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Illustrator Klemens Franz im Interview

Agricola L-Deck: Klemens Franz von Klemens Franz

Evolutionäre Grafiken

Klemens, du illustrierst Spiele wie zum Beispiel Agricola von Lookout Games. Wie lange machst du so etwas schon und für wen bist du bislang tätig?
„Ich bin im Jahr 2006 durch den Illustrations-Wettbewerb zu Die Drachenbändiger von Zavandor da ‚reingerutscht. Eigene Spiele-Prototypen hab ich schon vorher gestaltet, aber professionell war mein Start dann ein Jahr später, also 2007, mit Agricola. Durch die fremdsprachigen Lizenzen hab ich natürlich einiges für Verlage im (nicht-deutschsprachigen) Ausland gemacht: Agricola für Ystari, Z-Man Games und 999 Games zum Beispiel, sind bei mir im Atelier entstanden. Ansonsten habe ich in den letzten Jahren für Piatnik, eggertspiele und Hall Games gearbeitet. Gelegentlich illustriere ich auch für die Spiele-Agentur whitecastle. Zu Nürnberg kommt dann ein Kartenspiel für Amigo Spiele, das gerade fertig geworden ist. Und auch für das kommende Jahr schaut die Auftragslage ganz gut aus – inklusive einiger neuer Verlage.
Abseits der Spielebranche gestalte ich gemeinsam mit meiner Frau für einen Umwelt-Verein die sogenannte Hexenpost; das ist eine Zeitschrift, die Umweltthemen für Kinder zwischen vier und zehn Jahren aufarbeitet. Ansonsten betreue ich gelegentlich Firmen ehemaliger Studienkollegen in Sachen Design. Naja und dann bin ich noch als Assistent für Neue Medien an einer Fachhochschule tätig. Langweilig wird mir also nur ganz, ganz selten.“

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Klemens Franz mit Benedikt von Klemens FranzMit welcher Technik gestaltest du?
„Das variiert von Auftrag zu Auftrag. Erste Entwürfe entstehen meist in einem Skizzenbuch, das ich so gut wie immer dabei habe, man weiß ja nie, wann der erleuchtende Funke zuschlägt. Ich hab das Handwerk eigentlich sehr klassisch gelernt und es erst später am Computer neu entdeckt. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung zum Bildhauer gemacht und mich erst nach der Matura (Abitur) in Richtung digitaler Medien orientiert. Am Computer zu illustrieren, bringt gewaltige Vorteile, weil man viel flexibler ist und Fehler (oder Wünsche des Verlages) wesentlich schneller ausbessern kann. Meistens ist es aber eine Mischung aus Zeichnungen, die ich scanne und dann nachträglich koloriere – aber ganz ehrlich: Es geht in Richtung Tablet und Photoshop. Vor den Toren von Loyang ist zu gut 95 Prozent am Computer entstanden.“

Was fasziniert dich besonders an Spiele-Illustrationen? Wo siehst du hier die Herausforderung?
„Was mich fasziniert? Lass‘ es mich anders herum formulieren: Mich faszinieren Spiele – und es es in ganz besonderes Gefühl, ein fertiges Spiel das erste Mal in die Hände zu nehmen, auszupacken und zu spielen. Das ist schon eine tolle Sache, wenn am Ende deiner Arbeit etwas Reales steht. Vor allem – und da hatte ich bisher Glück – wenn es ein Spiel ist, das mir ganz persönlich gefällt.
Die Herausforderung ist ganz klar, die richtige Balance zwischen Stimmung und Funktionalität zu finden. Ich bevorzuge es, Strukturen im Spiel klar sichtbar zu machen. Bei Spielen von Uwe Rosenberg bedeutet das meistens, ziemlich nah am Prototypen zu bleiben. Ich werde mich davor hüten, getestete Layouts komplett über den Haufen zu schmeißen. Gelegentliche Anpassungen sind aber schon nötig. Bei Le Havre haben wir zum Beispiel hart gekämpft, um Platz für die Abbildungen der Gebäude zu schaffen. Manch einer findet die Schriften zwar etwas klein, aber stellen wir uns die Gebäudeauslage ohne Gebäude vor. Wir wollten unbedingt, dass die wachsende Stadt sichtbar wird!  Bespielbare Gemälde, wie sie etwa Michael Menzel so großartig gestaltet, sind nicht so ganz mein Ding; ich komme immer wieder zu klar sichtbaren Strukturen zurück.“

