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Bericht: Ratinger Spieletage Light 2019

Brettspieler auf den Ratingern Spieletagen Light 2019 - Foto Dirk Janßen

Kleine Spieleveranstaltung am 15.09.2019

Spiele kann man zu jeder Jahreszeit auf den Tisch bringen, aber im Herbst und Winter, wenn es draußen nass, kalt und früh dunkel ist, scheint es die ideale Jahreszeit für eine gesellige Runde am Tisch zu sein. Bestenfalls mit warmen Getränken und dem ersten Weihnachtsgebäck aus dem Discounter um die Ecke.

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Pünktlich zu den Ratinger Spieletage Light bäumt sich allerdings der Sommer ein letztes Mal auf und lädt eher zu freizeitlichen Aktivitäten an der frischen Luft ein. Das bekommt auch die Veranstaltung in der Dumeklemmerhalle zu spüren, die mit 150 Besuchern über den Tag verteilt ein okayes, aber sicher doch hinter den Erwartungen bleibendes Ergebnis einfährt. Vielleicht spielt auch Stadt-Land-Spielt! als bundesweites Event, das eine Woche zuvor stattfand, und die bevorstehende Spielemesse in Essen eine Rolle.

Da ich zuvor noch nie auf den Ratinger Spieletagen war – weder auf den großen noch den kleinen – ist die 2019er Lightausgabe auch mein Debüt. Die Stadthalle hat an diesem Sonntag für Spielinteressierte das Foyer und den kleinen Saal geöffnet, wobei das Foyer vor allem vom Flohmarkt und einem Stand von Neuwaren belegt ist. Im kleinen Saal haben verschiedene Verlage und Spieleautoren ihre Stände aufgebaut, an denen man sowohl spielen als auch kaufen kann. Unter anderem sind hier Kosmos, Corax Games und der Schwerkraft Verlag vertreten.

Gabi kämpft sich durch die Regeln

Karten des Spiels Native von KosmosKosmos bringt diesen Herbst einige interessante Neuerscheinungen auf dem Markt, wovon es nach Ratingen allerdings lediglich das Spiel zur Buchreihe Schule der magischen Tiere geschafft hat. Da an einem Tisch bereits Natives ausgelegt ist, lassen wir uns das Kartenspiel vom Kosmos-Erklärbär näherbringen. Da wir nur zu zweit sind, gesellen sich noch Gabi, eine energische, redselige Rentnerin, und ihre eher schweigsame Begleitung Tina dazu.

Gabi kennt das Spiel schon und prophezeit subtil ihren haushohen Sieg. Zu ihrer Taktik gehört auch, dass sie nicht nur für Tina mitspielt, sondern auch den Erklärbär beim Regelerklären häufig unterbricht und für leichte Verwirrung sorgt. Man nennt es auch die Stefan Raab-Taktik!

Was ich verstanden habe: Wir sind Stammesführer, die Vorkehrungen treffen müssen, damit der eigene Stamm den nahenden Winter überlebt. Dazu liegen in unserer Ablage bereits sieben Stammesmitgliederkarten, die alle unterschiedliche Funktionen haben, wobei die Funktionen vom Aufdecken weiterer Karten, dem Anwerben neuer Stammesmitglieder über das Gefangennehmen von Mitgliedern anderer Stämme hin zum Sammeln von Ressourcen (Mais, Lachs, Bisons) reichen. Ist man am Zug, deckt man mindestens eine neue Karte auf und kann dann so viele Karten einer bestimmten Art nehmen, wie man Stammesmitglieder dieser Kategorie hat, d. h., habe ich drei Karten des Typs Fischer, kann ich mir drei Lachskarten nehmen. Habe ich vier Krieger, kann ich vier Stammesmitglieder meiner Mitspieler gefangennehmen. Mithilfe von Totems lassen sich die Siegpunkte für die so erworbenen Karten noch steigern, sodass ich z. B. statt drei Punkte pro Lachs am Ende vier Punkte pro Lachs bekomme.

Den Reigen tanzen wir solange, bis jemand die Winterkarte aus dem Stapel zieht. Dann wird abgerechnet. Wobei in unserer Runde überraschenderweise die gespielte Tina mit ihrer Bisonstrategie am meisten Punkte einheimst und die bereits als Siegerin feststehende Gabi die wenigsten Punkte erhält. Würde ich noch einmal spielen, bin mir aber nicht sicher, ob sich das Spiel dauerhaft etablieren kann.

