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The Open Road

The Open Road - Ausschnitt - Foto von Spielefaible

In meinen Testrunden standen zuletzt ein paar schöne, interessante und wirklich empfehlenswerte Spiele auf dem Programm. Das machte großen Spaß. Aber schon da war klar, dass diese Serie nicht ewig weitergehen kann, sondern irgendwann reißen muss und auch wieder andere, schwächere Titel bei uns aufschlagen werden.

Allerdings war im Voraus nicht klar, dass The Open Road von Blair Berg und Carl Strycharske (Spielefaible) zu diesem zweiten Kreis der nicht ganz so herausragenden Spiele zählen werde. Denn The Open Road bringt Einiges mit, das Spielerherzen höher schlagen lässt: Ein unverbrauchtes Thema rund um eine Velofahrt quer durch die USA, eine adrette grafische Aufmachung mit stilisierten Abbildungen von Utensilien und Szenerien zum Thema und viel Herzblut der Schöpfer, die in der Dokumentation zum Spiel enthusiastische Einblicke in die Entstehungsgeschichte von The Open Road gewähren.

Der Ablauf bei The Open Road

Erste Zweifel kommen dann allerdings bereits beim Studium der Anleitung auf, die trotz ihrer Kürze und der Einfachheit des Spielablaufs recht unübersichtlich und eher befremdlich wirkt. So werden Zahlenangaben konsequent, aber ohne erkennbaren Grund in Klammern gesetzt, was die Lesbarkeit unnötig erschwert. Zudem gibt es kleine Regellücken, die zwar nicht groß ins Gewicht fallen, aber dennoch erstaunen und sicher vermeidbar gewesen wären.

The Open Road - Material - Foto von Spielefaible

Vielleicht hätte halt mehr Gewicht in die Detailarbeit als ins Anpreisen des Ganzen gesteckt werden müssen. Jedenfalls ist da von einer Fahrt durch die überwältigende Schönheit der Landschaft Amerikas die Rede (das kann man durchaus so stehen lassen) und von einem Spiel, das komplex genug ist, um bei jeder Partie andere Strategien verfolgen zu müssen (völliger Quatsch, das Ganze spielt sich immer gleich und strategisch ist The Open Road schon gar nicht …). Aber klar, das kann man als typisch amerikanische Übertreibungen und Superlative behandeln und durchgehen lassen. Nur werden so halt schon entsprechende Erwartungen geweckt, die später nur schwer erfüllt werden können und den Absturz des Fahrradspiels umso heftiger erscheinen lassen.

Zu Beginn der Partie erhalten die Spieler alle je zwei zufällige Kärtchen mit Ortsangaben an der Ost- und Westküste der USA ausgeteilt, die mit einiger Suche auf dem großen Spielbrett dann auch tatsächlich gefunden werden können. Anders als bei anderen Spielen wie Trans America oder dergleichen gibt es nämlich keine Unterstützung zum raschen Lokalisieren der Ortsangaben im Spiel. Und so scannen alle die ganze Auslage, suchen ihre Destinationen und müssen das später oft sogar nochmals tun, da nichts zum Markieren mitgeliefert wird bzw. dadurch andere Ortschaften auf dem Spielbrett verdeckt würden.

Zum Strart gibt es drei Energie- und zehn Geldklötzchen, außerdem ein weiteres Kärtchen mit Namen von zusätzlichen Orten im Landesinnern, die weitere Energie und Gelder versprechen. Und auch diese Orte müssen gesucht werden, was weitere Wartepausen verursacht und Unruhe schürt.

The Open Road - Tableau - Foto von Spielefaible

Diese steht dann in einem unschönen Kontrast zum reichlich schematischen, um nicht zu sagen eindimensionalen und vorhersehbaren Spielablauf. Die Wettfahrt quer durch die USA entpuppt sich nämlich als reine Optimierungsübung zum raschen Sammeln der Ressourcen, Energie und Geld. Jedes Bewältigen einer Teilstrecke auf dem Spielbrett kostet eine Energie. Diese kann hauptsächlich beim Halt in einer Großstadt gegen Abgabe von (2) Geldklötzchen (dies die Schreibweise solcher Hinweise in der Anleitung) gewonnen werden – die Übernachtung im Hotel verschafft neue Kräfte. Außerdem gibt es Geld und Energie über spezielle Spielkärtchen, die im eigenen Spielzug aufgenommen werden dürfen.

Die möglichen Spielzüge

Insgesamt stehen sieben Aktionsmöglichkeiten zur Auswahl. In jedem Spielzug dürfen zwei davon genutzt werden, wobei die Anleitung offenlässt, ob auch zweimal dasselbe getan werden darf (wir haben das zugelassen). Und so sammeln alle Kärtchen, die das Befahren einer weiteren Teilstrecke erlauben oder teilweise auch gegen Gegner eingesetzt werden dürfen. Kann dabei bei der Routenplanung einer der eigenen Nachschuborte angelaufen werden, gibt es dort zusätzliche Energie- und Geldklötzchen. Und sonst sammelt man halt weiter Kärtchen, bis die nötigen Mittel zur Weiterfahrt bereitliegen.

Abgehängt vom Feld

Die einzige Abwechslung und einen unschönen Zufallsfaktor liefern spezielle Glückskärtchen, die gegen fünf der herkömmlichen Spielkärtchen eingetauscht werden können. Wer da beispielsweise die spezielle Peloton-Karte erhält, hat fast schon gewonnen. Sie ermöglicht nämlich die Verdoppelung eines eigenen Spielzuges. Anschließend muss nur noch genügend Energie gesammelt werden, um mit einer Gewaltsfahrt an einem einzigen Reisetag die halben USA zu durchqueren – realistisch ist das nicht. Und wenn mit dem Straßenräuber-Kärtchen einem Gegner fast beliebig viele Spielkärtchen gestohlen werden dürfen, kann dieser eigentlich gleich aufhören zu spielen, da der Rückschlag kaum noch aufzuholen ist. Das ist dann Frustration pur und völlig zufällig oder willkürlich.

Wie ein Sprint in die Sackgasse

The Open Road - Spieleschachtel - Foto von Spielefaible

Wer am Ende als Erster den eigenen Zielort erreicht, gewinnt. Und alle sind froh, dass der Spuk zu Ende ist. Dabei wäre The Open Road kein wirklich schlechtes Spiel. Und die Dauer hält sich auch in einigermaßen überblickbaren Grenzen. Unschön sind eher die Eindimensionalität der Abläufe, die kaum Entscheidspielräume offenlassen. Und wenn dann noch handwerkliche Mängel wie die lückenhafte Anleitung oder die fehlende Unterstützung der Ortssuche mit den damit verbundenen Wartepausen dazukommen, hat das Spiel im Kampf um die nötige Aufmerksamkeit und Anerkennung schlichtweg keine Chance. Als wenn es selber tatsächlich per Velo und die Konkurrenz mit Motorantrieb unterwegs wäre. Oder The Open Road nicht durch die überwältigende Schönheit der Landschaft Amerikas, sondern direkt in die nächste Sackgasse fahren würde.

Spielanleitung zu The Open Road

Infos zu The Open Road

  • Titel: The open Road
  • Verlag: Spielefaible
  • Autor: Blair Berg, Carl Strycharske
  • Spieleranzahl (von bis): 2-6
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 8
  • Dauer in Minuten: 45
  • Jahrgang: 2019

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