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Spiel ’23: Früher war auch nicht mehr Lametta

Spiel 23 in Essen: Motiv vom Messebanner - Foto von Riemi

Leere Straßen und Menschenmassen: Messetag 0

Kurz vor 9 Uhr, freie Fahrt auf der A52 Richtung Essen. Kein Stau und feinster Sonnenschein. Aus den Lautsprecherboxen fließt wuchtig sanft die neue Baroness und stimmt auf den nullten Messetag ein. Von der Ausfahrt E28 bis zum Parkplatz in Rekordzeit und vom Parkplatz zum Eingang ebenfalls. Am Messe Mittwoch herrscht in Essen noch beinahe sakrale Ruhe, aber am Horizont zeichnen sich schon in weiter Ferne Wolken, Blitz und Donner ab.

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Beim Presse-Event gibt es bis auf einen Rückblick auf 40 Jahre SPIEL in Essen und eine kleine feine Würdigung von Dominique Metzler und ihres Lebenswerks erst einmal nur Fakten, Fakten und noch mehr Fakten, bevor die geballte VIP-Masse in die Neuheitenschau schwappt. Enge Gänge und Gedränge, bei denen es stellenweise weder vor noch zurück geht, geben einen kleinen Vorgeschmack auf die kommenden vier Messetage. Die Tische sind leider teils zu klein, um manch ausladendes Spielbrett und sein Material adäquat in Szene zu setzen, aber für den einen oder anderen gelungenen Pitch reicht es dann doch.

Menschenmenge bei der Neuheitenschau
Schon bei der Neuheitenschau stehen sich die Leute auf den Füßen.

Neuheitenschau: Bifis und Stromstöße

Allerdings ist so eine Neuheitenschau wie das Studieren der Speisekarte. Der Mund wird wässrig, die Augen groß und der Magen knurrt. Und anschließend gibt es nur eine muffige BiFi an der nächsten Tanke. Soll heißen: Das, was man auf den Spieltischen sieht, will man anfassen, ausprobieren und erleben. Kurzum: Man will die Spiele spielen.

So bleibt es nur bei vagen Eindrücken und wachsender Neugierde. Und einen Stromstoß. Den hole ich mir ausgerechnet bei Jumbo ab, die zum einen die erste Erweiterung zu Hitster präsentieren, zum anderen auch ihre Messeneuheit Shock You!, ein Partyspiel für die Generation Z, bei dem man unsinnige Fragen beantworten muss und dabei eine Mischung aus Hundespielzeug und Sextoy mit Elektroden in der Hand hält. Braucht man für die Beantwortung der Fragen zu lange und versäumt man es, das “Ding” weiterzureichen, wird man mit einem Stromstoß elektrisiert. Bei Generation Z war ich eigentlich schon raus, gehöre ich doch noch zur Generation Akustikkoppler, die Kassetten einlegen musste, um nach einer Stunde Starren auf einen flackernden Bildschirm klotzige Figuren über klotzige Landschaften zu steuern. Nein, nicht Minecraft.

Dass man bei Shock You! Stromstöße bekommt, will ich der Dame nicht glauben. Doch nicht bei Jumbo, dem Verlag, der seit dem Bau der Chinesischen Mauer auf Spieleklassiker wie Stratego und Spiel des Wissens setzt. Statt schmerzloser Spielefadnis gibt es 2023 aber ordentlich Strom. Und den jagt der rosa Dildo dann auch durch Finger, Hand, Arm bis hoch zur Schulter, so dass ich überrascht den Gummiknochen fallen lasse. Jumbo meint es ernst und ich frage mich, wer so einen Schwachsinn spielen soll. Ich tease an: Die Auflösung gibt’s später.

Die rosa Schocknuss des Jumbo Spiels Shock You!
Shock you! von Jumbo: Die Schocknuss, eine Mischung aus Dildo und Hundeknochen, die Stromstöße verteilt.

Ansonsten wecken mein Interesse vor allem Titel wie Amygdala (Game Brewer), Imperial Miners (Pegasus), Age of Innovation (Feuerland), Challengers Beach Cup (Asmodee), Mischwald (Lookout Spiele), It’s a Balloon!? (PD Games), Evacuation (Delicious Games), Insel Express (Board Game Circus), Bonsai (DV Games), What the Rule?! (Perdix Spiele), Trekking – Reise durch die Zeit (Game Factory) und Die weiße Burg (Kosmos). Aber wie gesagt: Anzocken ist nicht. Neuheitenschau ist nur zum Glotzen und Staunen. Und Wunschliste pflegen. Für den nächsten Tag, den ersten Messetag!