Du bist selbst auch Spieler. Muss man ein „Freak“ sein, um Spiele zu illustrieren?
„Muss man nicht. Und ich denke, ein Verlag sollte auch von Spiel zu Spiel entscheiden, ob er einen Illustrator beziehungsweise eine Illustratorin will, der oder die selbst gerne und viel spielt. Bei Agricola zum Beispiel war es aber sicher ein Vorteil … Ich habe das Spiel erstmals in Essen 2007 gespielt, vorher kein einziges Mal. Ein Nicht-Spieler als Illustrator wäre da vermutlich in die eine oder andere Falle getappt. Ich konnte mir das Spiel nach Lesen der Regeln ganz gut vorstellen, was mich dann aber überrascht hat, wie viel Spaß es tatsächlich macht!
Viel wichtiger ist es meiner Meinung nach aber, dass sich der Illustrator als Handwerker und Dienstleister versteht. Bei Spieleillustrationen geht es nur selten um künstlerische Selbstverwirklichung. Das Spiel muss gut spielbar sein. Im Grunde geht es um Informationsdesign, also wie gut die Gestaltung die spielerischen Inhalte trägt und wie ergonomisch (also menschgerecht) das Material ist. Und wenn der Verlag meint, das geht am besten durch rosarote Felder mit einem türkis-orangen Rahmen und neongelben Punkten, dann kann ich zwar meine Bedenken als Illustrator äußern, das letzte Wort hat aber der Auftraggeber. Das klingt jetzt zwar vielleicht etwas unromantisch, ist aber so. Das Allerallerallerwichtigste ist aber sicherlich die Chemie! Bei Brettspielen ist das an der Entstehung beteiligte Team – auch bei großen Verlagen – meist ziemlich klein. Und da muss es einfach passen. Daher trifft es sich ganz gut, dass in der Spieleszene wirklich fast nur sehr nette Menschen unterwegs sind.“

Le Havre - Karte im Wandel von Klemens Franz

Wie sehr beschäftigst du dich vor der eigentlichen Arbeit mit den Spielmechanismen oder Themen des Spiels? Gibt es dabei in deiner Arbeit einen typischen Ablauf?
„Der Ablauf wird eigentlich immer vom Zeitplan definiert. Wenn also genügend Zeit ist, gönne ich mir natürlich den Luxus, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen und eine gründliche Bildrecherche zu machen. Umgekehrt habe ich aber auch kein Problem damit, etwas ‚unscharf‘ zu arbeiten. Ich denke, man sollte das auch nicht zu eng sehen. Spiele sollen ja nicht unbedingt Lehr-/Lernmittel sein. Wenn beim Spielen Interesse an einem Thema entsteht, dem vielleicht sogar die Beschäftigung mit eben diesem folgt, ist das fein und mehr, als man erhoffen kann. Den Mechanismus beziehungsweise das Spiel lerne ich natürlich gerne vorher kennen. Meist bekomme ich einen Prototypen, den ich dann vorzugsweise mit meiner Frau teste. Ihre Reaktion ist mir ganz wichtig (bekommt sie den ‚Gierblick‘ und gewinnt, ist das Spiel gut). Das Dumme oder auch das Gute an der Sache ist aber, dass mir Prototypen meist nicht so richtig Spaß machen, weil ich immer daran denke, wie sie denn aussehen könnten und sollten! Mir machen gut gestaltete Spiele einfach mehr Spaß. Ganz besonders, wenn sie vom Thema leben oder durchs Thema an Leichtigkeit gewinnen!“

Old Town - Neuvorschlag von Klemens FranzKannst du deine Illustrationen frei gestalten oder gibt es Auftraggeber, die vor den ersten vorzeigbaren Versionen ihre Wünsche deutlich machen?
„Natürlich versucht man, vor der eigentlichen Arbeit eine gemeinsame Richtung zu definieren. Wie genau dies geschieht, variiert. Ich versuche aber immer, möglichst oft Updates zu geben, damit wir rechtzeitig gegensteuern können. Dafür verwende ich (bei umfangreicheren Projekten) oft ein internes Forum, in dem die einzelnen Arbeitsschritte mitdokumentiert werden. Bei kleinen Sachen reicht eine Mail. Bei dem kommenden Spiel von Amigo Spiele haben wir uns recht viel Zeit bei der Suche nach dem passenden Stil gelassen. Wenn man hier eine gemeinsame Linie findet, spart man sich einiges an Zeit für eventuelle Korrekturen und Änderungen.“

