einmal anschauen. Überraschend gut.
Draftosaurus nehmen wir heute auch noch mal mit. Mein 13 jähriger Pubertier zeigt sich überraschend angesprochen von dem Spiel, so dass wir sogar noch eine zweite Partie auf der etwas herausfordernden Winterseite spielen. Draftosaurus ist auf jeden Fall ein kurzweiliger Spaß, den man zu Beginn sicherlich häufig auf den Tisch bringen wird. Ich bezweifel aber, dass man in einigen Jahren noch darüber sprechen wird. Dann taucht es wohl eher in den Flohmärkten und bei Ebay auf.
Da ich aufgrund des verkaterten Freitags das Pressefrühstück bei Rudy Games verpasst habe, hole ich mir am Stand der österreichischen Spieleschmiede noch schnell mein Exemplar von Quiz It ab. Das Merkmal von Rudy Games, immer Spiele mit Appunterstützung zu machen, finde ich interessant, muss aber auch sagen, dass da noch ordentlich Luft nach oben ist. Die Messeneuheit des letzten Jahres, Interaction, hat zwar meinem Sohn (Zielpublikum) gefallen, persönlich fand ich das Potential aber nicht vollkommen ausgereizt. Umso gespannter bin ich auf Quiz It. Rezension folgt.
Bei PD Games lockt die Neuheit Pictures. Hier dürfen 3-5 Spieler mit verschiedenen Materialien Fotos aus einer Auslage nachstellen. Der Clou sind wirklich die Materialien: Ein Spieler hat Schnürsenkel, ein Spieler nur bunte Kuben, ein Spieler nur Steine und Stöcke, ein Spieler Bauklötze und der letzte Spieler Karten mit verschiedenen Icons. Alle Spieler spielen gleichzeitig und alle Spieler raten anschließend auch gleichzeitig. Keine Downtime und aufgrund der Materialien wirklich knifflig, die verschiedenen Fotos nachzustellen. Ersteindruck war gut, auch wenn man ggf. die eine oder andere Regel durch Hausregeln ersetzen könnte.
Beim Heidelbär-Schnäppchenschlauch ist ordentlich Andrang, so dass auch wir uns kurz anstellen. Es zuckt verdächtig oft in meiner Brieftasche, aber ich nehme schließlich doch nur Tyrannen des Unterreichs (30 €) und Die Akte Whitechapel (10 €) mit. Im Nachgang ärgere ich mich, dass ich nicht auch Tsukuyumi: Full Moon Down für 30 € mitgenommen habe.
Auch wenn es teils durchwachsene Kritiken bekommen hat, möchte ich am letzten Tag unbedingt Carnival of Monsters spielen. Mich spricht das Spielprinzip, das Thema und das Design an. Und so spielen wir zusammen mit unserem doch schon merklich angeschlagenen Erklärbär eine Runde in Vollbesetzung über die komplette Distanz. Der Ersteindruck nach 45 Minuten ist gut und das Spiel durchaus für Leute interessant, die auf die Mischung aus Magic und 7 Wonders können. Laut Erklärbär wird das Spiel sehr gut aufgenommen und ist inzwischen auch am Stand ausverkauft.
Da im Netz schon einige Rune Stones als Kandidat für das Spiel des Jahres 2020 ausgerufen haben, nehmen wir die kurze Wartezeit bei Queen Games hin, um die Neuheit anzuzocken. Spielmaterial ist schön, wenn mir die Nummer auch wie alle Queen Games Spiele schlicht zu gelblastig und grell ist. Dass Spiel wird flott erklärt und wir kommen auch recht schnell in die Nummer rein. Wenn ich nicht ständig von einem Schreibär am Asmodee Stand abgelenkt worden würde, würde ich sicherlich auch einen besseren Eindruck von Rune Stones gewinnen. So bleibt es an dieser Stelle aber bei einem „Interessant“ und „Würde ich gerne noch mal spielen“, aber mehr auch nicht.