Volle Straßen und volle Hallen: Messetag 1

Eine halbe Stunde früher als am Tag zuvor geht es heute erneut mit guter Laune und guter Musik, aber diesmal in Gesellschaft gen Spiele-Mekka. Die Pilgerreise wird aber ca. einen Kilometer vor Ausfahrt E28 abrupt beendet, weil trotz früher Stunde ein alter Bekannter aus vergangenen Messe Jahren vorbeischaut: der Stau! Und so schieben wir uns Zentimeter um Zentimeter von der Autobahn runter auf die Norbertstraße und dann Milimeter für Milimeter endlich auf den Parkplatz P1. Gerne hätte ich ein paar von den rosa Jumbodildos vom Vortag dabei gehabt, um den Deppen, die an der Schlange vorbeifahren und sich am Ende dreist einfädeln, das Gummigeschoss durch das Fahrerfenster zu jagen.

Startpunkt ist Eingang Ost, an dem der Jakobsweg für den geneigten Brettspieler beginnt und der einen nach einigen Kilometern in dröger Betonoptik endlich in Halle 6 entlässt. Hier haben Verlage, die ihren Schwerpunkt in Familienspiele haben, ihre Zelte aufgeschlagen. Neben den dicken Dingern wie Kosmos, Amigo, Hans im Glück und Queen Games finden sich hier auch zahlreiche der von Asmodee geschluckten Verlage. Und  u. a. auch Bombyx, Drei Magier (Admin: „Hey, das war doch Schmidt Spiele!“) und Studio H.

Dank Disney Lorcana verbucht Ravensburger sicher den ewigen Warteschlangenrekord, weil es irgendeine exklusive Promokarte auf der Messe gibt. Es soll wohl Leute gegeben haben, die nur eine Eintrittskarte für diesen Zweck erworben und sich nach stundenlangem Stehen die Bandscheiben durchgenudelt haben. Auch aus der Generation Akustikkoppler …

Menschmassen am Disney Lorcana Stand.
Nicht nur am Disney Lorcana Stand herrschte Ausnahmezustand, sondern auch in Halle 7, in der frühmorgens mehrere 100 Menschen für das Trading Card Game anstanden.

True Brettspieler und faule Gerüche

Das schwarze Loch der Messe, der Punkt mit der größten Anziehungskraft, ist allerdings Halle 3. Dort gibt es zwar keine Schirmchendrinks, aber Stoff für die “truen Brettspieler”, nämlich die Kenner- und Expertenspiele. Keine seichte Grütze, sondern tougher Shit. Und wer den Shit will, muss mit wenig Sauerstoff, aber permanent babylonischen Stimmengewirr und dem einen oder anderen Rempler klarkommen. Außerdem streift die Nase hin und wieder sanft eine vorbei schwebende Flatulenz, auch Bruder Bläh genannt. Das war in der Vergangenheit schon deutlich schlimmer, wenn sich Schwester Schweiß noch hinzugesellt hat. Aber zumindest dieses Jahr riecht die Messe bislang ausgesprochen neutral. Kann aber auch sein, dass die Corona-Infektion aus dem letzten Jahr immer noch die Rezeptoren schwächt.

Zaubergärten, Königsmörder und versohlte Ärsche

Das erste Brett des Tages ist hier Power Plants bei Skellig Games. Keine Messeneuheit, sondern ein Veteran aus dem letzten Jahr. Aber an diesem hibbeligen Messe Morgen muss man die vier Hintern platzieren, wo sich den vier Hintern Platz bietet. Und Power Plants sieht ansprechend aus. Oder zumindest sehr bunt.

Ansonsten sind wir bei Power Plants wieder einmal Zauberer (gähn), die (warum auch immer) Pflanzen und Feen in einen Zaubergarten setzen, um am Ende des Spiels die Mehrheit an Feen in diesem Garten zu haben. Dabei gibt es schwache und starke Aktionen sowie fünf verschiedene Pflanzen mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Leider ist die Erklärbärin an diesem Morgen erklärtechnisch auch noch im Stau, sodass zumindest der Beginn recht holprig ist und das Spielt erst durch ein paar Nachfragen ins Rollen kommt. Dann zeigt sich Power Plants aber als kopflastiges Area-Control-Spiel, das gerne nochmal auf den Tisch kommen darf.

Spielmaterial von Power Plants, erschienen bei Skellig Games
Da die Zauberer noch nicht richtig in Fahrt gekommen sind, schaut der Zaubergarten gar mickig aus. Da geht noch mehr bei Power Plants.

Magisch geht es weiter bei Skellig Games mit einer echten Messeneuheit, nämlich Kingscraft, das der Autor himself, David Kühn, ebenso kühn (ho ho, Schenkelklopfer), aber mit leicht gebrochener Stimme (schon am ersten Messetag!) erklärt. Auch hier thematisch wenig Neues: Der König sucht einen Nachfolger, wir haben Bock auf den Job und müssen bis zur finalen Herausforderung des aktuellen Herrschers Ausrüstung einsammeln und verbessern sowie Monster metzeln und Erfahrungen sammeln. Und wenn wir dann irgendwann angemessen hochgelevelt sind, versuchen wir den Alten in einem finalen Kampf vom Thron zu stoßen.