Spielbrett Champions of MidgardAm nächsten freien Tisch strahlt nicht nur die Erklärbärin Katharina einladend sondern auch Champions of Midgard in bunten, kriegerischen Farben. Gabi ist direkt angefixt, Tina erscheint die Worker Placement Nummer aus dem Haus Corax zu komplex, sodass wir uns den 13-jährigen Fabian zur Komplettierung an den Tisch holen. Erklärbärin Katharina legt sich mächtig ins Zeug und schafft es beinahe in den anvisierten 10 Minuten verständlich alle Optionen des Bretts zu erklären. Einzig Gabi tut sich mit dem Kampfsystem schwer. Ein Umstand, der sich bis zum Ende des Spiels nicht ändern und zu wiederholten Unterbrechungen, Diskussionen und Nachfragen führen wird. Die Raab-Taktik! Ungelogen!

Worum geht es bei Champions of Midgard? 2-4 Spieler versuchen, in einem nordischen Dorf in Midgard durch ruhmreiche Taten zum Jarl des Dorfes aufzusteigen. Dazu benötigt man zum einen klassische Ressourcen wie Fleisch, Holz und Gold, zum anderen aber tapfere Krieger, die einen beim Verteidigen des Dorfs gegen Trolle und Draugr als auch bei Plünderfahrten unterstützen. Das alles bringt einem nicht nur Siegpunkte, sondern auch die eine oder anderer Belohnung. Oder auch Schande wenn man versagt. Was Minuspunkte am Ende des Spiels bedeutet.

Auf der einen Seite haben wir es bei dem Spiel mit klassischen Worker Placement zu tun, auf der anderen Seite kommt durch das Kämpfen mit Kampfwürfeln Rollenspielflair in die Hütte. Vor allem die Möglichkeit, mit einem Boot in See zu stechen und dort nicht nur gegen Monster sondern auch die Tücken des Wetters zu kämpfen, ist witzig.

In unserer Runde metzelt sich Gabi verbissen durch die Monster-, Troll- und Draugrhorden und zieht auf der Siegpunktleiste nach den ersten Runden munter davon. Vermutlich auch, weil sie teils nicht regelkonform agiert. Da hilft nur eine stumme Strategie, indem man möglichst viele Schicksalskarten sammelt und heimlich deren Vorgaben erfüllt. Außerdem geben wir einigen Trollen Saures und überschütten Gabi mit Schandmarkern, weil sie das Dorf nicht gegen die üblen Gestalten verteidigt hat, sondern lieber Bootsausflüge bei gutem Wetter macht.

Nach der Endabrechnung liegen wir knapp vor Gabi und fühlen uns wie Waldhof Mannheim, die gerade Bayern München im Finale des DFB-Pokals bezwungen haben. Den Rest das Tages grübel ich darüber, ob Champions of Midgard es wirklich verdient hat, in der Spieleszene mit soviel Lob überschüttet zu werden oder ob es nicht mehr als ein weiteres Worker Placement Spiel ist, das man nicht unbedingt haben muss.

Kneipenschlägereien und faule Eier

Da Katharina wunderbar auf den Punkt erklären kann, begleiten wir sie zu Dritt (mit Fabian, ohne Gabi und Tina) in die nächste Kneipe zu den Half-Pint Heroes , einem Stichspiel, das ich damals auch in der Spieleschmiede mitfinanziert und – ja, ich schäme mich – noch nie gespielt habe. Ausgepackt, Regeln studiert und gedacht, das finden alle Scheiße, mit denen ich sonst Skull King zocke. Aber ich korrigiere: Es funktioniert! Es macht richtig Spaß! Die Kombination aus Wizard und Poker ist leicht verständlich, aber bietet dennoch genug Möglichkeiten, um eine Spielrunde lange bei Laune zu halten. Werde ich jetzt regelmäßig auf den Tisch bringen und – wenn es gut ankommt und dauerhaft begeistert – auch mit der Erweiterung aufstocken.

Einmal in Partylaune wechseln wir an den Tisch des Kuriosum Verlags, einem 4-Mann-Unternehmen aus Berlin. Laut Website handelt es sich dabei um vier Rollenspieler, die sich einst bei DSA durch Aventurien gekämpft haben und irgendwann ihre Kreativität nicht nur für neue Abenteuer sondern gleich für eigene Spiele nutzen wollten. 2018 haben sie dann das Kartenspiel Faules Ei auf den Markt gebracht. Faules Ei ist dabei ein schnelles, einfaches Kartenspiel, das Freunde von Halli Galli, Avocado Smash und Schwarzer Peter (!) ansprechen dürfte.

