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Kohle & Kolonie

Strategiespiel Kohle und Kolonie - Foto von Spielworxx

Spiele können ganz klammheimlich zu ungeahnten Detailinformationen und Horizonterweiterungen führen, die es ohne sie nicht gegeben hätte. Oder hätte der mit Bodenschätzen (abgesehen von wenigen Ausnahmen wie vielleicht Edelsteinen und anderem) nicht allzu vertraute Spieletester aus der Schweiz sonst jemals etwas von den Anfängen und Entwicklungen des industriellen Kohleabbaus im südlichen Ruhrgebiet erfahren, wie sie durch Kohle & Kolonie (Spielworxx) vermittelt werden? Eben. Und so lässt sich der interessierte Tester in die Rolle und Haut eines Industriellen versetzen, in der er Verantwortung für die allerorts wie Pilze (die kennt der Tester dagegen ziemlich gut und jedenfalls viiiel besser als die Kohleindustrie) aus dem Boden sprießenden Zechen übernehmen soll, um diese, und zuletzt vor allem auch sich selber, zu Reichtum und Prosperität zu führen.

Ein hartes Spiel für Strategen

Der Spieletester und auch alle übrigen ahnen dagegen schon im Voraus, dass das alles nicht ganz so einfach werden und ablaufen dürfte. Und so kommt es dann auch effektiv. Die Kohleförderung ist ein schweres und anstrengendes Geschäft. Durchhaltewillen und gute Nehmerqualitäten sind gefragt. Dies gilt auch für das Spiel, das von Thomas Spitzer als Teil 2 seiner Kohle-Trilogie, die vor einem Jahr mit der Ruhrschifffahrt ihren Anfang nahm, erdacht und entwickelt wurde. Erneut ist er bestrebt, die seinerzeitigen wirtschaftlichen Entwicklungen möglichst passend aufzunehmen und wiederzugeben, wobei es der Spieletester aus der Schweiz aus verständlichen Gründen lieber unterlassen möchte, zu beurteilen, ob und wie gut das bei Kohle & Kolonie gelungen ist.

Einstiegshürde vorhanden

Und so erstaunt es nicht, dass sich bereits der Einstieg in die Geschehnisse von Kohle & Kolonie als eher schwierig und anstrengend erweist. Die Anleitung, immerhin 28 Seiten im Format A5 stark, ist mit all‘ ihren Doppelspurigkeiten und Regeldetails recht mühsam zu lesen und zu verstehen. Ein rasches Loslegen ist so kaum möglich, und selbst wenn die Grundzüge des Spiels einigermassen bekannt sind, müssen immer wieder Einzelheiten nachgeschlagen werden. Dem Tester sind denn auch in der ersten Partie ärgerliche Abweichungen vom regeltechnischen Pfad der Tugend unterlaufen, die das Spiel an den Rand des Abbruchs gebracht haben. Und nur dem Pflichtbewusstsein des Testers und dem Durchhaltewillen seiner Mitstreiter ist es zu verdanken, dass weitere Versuche folgten, die dann nach einem erneuten vertieften Regelstudium wirklich zu einem besseren und flüssigeren Spielerlebnis geführt haben.

Wie wird Kohle & Kolonie gespielt?

Das alles nur so als Vorbemerkung. Kohle & Kolonie ist jedenfalls ein gröberes Kaliber, wie es viele Spieler lieben, die sich dann auch durch anfängliche Hindernisse und Mühen nicht aufhalten lassen wollen. Und ihnen wird tatsächlich einiges geboten. Schon  nur der Aufbau des Materials ist ein Ereignis (und zumindest am Anfang mit ständigem Blick in die Anleitung verbunden). Das Spielbrett zeigt das Gebiet um die Ortschaften Essen, Bochum, Hattingen und Witten. Es finden sich darin zahlreiche Zechenfelder, auf denen die Spieler im Verlauf der Partie Förderanlagen erwerben und errichten werden. Vier Eisenbahnlinien sorgen für den Abtransport der Kohle und zusätzlich gibt es eine ganze Anzahl Dörfer, in denen die lokale Bevölkerung auf Beschäftigung und den wirtschaftlichen Aufschwung wartet. Und die sind nicht mehr aufzuhalten.

Das ganze Spiel ist unterteilt in fünf Runden, die alle nach einer strikten Vorgabe ablaufen. Zuerst wählt jeder Spieler ein Bonusplättchen aus, mit dem zugleich die Zugreihenfolge festgelegt wird. Anschließend dürfen reihum Zechen aufgebaut, Dampfmaschinen erworben, Dörfer mit eigenen Spielfiguren belegt oder diese in der Auslage versetzt werden, wobei in jeder Runde grundsätzlich nur zwei Aktionen möglich sind. Das schafft bereits erste Engpässe und Nöte.