Kingscraft bringt klassisches RPG-Feeling auf den Tisch, wenn wir Waffen wählen, Waffen schmieden und finstere Gestalten mit fantastischen Würfelergebnissen zurück in die Untiefen und Schatten stoßen, aus denen sie gekrochen kamen. Dass die Würfel uns an diesem Morgen nicht immer wohlgesonnen sind und uns der König (oder war es eine Königin?) final dermaßen den  Allerwertesten versohlt, dass der Popo wie die blutige Sonne über den Wassern von Capri strahlt, liegt auch daran, dass wir herzlich wie wir sind nur eine kurze Partie spielen und das System nicht bis zur Perfektion ausreizen. Hat dennoch Eindruck hinterlassen.

Spielertableau und gemeinsame Auslage bei Kingscraft.
Wenn es um den Thron geht, greift die Heldin bei Kingscraft auch schon mal zur Axt.

Mammut, Wolf und eine Menge anderes tierisches Vergnügen

Auch Eindruck, aber einen negativen, hinterlässt die Tatsache, dass es an diesem Morgen in Halle 3 mächtig voll ist und man gar nicht so einfach einen Platz für die vier Buchstaben bekommt. Bei Deep Print Games winken zumindest bei Triqueta vier freie Plätze eifrig.

Triqueta selbst hat zwar auch schon ein paar Monate auf dem Buckel, aber kommt nun mit der Erweiterung Hidden Wolves daher. Während wir in Triqueta die Tiersteine sehen, die wir verdeckt in unsere Auslage oder offen in eine der vier Reihen legen, so bringt die Erweiterung noch zusätzliche Steine mit, die man verdeckt in die eigene Auslage legt, ohne sie sich vorher anzusehen. Diese verdeckten Steine können eine siebte Tierart, den Wolf, darstellen oder eine der bereits bekannten Tierarten. Aufgedeckt werden diese Steine erst am Ende des Spiels. Was den Push-your-luck-Mechanismus des Spiels noch ausbaut. Gutes kleines abstraktes Familienspiel mit überschaubarer Spieldauer.

Spielsteine von Triqueta
Eulen, Bären und manch anderes Getier will bei Triqueta möglichst nur zu Dritt gehalten werden.

Während ich im Folgenden meine ersten Einkäufe zum Auto bringe, landet der Rest bei Pegasus und klopft deren Neuheit Imperial Miners auf Tauglichkeit ab. Allerdings ist das Fazit zum kleinen Engine Builder in der Welt von Imperial Settlers geschlossen negativ, weil jeder solitär seine Mine puzzelt und keine Interaktion stattfindet. Oder wie es ein Nutzer auf BGG zusammenfasst: “The perfect board game for an evening with people you don’t want to talk to.”

Immerhin erhält man bei Pegasus noch Promokarten für das Kultspiel Krasse Kacke. Ab sofort kann man auch das Mammut verdächtigen. Das Känguru hingegen ist leider nicht mehr verfügbar. Scheiße aber auch!

Da kann es beim allerorts gehypten Mischwald aus dem Hause Lookout nur besser werden. Wir erwischen zwar die englische Version und einen viel zu hoch aufgebauten Spieltisch, bei dem wir das komplette Spiel über dasitzen, als hätte man uns an den Pranger gestellt, aber dafür haben wir mit Lisa nicht nur sympathische, sondern vor allem auch schlagfertige Gesellschaft. Und wir haben alle Bock, im aktuell allgegenwärtigen Naturthema unseren eigenen Wald aufzubauen.

Dabei ist Mischwald relativ schnell erklärt: Jeder erhält 6 Karten. Ist man am Zug, kann man eine Karte in den eigenen Wald spielen oder zwei Karten nachziehen. Beim Nachziehen ist es egal, ob man die Karten verdeckt vom Nachziehstapel oder aus der gemeinsamen Auslage, der Lichtung, zieht. Spielt man einen Baum in seinen Wald, wird eine Karte vom Nachziehstapel auf die Lichtung gelegt.

Den Reiz entwickelt Mischwald durch die verschiedenen Karten. Es gibt Bäume, Tiere, Pflanzen und Pilze. Karten haben dabei Effekte und Boni. Effekte unterteilen sich in Soforteffekte, die beim Ausspielen einmalig genutzt werden, oder Dauereffekte, die bis zum Rest des Spiels wirken. Boni hingegen erhält man nur, wenn man die Kosten für eine Karte passend bezahlt.