Eigentlich will ich ja zu Kosmos, da ich mir sowohl Palm Island als auch Die Crew holen will. Beide Spiele haben sich vor allem während der Messe zu echten kleinen Hypes entwickelt. Besonders Die Crew wird schon jetzt von vielen Spielern als Spiel des Jahres 2020 gehandelt. Palm Island hingegen ist aktuell DAS Taschen-Solo-Spiel! Aber …dann kommt die WhatsApp, dass im Asmodee-Schnäppchenmarkt nun noch einmal 50 % auf das gesamte Sortiment kommen! Der Verstand setzt nicht nur kurz, sondern bis zum Ende der Messe aus. So nehmen wir Teil an der Eskalation im Schnäppchenmarkt, in dem ich mich mit der Zombicide Erweiterung Angry Neighbors (7,50€), A Tale of Pirates (7,50 €) und Holding On (einer der Flopps 2019 bekommt für 7,50 € doch noch eine Chance) eindecke. Außerdem gibt es bei einem Händler direkt am Schnäppchenmarkt nun 20 % auf das Sortiment, das viele Neuheiten erhält. So geht auch noch die neue Robinson Crusoe-Erweiterung Mystery Tales für 27 € mit. Zwischendurch flackert immer mal wieder der Verstand („Wann soll das wer alles spielen?!“) auf, aber eine Engelsstimme in goldenem Licht ruft: „Schau Dir doch diese herrlichen bunten Kartons an!“
Inzwischen sind die Hallen ordentlich geleert, so dass wir tatsächlich zum Schluss einen Tisch bei Pegasus für Kitchen Rush bekommen. Zu viert bestehen wir die ersten drei Level und halten unsere Küche sauber, während wir unsere Gäste mit gut gewürzten Gerichten begeistern und ordentlich Kasse machen. Hat Spaß gemacht, aber da Kitchen Rush ausverkauft und ich schwer beladen bin, komme ich gar nicht erst in Versuchung, die Neuheit noch einzupacken.
Draußen ist es inzwischen dunkel und passend dazu schleppen gebeugte Gestalten ihre Hamsterkäufe zu den wartenden Shuttle Bussen. Die Fahrt zum Parkplatz P10 und auch die Abfahrt von dort gelingen ohne Zwischenfälle. Als aus dem Radio die ersten Tore für Mönchengladbach gegen Frankfurt verkündet werden, endet das eine Spielejahr endgültig und das neue Jahr beginnt.
„Fazit“ muss sein
2017 hatte ich mir nach drei Tagen Messe und einem Sonntag voller Geschiebe, Gedränge und wenig Spaß gesagt, dass ich der Messe erst einmal fern bleibe. 2018 bin ich dann doch, aber mit wenig Erwartung ausgerückt und habe drei tolle Tage verbracht. 2019 war die alte Vorfreude dann auch wieder da und wurde dieses Jahr nicht enttäuscht. Sicher ist es nicht mehr wie früher, als man lässig durch die Hallen schlendern und ohne große Wartenzeiten überall Platz nehmen konnte. Aber in Essen wissen die meisten Besucher mit vollen Gängen, langen Schlangen und dem einen oder anderen unfreiwilligen Kontakt gut umzugehen. Auch 2019 bin ich größtenteils auf entspannte Zeitgenossen getroffen.