Wie geht es dann weiter: Wie sehr musst du um deine Arbeit kämpfen, bevor sie auf das Spielmaterial oder die Schachtel kommt?
„Kämpfe muss ich nur sehr selten. Wenn, versuche ich zu argumentieren. Gelegentlich kommt es aber schon vor, dass meine ersten Entwürfe – die ich meist ganz großartig finde – es nicht schaffen. Das schmerzt bisweilen, aber ganz ehrlich gesagt ist das gemeinsam erreichte Endergebnis dann noch eine Spur besser! Bei Vor den Toren von Loyang war das zum Beispiel der Fall. Ich hatte mir da einen sehr speziellen Stil in den Kopf gesetzt, der aber so überhaupt nicht ankam. Da muss man dann einmal ein Bier trinken und über seinen eigenen Schatten springen. Wie ich schon angemerkt habe: Ich sehe mich Handwerker und nicht als Künstler.“

Vor den Toren von Loyang - Karte im Wandel von Klemens Franz
Einer deiner größten kommerziellen Erfolge ist natürlich das Spiel Agricola. Welche Auswirkung auf deine Arbeit hat dieser Erfolg?
„Ich bekomme Termine bei Verlagen, wenn ich mich als ‚Der Illustrator, der Agricola gemacht hat‘ vorstelle. Das hat mir wirklich schon einige Türen geöffnet beziehungsweise den Start ungemein erleichtert. Mit dem ersten Spiel gleich eines zu gestalten, das so ziemlich jeder in der Szene wahrnimmt, ist eigentlich ein unverschämtes Glück. Umgekehrt habe ich meinen Stil durch das Spiel sehr stark definiert, sodass sich Verlage auch etwas sehr konkretes erwarten. Das kann Fluch und Segen sein. Irgend ein Startpunkt ist auf jeden Fall sehr wichtig. Ich weiß, dass Verlage täglich Anfragen von jungen und unglaublich talentierten Menschen bekommen. Da reinzurutschen ist verdammt schwer. Und dann ist es natürlich wichtig zu zeigen, dass man sich über einen längeren Zeitraum halten kann. Oftmals sind doch viele Termine bei einem Verlag nötig, um einen Auftrag zu bekommen; nach dem Motto ‚Hallo, es gibt mich noch und ich würde noch immer gerne etwas für euch machen‘. Ohne Agricola würde es mich in der Brettspiel-Szene also vermutlich nicht geben. Was doch ein wenig schade wäre.“

Durch den Erfolg von Agricola gab es dieses Jahr auch dazu passend kleinere Spiele und ein Puzzles für Kinder. Kannst du uns bitte erzählen, wie das zustande kam und welche besondere Herangehensweise in diesem Fall notwendig war?
„In den letzten Jahren haben sich allerlei Personen rund um Lookout-Games unaufhörlich fortgepflanzt … Und ganz besonders heuer war ein sehr fruchtiges Jahr – Hanno, Dirk, Thomas, Uwe sind alle Papa geworden. Und auch ich beziehungsweise wir haben zum dritten Mal Nachwuchs bekommen. Da werden Kinderspiele automatisch ein Thema. Und nachdem die Zusammenarbeit mit ASS/Altenburger (Produzent von Agricola) so gut funktioniert und die allerlei Kinderklassiker im Programm haben, war es irgendwie nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kam, das zu kombinieren …
Vor zirka einem Jahr hab ich dann für Hanno einen ersten Puzzle-Entwurf gemacht, der überall gut ankam. Die Herangehensweise selbst war für mich besonders angenehm, da ich ziemlich freie Hand hatte, was den Stil betrifft. Klar, es musste in der Agricola-Welt ’spielen‘, aber ansonsten hatte ich keinerlei Einschränkungen. Ich habe dann begonnen, die bekannten Motive und Personen neu zu zeichnen. Agricola-Fans werden viele bekannte Gesichter wiederfinden! Absegnen hab ich alles von meinen beiden älteren Kindern lassen – soll bedeuten, ich hab immer überprüft, ob die Objekte und Personen auch für kleine Kinder erkennbar sind. Die beiden sind 2,5 und 4,5 Jahre – von daher hatte ich die Zielgruppe der Spiele beziehungsweise Puzzles praktischer Weise zuhause.“