Wichtig ist es aber, dass man möglichst viele Punkte generiert. Hierbei muss man darauf achten, dass man die richtigen Karten kombiniert und/oder in geeigneter Anzahl sammelt. Das Wildschwein punktet, wenn man einen Frischling dabei hat. Schmetterlinge rentieren sich, wenn man möglichst viele von ihnen sammelt. Der Dammhirsch wird besonders wertvoll in Gesellschaft von anderen Paarhufern. Und der Luchs wünscht sich mindestens ein Reh, bevor er überhaupt Punkte bringt. Mit 66 Bäumen, 48 oben/unten geteilten Karten und 44 links/rechts geteilten Karten ergibt sich so nach und nach ein bunter kleiner Wald vor einem, der bei einer Niederlage alleine durch die Optik entschädigt. Damit füllt das Spiel genau die Lücke zwischen Cascadia und Erde.

Die Kritik, dass die Punktewertung am Ende des Spiels ein Graus ist, kann ich hingegen nicht nachvollziehen. Das ging bei uns in der Erstrunde schon recht schnell und unterscheidet sich nicht von vielen anderen Spielen auf diesem Spielniveau.

Spannender ist die Frage, ob das Ding hier für das Spiel des Jahres oder für das Kennerspiel des Jahres nominiert wird. Hängt irgendwie dazwischen.

Auslage bei Mischwald.
Mischwald bietet die passende Kartenauslage zum herbstlichen Wetter. Und gesund sehen die Bäume auch noch aus. Träumchen.

Tom Cruise bei Trio und rosa Dildos beim Schlagerfest

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass es dieses Jahr wieder sehr voll in den Messehallen ist? Und hierbei besonders die Halle 3? Die Luft ist inzwischen so dünn, dass das Hirn schon blau anläuft. Hier hilft nur bewegen, bewegen und noch einmal bewegen, um die eine oder andere Sauerstoffblase zu erwischen. Ein eigenes Spiel auf der SPIEL ’23.

Irgendwann finden wir in einer weit entfernten Halle dann aber doch wieder einen freien Tisch. Bei Cocktail Games gibt es merkwürdigerweise entgegen des vielversprechenden Namens keine oberkörperfreien Tom-Cruise-Lookalikes, die akrobatisch irgendwelche Substanzen zu wohlschmeckenden Getränken zusammenführen und durch ihr Muskelspiel und weißzähniges Lächeln junge und alte Damen zu Spontankäufen verlocken. Aber dafür einen dieser Messe Geheimtipps, die sich nur wenige laut auszusprechen wagen, da es sich um ein profanes Kartenspiel ohne Thema und ohne horrenden Preis handelt, nämlich Trio. Ohne „Da da da“. Aber im Original mit dem Namen Nana.

Trio spielt sich einfach: Je nach Spielerzahl hat man eine bestimmte Anzahl von Karten auf der Hand. Ist man am Zug, wählt man einen Spieler, der die niedrigste oder höchste Karte aus der Hand oder eine beliebige verdeckte Karte aus der Auslage vom Tisch spielt. Hierbei kann man sich natürlich auch selbst wählen. Dies wiederholt man, solange beide Karten die gleiche Zahl zeigen oder bis man einen Drilling hat. Ist dies nicht der Fall, werden die Karten dorthin zurückgelegt, wo sie hergekommen sind, und der Zug ist beendet. Gelingt es einem hingegen, einen Drilling auszulegen bzw. auslegen zu lassen, gewinnt man die Runde. Das gesamte Spiel gewinnt man, wenn man drei Drillinge oder drei 7er gesammelt hat.

Trio ist damit eines dieser einfachen Spiele, denen ein “Nochmal” innewohnt und spielerverständigend wirken kann, da es sowohl Wenig-, Gelegenheits- und Vielspieler mitnimmt. Und am Stand kriegt man zum Spiel auch einen Avocado-Button. Wenn das nicht ein Kaufargument ist.

Spieleschachthel von Trio.
Trio. Irgendwas mit bunten Karten und einer Avocado. Aber auch gut.

Kommen wir nun zurück zum Anfang. Zum rosa Hundeknochen-Dildo-Folterinstrument aus dem Haus Jumbo. Im Gegensatz zu Hitster scheint das Partyspiel Shock You! dieses Jahr kein Renner zu sein. Denn am späten Nachmittag ist der Stand von Jumbo, der irgendwo in den “Schatten” von Halle 5 liegt, recht leer. Ein Tumbleweed würde gut in diese Kulisse passen.

Das rosa Ding heißt übrigens “Schocknuss” und kann neben leichten und starken Schocks auch einfach nur Musik spielen. Aber die Schocknuss, so steht es in der Anleitung, darf ausschließlich zum Spielen von Shock You! verwendet werden. Aha!!