Ein Spieler erhält fünf, die anderen Spieler jeweils vier Handkarten, die unterschiedlich gefärbte Eier anzeigen. Dabei ist auch ein faules Ei in schwarzer Farbe. Die Spieler nehmen ihre Karten verdeckt auf die Hand, wobei aber das faule Ei für alle sichtbar nach Außen gedreht wird. Dann geht es los.

Spielkarten Faules EiMöglichst schnell schieben alle Spieler gleichzeitig eine beliebige Handkarte weiter an den rechten Nachbarn. Das faule Ei muss dabei immer mindestens eine Runde auf der Hand gehalten werden, bevor man es weiterschieben darf. Sobald ein Spieler vier gleichfarbige Eier auf der Hand hat, schlägt er auf die Spiegeleikarte in der Tischmitte. Alle anderen Spieler müssen nun ebenfalls ihre Hand auf die Spiegeleikarte legen. Der Letzte bekommt eine Strafkarte. Strafkarten sind Buchstabenkarten, die als Set „Faules Ei“ ergeben. Sobald ein Spieler das Set vollständig hat, ist das Spiel zu Ende und er hat verloren.

Marcel, Autor des Spiels und Geschäftsführer des Verlags, hat die von Oliver Kahn gerne zitierten Eier und ist Vollprofi in seinem eigenen Spiel. Für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar täuscht er immer wieder den Schlag auf das Spiegelei in der Mitte an und scheint auch sonst in Millisekunden die Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, welches Ei er weiterschieben muss, damit er möglichst schnell sein Set zusammen bekommt. Unbezwingbar. Und so verdient sich der Rest das Prädikat „Faules Ei“ abwechselnd.

Faules Ei ist sicher kein Abendfüller und auch nicht innovativ. Aber in der Testrunde mit vier Spielern hat es gut funktioniert und mächtig Spaß gemacht. Vor allem ist es auch körperlich anstrengend, eine keuchende Schieberei und Schlagerei. Inklusive blauem Daumen am Folgetag. Da die Kiste für 3-10 Spieler ausgelegt ist, werde ich es mal in verschiedenen Runden testen und berichten.

Ruhig Brauner! Mal erst mal ein Mandala!

Spielkarten Bola von F-Hein-SpieleNach der wüsten Klopperei entspannen wir Auge und Seele am Stand von F-Hein-Spiele. Seit 30 Jahren hat der Verlag Legespiele im Programm, die zum Teil solitär als auch klassisch von 2-4 Spielern gespielt werden können. Und das für kleines Geld. Dabei hat der Mann, der schon seit Jahrzehnten mit seinem Programm die Spielemessen abklappert, auch einiges gerade über die Anfänge der Spiel in Essen und Spielen im Allgemeinen zu erzählen. Nebenbei spielen wir das Spiel Bola, ein 2-Personen-Legespiel, bei dem acht verschiedenfarbige Kugeln auf den Vorder- und Rückseiten von Karten gedruckt sind und bei denen man durch geschicktes Drehen der Karten drei gleichfarbige Kugeln aufdecken muss. Einfach, aber gut für zwischendurch. Und in Hosentaschengröße für einen Fünfer, sodass man es auch im Sommer mit zum Picknick nehmen kann.

Ebenfalls hübsch fürs Auge und gut fürs Hirn ist Cabo von Smiling Monster Games. Dabei ist das Kartenspiel, das vor allem Freunde von Skyjo und Co. ansprechen dürfte, keine neue Nummer, sondern feiert nächstes Jahr auch schon sein 10-Jähriges. Bei Bezier Games wird es dazu eine Neuauflage und eine Weiterentwicklung namens Silver geben, die Cabo ein wenig mit dem Werwolf-Thema vermischt. Bei Interesse kann man das Spiel als 2-Personen-Variante als App antesten.

Cabo ist recht schnell erklärt. Jeder Spieler hat vier Karten vor sich liegen. Karten haben dabei die Zahlenwerte von 0-13. In der Mitte gibt es einen Ablagestapel, auf dem bereits eine aufgedeckte Karte liegt und ein verdeckter Nachziehstapel. Zu Beginn darf sich jeder Spieler zwei seiner Karten anschauen. Wenn er an der Reihe ist, kann er eine von drei Aktionen ausführen: 1) Eine seiner Karten mit der Karte des Ablagestapels tauschen, 2) eine Karte nachziehen und entweder mit einer seiner Karten tauschen oder ablegen und 3) „Cabo“ sagen und damit die letzte Runde einläuten. Gewisse Karten haben dabei noch Effekte, sodass man entweder eine seiner Karten oder eine Karte seiner Mitspieler verdeckt anschauen sowie zwei Karten vertauschen darf. Find ich gut. Verliere ich aber ebenso wie Skyjo immer haushoch.