Hexenpost von Klemens FranzGab es für dich schon Spiele oder andere Produkte, für die du keinen geeigneten Ansatz finden konntest? So etwas wie die Illustration, die du am ehesten überarbeiten würdest?
„Das mag jetzt komisch klingen, aber wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich Agricola gerne überarbeiten. Nicht falsch verstehen: Ich bin mit dem Ergebnis nach wie vor sehr zufrieden, aber man denkt doch immer, was man noch besser und stimmiger hätte machen können. Ich hätte da für die Karten ein Konzept, dss ich mir von Le Havre abgeschaut habe, das mir gut gefiele … von der Stimmung und vom Stil her, würde das Spiel aber gleich bleiben.“

Und wie sieht es mit deinen Lieblingen aus? Was hältst du für deine beste oder stimmungsvollste Spiele-Illustration?
„Momentan bin ich ehrlich gesagt in meine Puzzles ganz verliebt. Vermutlich weil ich da ziemlich freie Hand hatte. Abgesehen davon ist, glaub‘ ich, Vor den Toren von Loyang meine bisher kompakteste Arbeit. Aber jedes Spiel hat etwas: Bei Agricola war es der Umfang und der Charme, bei Neuland die kleinen, schnuckeligen Gebäude und bei Le Havre die durchgängigen Kartenmotive. Wobei mir persönlich auch 1853 sehr gut gefällt, weil es sehr unaufgeregt gestaltet ist – ganz klar und einfach. Zwar ist es manchem 18XX-Fan noch immer zu viel, aber damit kann ich leben. Man merkt es: Jedes Spiel hat für mich eine ganz besondere Seite. Bei jedem Spiel habe ich dazugelernt und Neues ausprobiert. Das macht es ja gerade so spannend. Und ich glaube, so sollte es auch sein. Wenn ein Spiel einmal für mich Routine sein sollte, dann stimmt was nicht! Das würde mich irritieren.“

Agricola - Neuentwurf zweier Karten von Klemens FranzWelches Spiel, an dem du nicht beteiligt warst, würdest du am liebsten selbst noch einmal illustrieren – aus positiven oder negativen Gründen?
„Ganz klar: Old Town. Ich bin froh, dass es heuer als Schinderhannes in sehr schöner Optik von Christian Opperer neu aufgelegt wurde. Aber das Western-Setting reizt mich schon sehr. Es existieren sogar Entwürfe, die ich Clicker-Spiele einmal aufgedrängt habe. Ich liebe zwar den rauen Charme von Klein(st)verlag-Spielen, aber denke mir auf der anderen Seite dann immer: Wie hättest du das gemacht? Über Neuland durfte ich ja schon ‚drüber‘. Da fand ich auch, dass das Original grafisch sehr klar war – für eine breitere Käuferschicht zwar ungeeignet (es gab ja auch nur 300 Stück) –  aber dennoch sehr schön.“

Illustratoren wie Franz Vohwinkel oder Michael Menzel sind sehr beliebt. Kannst du dich mit ihren Stilen identifizieren? Was machst du anders? Welche Illustratoren haben auf deine Arbeit den größten Einfluss?
„Franz Vohwinkel hat, wenn man so will, unseren Beruf ‚definiert‘ und ein ziemlich weites Spektrum. Wobei mir ehrlich gesagt seine frühen Arbeiten, die vermutlich noch mehr per Hand am Papier entstanden sind, besser gefallen, als aktuellere Titel. Da bin ich etwas retro. Michael Menzel ist momentan der erfolgreichste Illustrator – nicht ohne Grund. Ich bin ein ganz großer Fan der von ihm illustrierten Kinderspiele, bei denen man merkt, dass er Spaß dabei hat. Die bringe ich dann immer nach Hause und bitte meine Kinder, sie mit mir zu spielen. Technisch kann ich mit den beiden sicher nicht mithalten, kompensiere das aber hoffentlich durch eine ganz eigen Note. Den größten Einfluss auf meine Arbeiten haben sicher Doris Matthäus und Julien Delval gehabt. Ich liebe diese sympathisch-verspielten Stile, die so konträr zu vielen sterilen Gestaltungen sind. Da merkt man die Lebendigkeit der Bilder. Ganz ganz großartig!“

Webseite von Klemens Franz

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