Zu Beginn von Shock You! (Admin: „Äh, ist das dann nicht einfach eine Art Tick Tack Bumm …?!?“, Redakteur: „Ja, es ist die Sado-Maso-Variante von Tick Tack Bumm.“) bilden die Spieler zwei Teams. Dann ziehen sie eine Karte, welche anhand der Farbe eine von drei Spielvarianten bestimmt:

  1. Bei “Think Fast” hält einer vom Team die Shocknuss und liest die Fragen auf der Karte vor, während der andere die Fragen zu beantworten versucht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Antworten richtig oder wahr sind. Werden alle Fragen beantwortet, bevor die Schocknuss schockt, erhalten die Spieler die Karte.
  2. Bei “Linked Words” spielen alle und die Schocknuss wird immer an den aktiven Spieler weitergereicht. Dieser muss zur Frage auf der Karte eine Antwort geben. Diesmal muss die Antwort richtig sein. Niveau der Fragen? “Dinge, die man in der Toilette eines Nachtclubs tut” oder “Lieder, die nicht zu einer Beerdigung passen”.
  3. Bei “Definition Duel” muss der aktive Spieler im Team einen Begriff auf der Karte seinen Mitspielern erklären. Wenn sie es richtig raten, gehen Karte und Schocknuss an den aktiven Spieler des anderen Teams. Das Team, welches keinen Schock bekommt, erhält die Karte.

Das erste Team, das sieben Karten sammelt, gewinnt das Spiel.

Die Erklärbärin erklärt die Regeln mit einer Mischung aus Unwissen und Desinteresse und verkrümelt sich dann auch schnell wieder. Was aber nicht weiter schlimm ist, denn auch in der Anleitung steht, dass man das Spiel spielen kann, wie man lustig ist. Und tatsächlich geht es nur darum, dass irgendwer ordentlich eine gebohnert bekommt. Die Schocknuss könnte man auch bei Terra Mystica einsetzen, damit aktive Spieler nicht ewig lang über ihren Zug grübeln.

Hier und heute spielen wir es aber möglichst nach Originalregeln und jagen uns die rosa Nuss um die Ohren, während im Hintergrund üble Schlagermusik dank Hitster aus den Boxen donnert. Davon bekommen wir wenig mit, weil eine Karte und eine dumme Antwort die nächste jagt und das Spiel seinen infernalischen Höhepunkt erreicht, sobald irgendwer mit der Nuss in der Hand sich plötzlich und schmerzverzerrt krümmt.

Je länger das Spiel dauert, desto mehr wächst die Anspannung und je mehr die Anspannung wächst, desto feuchter werden die Hände. Womit dann auch die Schocks schmerzhafter werden. Dadurch steigt die Nervosität, die Denkmurmel streikt, die Anspannung wächst erneut, die Hände werden immer feuchter und der nächste Schock kommt bestimmt.

Man kommt sich hier und jetzt vor wie in einer armseligen Z-Promi-Show, während alle am Tisch während und vor allem nach einer Runde hysterisch lachen. Ein furchtbares Erlebnis. Aber auch ein furchtbar lustiges Erlebnis, das zum Highlight des ersten Tages wird. Man wird es seinen Enkeln und Enkelinnen nie erklären können, aber anschließend kaufen drei von vier Personen ein Shock You! Immerhin gibt es einen Hitster-Flaschenöffner dazu.

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Die Schocknuss in ihrer ganzen Pracht. Wir werden sicherlich noch manch irrsinnige Geschichten über ihren Einsatz hören.

 

Atemlos schleppen wir uns zum Finale an den Stand von Game Factory, die mit Trekking – Reise durch die Zeit sicherlich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beim Spielmaterial anbieten. Hierzu gehören nicht nur die einzelnen Spielchips und die Karten, sondern vor allem die Playmate. Auch spielerisch weiß das Spiel zu überzeugen. Hier sammeln wir geschickt Jahreskarten aus der Auslage, die wir nach Jahreszahlen aufsteigend auslegen, um zum einen möglichst lange Kartenreihen zu bilden, zum anderen aber auch verschiedene Chips zu erhalten, die wir auf unsere Reisepläne gewinnbringend ablegen. Die Zugreihenfolge wird hierbei über den aus Nova Luna oder Glen More II bekannten Mechanismus bestimmt, was aber auch die einzige Ähnlichkeit mit beiden Spielen ist. Lirum larum, Trekking – Reise durch die Zeit ist der perfekte Absacker für den Tag, nachdem man mehrmals von der Schocknuss gegrillt wurde und sich der Zeiger auch Richtung 19 Uhr bewegt.

Spielbrett bei Trekking - Reise durch die Zeit
Exzellentes Spielmaterial und solider Spielspaß beim günstigen Trekking – Reise durch die Zeit.