Dazu beigetragen hat sicherlich auch die gute Organisation. Das fing am Essener HBF an, wo die U-Bahnen gut gestaffelt kamen und das Personal dafür sorgte, dass möglichst viele Menschen unbeschadet zur Messe hin und von der Messe wegkamen. Das ging weiter an den Eingängen, soweit ich es mitbekommen konnte. Im Gegensatz zum letzten Jahr habe ich hierüber keine Klagen gehört. Und schließlich endet es auf der Messe selbst, wo bis auf einige Ausnahmen, Mitarbeiter der Messe als auch Mitarbeiter der Verlage und Händler trotz der langen Tage mit viel Lärm und Hektik immer freundlich und aufmerksam waren. Selbst den Supportern am Pegasusstand muss man ihre Laune nachsehen: Wer hat nicht mal hin und wieder einen schlechten Tag. Und wenn dann an dem Tag auch noch Messe ist …
Bei den Spielen an sich fühle ich hingegen ein wenig Stillstand. Auf der Messe gab es für mich kein Spiel, das ich jetzt besonders überragend fand und bei dem ich sage, hier entsteht etwas Neues, es wird eine neue Welle von Spielen ausgelöst, wie vor einigen Jahren die Escape Room Spiele. Über diesen Mangel sowie über thematische und spielerische Schwächen täuscht in vielen Fällen natürlich starkes Material hinweg. Das aber auch ein Grund dafür ist, dass die Preise merklich anziehen. Der Umsatz in der Spielebranche steigt zwar mit jedem Jahr, aber gleichzeitig ziehen auch die Produktionskosten an. Und der gewaltige Kuchen muss durch immer mehr Parteien geteilt werden. Zumindest ich habe keinen Spieleautor gesehen, der mit dem Porsche vorfuhr.
Während die Preise für Neuheiten anziehen, wurden viele Produkte aus dem Vorjahr allerdings für kleines Geld wieder verramscht. Einige Beispiele habe ich im Text genannt. Sicherlich gab es auch an anderer Stellen noch das eine oder andere Vorjahresjuwel für einen verhältnismäßig niedrigen Obolus zu erwerben. Grund dafür, dass sich dieses Jahr mein Messeloot nur aus wenigen Neuheiten und dafür mehr aus älteren Modellen zusammensetzte. Erst einmal ist ein Spiel ein Spiel. Übr die Qualität entscheidet nicht der Jahrgang.
Nach der Messe habe ich diverse Einkäufe in sozialen Medien oder Foren gesehen. Den Berg meiner eigenen Einkäufe fand ich schon übertrieben und widersprach meinem eigenen Vorsatz. Daher will ich mich eigentlich nicht über den Kaufwahn anderer auslassen. Aber teils habe ich meinen Augen nicht getraut. Bei einigen dürfte bis zur nächsten Messe fast täglich ein neues Spiel auf den Tisch kommen. Irgendwie schade, wenn einzelne Titel dann so wenig Aufmerksamkeit erfahren und einmal gespielt in der Spielesammlung verschwinden. Aber das ist jedem selbst überlassen. Und einige sind ja so ehrlich und bezeichnen sich nicht als Brettspieler, sondern als Spielesammler.
Der letzte Abschnitt gehört meinen Blindkäufen Ecos und Point Salad, die ich inzwischen auf den Tisch bringen konnte. Hier ein Ersteindruck: Wie in einigen Foren beschrieben, hat Ecos kleine Materialschwächen. Aber vor allem die deutsche Übersetzung der Anleitung und der Kartentexten sowie der Aufbau der Anleitung ist an einigen Stellen verbesserungswürdig. Da hat die Qualitätskontrolle gepennt. Allerdings weiß die Community sich an dieser Stelle selbst sehr gut zu helfen. Das Spiel an sich hat beim ersten Zocken mächtig Laune gemacht und ist besser als erwartet. Freue mich schon auf die nächste Partie, um nach dem zaghaften ins Spiel finden tatsächlich eine Strategie aufzubauen. Nach meinem ersten Ersteindruck könnte Ecos es auf die Liste für das Kennerspiel 2020 schaffen.
Point Salad hingegen ist eine wirklich einfache, aber dafür nicht weniger unterhaltsame Nummer. Man kommt schnell ins Spiel rein und eine Runde ist auch in wenigen Minuten gespielt. Aufgrund der zahlreichen Punktekarten wird das Spiel auch nicht schnell langweilig und bietet genügend Abwechslung. Bin gespannt, wie es sich in verschiedenen Runden spielt.
Summu summarum: Essen gut, alles gut!
Werbung
Nach neuen Spielen schauen bei:
Amazon
Spiele-Offensive