Brunnen und Wälder zum Schluß

Brettspiel Maji von Marius SpixVom Material noch im Prototypen- aber von den Regeln schon im Endstadium befindet sich Maji, ein 2-Personenspiel und Erstlingswerk von Marius Spix, welches im Verlag Spieltrieb erscheinen wird. Hier befinden wir uns in der Serengeti und müssen einen Brunnen bauen und mit Wasser füllen. Die Materialien liegen dabei in einem 5×5 Plättchen umfassenden Raster, wobei es neben Plättchen mit unterschiedlichen vielen Ziegeln auch Plättchen mit Wasserstellen und Ochsen gibt.

Die Spieler teilen sich eine Spielfigur, die entlang des Rasters zieht. Setze ich die Spielfigur zu Beginn an eine waagerechte Reihe und nehme mir aus dieser Reihe ein beliebiges Plättchen, muss mein Kontrahent in seinem Zug sich senkrecht aus der Reihe bedienen, aus der ich gerade das Plättchen entnommen habe. Dabei ist es wichtig, in welcher Reihenfolge man Ziegel und Wasser entnimmt. Und dass man nicht eine Reihe komplett abräumt. Außerdem sorgen Ochsen dafür, dass man Ziegel wieder abgeben muss. Und zu viele Ziegel darf ich auch nicht nehmen.

Maji sieht besonders im Prototypenstatus noch nach Zeitschriftenbeilage aus, ist aber ein abstrakter Brainer, bei dem man seine und am besten die Züge des Mitspielers im voraus bedenken muss. Und bei dem es nicht verwunderlich ist, dass Marius von Beruf Softwareentwickler ist. Mir schien das Spiel ziemlich austariert. Fand ich überraschend gut und werde ich mir in Essen einmal als finale Version anschauen.

Exemplare des Spiels Wood of Tarnaris von AdellosLast but noch least und merklich erschöpft gab es dann noch eine Runde Woods of Tarnaris – Path to Luslaria zu Dritt am Stand von Adellos. Rasend schnell erklärt vom Autor Jörg Keller stürzen wir uns zu Dritt ebenso schnell in dieses zu diesem späten Zeitpunkt auch noch recht schnelle Ablegespiel, bei dem wir 20 Karten mit den Werten 1-10 in 2er-Stapeln verdeckt vor uns liegen haben und in der Tischmitte diese Karten wiederum in Stapeln von 1-10 ablegen müssen. Dabei darf man in seinem Zug einen seiner 2er Stapel auf die Hand nehmen, wenn möglich, Karten ablegen und die übrigen Karten zurücklegen. Und sich dabei möglichst die Karten in dem zurückgelegten Stapel merken. Denn passt eine oben aufliegende Karte auf einem 2er Stapel zu einem der Stapel in Tischmitte, kann man die Karte auch während des Zugs eines anderen Mitspielers abwerfen.

Selbst bezeichnet der Verlag das Spiel als eine Mischung aus Ligretto, Memory und Skipbo. Am Ende eines langen Spieletages und mit nur ein paar Müsliriegeln zwischen den Rippen bin ich den anderen dabei gnadenlos ausgeliefert. Dass die Karten dabei teils noch Spezialeffekte haben, ignorieren wir im Eifer des Gefechts. Braucht es meiner Meinung nach auch nicht. Auch das Thema ist dabei vollkommen unerheblich und weckt aus meiner Sicht nur unnötige Erwartungen an das simple Spielprinzip. Es hätten auch einfache Zahlenkarten gereicht. Wer solche Spiele aber mag und nicht genug davon bekommen kann, macht mit dem Spiel sicher nichts falsch.

Finale

Kurz vor 18 Uhr ist bei uns Schicht. Die Räume sind zu diesem Zeitpunkt schon fast ausschließlich von Spielern befreit. Einige Verlage haben auch schon abgebaut. Verständlich, aber auch schade, dass es nicht mehr Spielinteressierte an diesen Sonntag nach Ratingen gezogen hat. Aber mein Eindruck von den Ratinger Spieletagen ist durchaus positiv, da man eine gute Mischung aus etablierten Verlagen und neuen Autoren geboten bekommt und sich auch die eine oder andere Gelegenheit für ein bisschen Fachsimpelei geboten hat.

Die nächsten Spieletage finden 2020 am 4. und 5. April statt. Dann in großer Auflage vermutlich mit ca. 70 Verlagen und Autoren. Frische Informationen gibt es auf der Homepage der Stadt Ratingen.

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