Noch vollere Straßen und noch vollere Hallen: Messetag 2

Der Mensch lernt aus Fehlern. Meistens. Wir aber nicht. Anstatt heute deutlich früher oder deutlich später zu fahren, brettern wir nur eine halbe Stunde später im Gegensatz zum Vortag Richtung Essen los. Auf der A52 von Düsseldorf Richtung Essen droht in weiter Ferne erneut an der Ausfahrt E28 der Stau des Vortages, aber es erwischt uns noch schlimmer. Kurz nach Düsseldorf knallt es wenige Kilometer vor uns und ungefähr eine Stunde geht gar nichts mehr. Hätte ich doch wenigstens die Schocknuss vom Vortag mitgenommen. Aber so vertreiben wir uns die Zeit mit launigen Anekdoten und dem Beschwören von Google Maps, dass sich die Farben der Strecke vor uns doch ändern mögen.

Deutlich später als geplant rollen wir in die Hallen und müssen feststellen, dass nicht nur die Lorcana-Schlange vom Vortag länger geworden ist, sondern auch die Hallen noch voller. Und durch dieses ganze Getöse zieht laut und nervig die Zug-um-ZugEisenbahn ihre sinnfreien Runden. Warum? Warum! Denn der 115 Euro schwere Legacy-Klumpen ist doch meistens mittags eh ausverkauft.

Lange Menschenschlange beim Disney Lorcana Stand.
Gehört eigentlich in jeden Jahresrückblick: Die Menschenschlange am Disney Lorcana Stand.

Die kleine Prinzessin kicks ass und die Maus enttäuscht

Heute beginnen wir den Tag mit einem Siegertitel. Besser mit dem Nachfolger eines Siegertitels, nämlich Challengers! Beach Cup. Gleiches Spielprinzip, gleiche schlechte Kartenqualität, gleiche gewöhnungsbedürftige Grafik.

Wir spielen mit zwei Männern und einer Tochter im Grundschulalter eine 6er-Runde, bei der ich keine Butter aufs Brot kriege. Selbst die kleine Prinzessin, die nur schmollend die Plätze tauscht, sieht mich nicht als ernstzunehmenden Gegner. Immerhin schaffe ich es, mir noch zwei Trophäen zu ergattern und bin somit nicht der letzte Dödel an diesem Tisch.

Den Unterschied zum ersten Challengers habe ich nicht erkannt. Dafür habe ich Challengers aber vermutlich zu wenig gespielt. Werde ich aber auch weiterhin nicht, weil Challengers mich immer noch nicht restlos überzeugt. Mal nett zu spielen, aber nichts, was ich mir ins Regal packen muss.

Spielmatte von Challengers Beach Cup
Andere Matten, neue Karten, aber das Feeling bleibt: Challengers Beach Cup.

Wirklich besser wird es auch mit dem nächsten Spiel nicht. Die Stunde der Maus sieht vom Material vielversprechend aus. Die Uhr als Spielbrett und die Spielertableaus mit ihre an Azul erinnernden Steine machen optisch schon was her. Allerdings ist die Erklärung an diesem Morgen fad wie die Sonntagsmesse. Das färbt dann auch auf das anschließende Gameplay etwas ab, zumal das Spiel, welches im englischen Original den stimmungsvollen Kinderliedtitel “Hickory Dickory” trägt, Leichtigkeit vortäuscht, wo keine ist. Ein gehobenes Familien- oder sogar Kennerspiel ist das hier, welches bei dem Getöse um einen rum nicht leicht von der Hand geht. Eine zweite Chance hätte das Spiel aber verdient. An diesem Morgen mit einem Tisch direkt am Gang und mit dem Stand des Schwerkraft Verlags im Rücken kommt es bei allen Beteiligten nicht rüber.

Spielmaterial von Die Stunde der Maus,
Nach Maus & Mystik endlich mal wieder ein kunterbuntes Spiel mit Mäusen. Wenn auch nicht restlos überzeugend.

Rennbahn und Nimmerland in 1 ½ Stunden

Ready Set Bet bietet appunterstütztes Rennbahnfeeling, das wir mit acht Leuten spielen. Während in der App die Pferde um die Wette laufen und das Geschehen von einem Sprecher nett kommentiert wird, versuchen wir bis zu einem gewissen Zeitpunkt, Wetten auf den Ausgang zu schließen. Das ist mit dieser Personenzahl und dem Spielbrett doch recht unübersichtlich. Und schließlich auch sehr zufällig. Den Leuten am Tisch macht es Spaß, was schließlich die Hauptsache ist. Mir persönlich reicht die einmalige Erfahrung.

Appunterstützes Pferderennen bei Ready Set Bet,
Sicherlich sehr originell, aber auch nicht jedermanns Sache: Pferderennen mit Ready Set Bet.

Ebenso wie am Vortag ist es bei Pegasus ein schweres Unterfangen einen freien Tisch zu ergattern. Eigentlich würde ich gerne einmal Djinn, Cat in the Box, Ghost Writer, Moorland oder Schnitzeljagd spielen. Aber es wird nur Pan’s Island, der kooperativen Familienvariante von Treasure Island. Hier spielt jeder einen bekannten Charakter aus dem Peter Pan Universum und hilft dabei, die verlorenen Kinder zu finden. Begegnungen mit Hook müssen vermieden werden.