Zechen und Kohle – Wirtschaftskapitalismus pur

Solche kommen zusätzlich durch Grubenunglücke, die Runde für Runde die nicht speziell geschützten Zechen treffen, und ärgerlichen, wenn auch nicht spielentscheidenden Schaden anrichten können. Dann tritt erstmals das Syndikat auf den Plan, das die kleinsten noch nicht vergebenen Zechen aufkauft. Anschliessend werden endlich die Erträge der Zechen an die jeweiligen Eigentümer ausgeschüttet, bevor ab der dritten Runde die Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs beginnt. Dabei werden Kleinzechen zu größeren Betrieben zusammengelegt, wobei die Spieler mit ihren Geboten nicht nur jene der Gegner, sondern auch die Offerte des Syndikats übertreffen müssen, wenn sie die neu geschaffene Großzeche erwerben wollen. Falls das nicht klappt, erhalten sie zwar eine kleine Entschädigung, verlieren jedoch ihre frühere Kleinzeche und die damit verbundenen Einküfte. Und das kann schon eher den Verlauf einer Partie beeinflussen.

Jedenfalls sollten sich die Spieler ständig darum bemühen, für einen genügenden Zustrom an Geld und Siegpunkten zu sorgen, um nicht vorentscheidend ins Hintertreffen zu geraten. Dazu dienen einerseits die eigenen Zechen auf dem Spielplan. Andererseits hat jeder Spieler fünf Übertagekarten, auf denen er seinen jeweiligen Stand der technischen Entwicklung dokumentieren und vorantreiben und damit ebenfalls wertvolle Einkünfte erzielen kann.

Kohle & Kolonie – ein Strategiespiel voller Komplexität

So gibt es denn das ganze Spiel sehr vieles zu planen und zu entscheiden, unterschiedlichste Strategien können ausprobiert werden und lange nicht immer ist erkennbar, wer zuletzt obsiegen wird. Und dabei ist an dieser Stelle gar Diverses weggelassen worden, um die Darstellung des Geschehens nicht vollends uferlos werden zu lassen, beispielsweise der Eintausch der lokalen Bevölkerung gegen Geld oder der Vorteil von Dampfmaschinen, die gleich wie der Auf- und Ausbau des Eisenbahnwesens für kleine Extras im Verlauf einer Partie sorgen und am Ende wertvolle Zusatzpunkte eintragen können.

Wie gut ist das anspruchsvolle Gesellschaftsspiel Kohle & Kolonie?

Das alles ist stimmungsvoll in schwärzlichen Kohletönen angelegt und sorgt für viel Befriedigung, wenn zuletzt die eigene Strategie aufgegangen und der Sieg Tatsache geworden ist. Allerdings dauert das ganze nach dem Verständnis des mit Kohlegeschäften halt nicht so vertrauten Testers aus der Schweiz doch etwas zu lange. Und überhaupt vergeht die Zeit irgendwie alles andere als im Fluge. Stattdessen muss viel aufgepasst und überlegt und im Regelheft nachgeschlagen werden, sodass der Ablauf des Geschehens insgesamt doch erheblich knirscht und holpert.

Leider vermag daran für einmal auch die Gestaltung des Spiels nicht viel zu ändern. Beispielsweise wünschte man sich eine bessere Unterstützung beim Suchen und Finden der einzelnen Zechenfelder auf dem großen Spielbrett. Oder beim Differenzieren der einzelnen Zechentypen (bis wir schon nur die Besonderheiten der Klein- und Einzelzechen begriffen haben …). Oder beim Erkennen der Vorteile, die das Aufwerten und Umdrehen der Übertagekarten bieten wird (was uns da alles an Steinchen beim Hochheben der Karten von diesen runtergefallen ist!).

Schade, da wurde eine Chance verpasst. Vielleicht wäre es gar besser gewesen, einiges zu vereinfachen, selbst wenn das zu Abstrichen bei der historischen Exaktheit des Strategiespiels geführt hätte. Aber es gibt ja noch die Hoffnung auf Teil 3 der Trilogie. Der Tester aus der Schweiz freut sich jedenfalls schon jetzt darauf und ist gespannt, was es da für ihn alles wieder zu entdecken geben wird.

Hier gehts zur Spielregel

Infos zu Kohle & Kolonie

  • Titel: Kohle & Kolonie
  • Verlag: SpielworXX
  • Autor: Thomas Spitzer
  • Spieleranzahl (von bis): 3-5
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 180
  • Jahrgang: 2013

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