Jeder Spieler kennt dabei den Standort eines verlorenen Kindes und verschiedene Standorte von Hook. Über Bildkarten gibt man sich gegenseitig vage Hinweise, in welche Richtung man suchen muss und wie riskant es dabei ist, auf Hook zu treffen. Die Suche zeichnen dabei alle auf einer großen Gebietskarte ein. Je nach Spielerzahl muss eine bestimmte Anzahl an Kindern gefunden werden, wobei man bei seiner Suche auch nicht zu oft Hook treffen darf.

Thema ist gut, Material ist gut, Erklärung ist gut, eigentlich ist alles gut, aber es zieht keinem die Socken aus. Vielleicht liegt es auch an der Dame, die am Tisch nervt, weil sie unbedingt auch Pan’s Island spielen will und ungeduldig wie ein Kindergartenkind bei ihren Begleitern quengelt: „Ich will, ich will, ich will.“ Ach, hätte ich doch die Schocknuss dabei.

Bemalbares Spielbrett bei Pan's Island
Nicht nur die Kinder sind bei Pan’s Island verloren gegangen…

Keine kleinen Bäume, dafür Brennen auf der Iris

Ich habe mir in den Kopf gesetzt, bei DV Games deren Neuheit Bonsai zu testen. Aber hier kriegt das Standpersonal es nicht hin, eine Warteschlange zu organisieren. Selbst wenn diese nur aus sechs bis acht Leuten besteht. Leute, die nach einem kommen, stehen laut Standpersonal plötzlich vor einem, weil man sich angeblich falsch angestellt hat. Wobei es egal ist, ob man sich links oder rechts anstellt. Eine klare Linie wie der VAR im Kölner Keller. Nach mehreren Versuchen gebe ich genervt auf und wünsche dem Personal schweigend, dass sie sich ihren Bonsai dahin schieben, wo Sonnenstrahlen ihren Weg nur selten hin finden.

Dafür gibt es wenigstens mit Schnitzeljagd bei der Edition Spielwiese einen Lichtblick. Wobei die Optik schon Richtung Supernova tendiert. Man muss bleibende Schäden befürchten, wenn man zu lange auf die Karten schaut. Kein Hin-, sondern ein Weggucker. Ansonsten ist das Spiel ebenso schlank wie das Thema. Jeder hat fünf Karten mit verschiedenen Tieren mit den Werten von 1-5. Den Anfang macht der Bär (1), gefolgt von Wolf (2), Luchs (3), Eule (4) und Maus (5). Und so sieht auch die Nahrungskette aus.

Alle Spieler spielen gleichzeitig eine verdeckte Karte. Anschließend wird die Nahrungskette von oben nach unten durchlaufen. Hat jemand das genannt Tier, deckt er seine Karte auf. Ist er dabei nicht alleine, passiert nichts. Ansonsten darf er bestimmen, welches Tier er fressen will. Hat jemand das entsprechende Tier, scheidet er aus der laufenden Runde aus. Alle anderen legen ihre Karte vor sich ab. Nach drei Spielzügen in einer Runde wird geschaut, wer noch lebt. Die Spieler bekommen einen Punkt. Der Spieler mit der höchsten Summe an Kartenpunkten bekommt einen weiteren Punkt. Der Spieler, der nach mehreren Runden zuerst fünf Punkte hat, gewinnt das Spiel.

Schlichtes Spielprinzip, bei dem es auf die richtige Mischung aus Bluffen, Deduzieren und etwas Glück ankommt. Und auf eine stabile Iris.

Stand der Edition Spielwiese
Das Spielmaterial zu Schnitzeljagd können wir nicht ohne seitenlange Warnhinweise zeigen. Daher zeigen wir nur einen Ausschnitts des Stands der Edition Spielwiese.

Wolfgang Warsch und Barbie

Vor einigen Jahren war Wolfgang Warsch dabei, sich dank Quacksalber von Quedlinburg und Die Tavernen im tiefen Tal einen Ruf als Erfolgsautor in der Branche zu erarbeiten. Und er war kurz davor, dass man bei einer seiner Neuerscheinungen schon im Vorfeld vom “neuen Warsch” spricht. So wie man vom “neuen Rosenberg” oder “neuen Pfister” redet. Irgendwie ist es aber in den letzten Jahren ruhig um Warsch geworden. Sieht man einmal davon ab, dass es eine unübersichtliche Anzahl von Nachfolgern von The Mind und Ganz schön clever gibt.

2023 greift er mit einem Partyspiel an, welches den irreführenden Titel The same game trägt. Denn es ist nicht der Fall, dass dies eine dreiste Kopie ist, sondern dass es bei diesem Spiel um Ähnlichkeiten geht. Jeder sucht bei The same game einen Begriff, der einem anderen vorgegebenen Begriff in einer von sechs Kategorien ähnelt. Kategorien können hierbei z. B. Länge, Höhe, Gewicht, Komplexität, Gebrauch, Farbe oder Preis sein. Und wenn ich dann einen Begriff wie “Nudelholz” ziehe, muss ich einen anderen Begriff finden, der bspw. von der Komplexität ähnlich dem Nudelholz, aber eben nicht ähnlich in den anderen Kategorien ist.

Denn meine Mitspieler müssen die fünf Kategorien raten, die meine Begriffe nicht gemein haben. Je mehr Kategorien richtig geraten werden, desto mehr Punkte gibt es. Und je mehr Punkte wir am Ende des Spiels haben, umso besser sind wir zusammen in The same game.

Da ich im Vorfeld nur schlechtes über The same game gehört habe, war ich erstaunt, wie knifflig das Spiel sein kann und wie viel Spaß das Spiel genau aus diesem Grund macht. Es kann schon eine Weile dauern, bis alle am Tisch geeignete Begriffe gefunden haben, um dann festzustellen, dass man ganz unterschiedliche Vorstellungen von Gemeinsamkeiten hat. Was kostet denn eine Barbie?!
Gute Nummer. Und so endet dieser Messetag zwar ohne wirkliches Highlight, aber dennoch versöhnlich.

Spielmaterial von The Same Game.
The same game: Der neue Warsch ist optisch mäh, aber spielerisch eher in Richtung yeah.

Lange Schlangen und endlich Bonsai: Messetag 3

Mit aufgeladenen Zellen brettert es sich Sonntagmorgens bei freier Bahn umso geschmeidiger nach Essen. Die einzige Schlange an diesem Morgen findet sich wieder vor dem Disney Lorcana Stand. Und das erneut eine Stunde, bevor die Hallen überhaupt öffnen. Für eine lausige Donald-Duck-Karte? Hier reihe ich mich lieber in die Schlange am Asmodeestand ein, um noch ein deutsches Exemplar von Mischwald zu ergattern. Als ich endlich mit einem Segment der Schlange in den Shop gleite, gibt es noch ca. 20 Exemplare und hiervon pro Person auch nur eins. Wenige Augenblicke später heißt es auch an diesem Tag wieder: Mischwald ausverkauft.

Den Status “Ausverkauft” haben an diesem Morgen schon viele Spiele erreicht. Bei Delicious Games gibt es kein Evacuation mehr. Bei Strohmann kein Planet Unknown. Und auch der Bestand an Zug um Zug Legacy neigt sich bedenklich dem Ende zu. Man muss allerdings sagen, dass im Gegensatz zum letzten Jahr deutlich mehr Ware am Start ist und man vieles, was heiß begehrt ist, auch noch am letzten Messetag abgreifen kann. Eventuell haben auch die angezogenen Preise dazu beigetragen, dass nicht mehr auf Verdacht alles in den Bollerwagen wandert.

Phil Walker-Harding zaubert wieder

Als großer Gizmos-Fan zieht es mich heute morgen mit Begleitung zu den Space Cowboys, die mit Spellbook eines der neuen Spiele von Akkordspieleentwickler Phil Walker-Harding im Angebot haben. Auch hier sind wir wieder einmal Magier (erneut “Gähn), die zur Vorbereitung auf einen Wettbewerb (noch einmal “Gähn”) Zauber lernen müssen. Soweit so lahm. Material und Optik haben die obligatorische Space-Cowboys-Qualität und das Spiel ist Dank guter Erklärung schnell verstanden. Unser Zug teilt sich immer in drei Phasen: Morgen-, Mittag- und Abendphase. In jeder Phase machen wir für die Phase spezifische Aktionen (Materia sammeln, Materia lagern oder Materia zum Erlernen von Zaubern einsetzen) oder wirken erlernte, phasentypische Zauber. Die Zauber helfen uns dabei häufig, Materia zu manipulieren, um neue Zauber zu lernen oder Zauber hochzuleveln. Denn je stärker ein Zauber, desto mehr Punkte gibt es, die zusammen mit den Punkten, die wir über das Einlagern von Materia erlangen, am Schluss entscheidend für die Endwertung sind. Denn es gewinnt wie so häufig der Spieler mit den meisten Punkten.

Obwohl eine Spielerin einen fatalen Regelfehler begeht und aufgrund dessen massiv Punkte generiert und das Spiel sehr flott beendet, ist ein gewisses Potential erkennbar. Ob Spellbook eine Sucht wie Gizmos entfacht oder sich als Rohrkrepierer wie vor einigen Jahren Orbis entpuppt, wird sich zeigen müssen.

Zauberkarten beim Spiel Spellbook von Phil Walker-Harding.
Bei der Masse an Spielen, die Phil Walker-Harding auf den Markt schmeißt, riecht es nach faulem Zauber. Spellbook erscheint aber geruchlos bei den Space Cowboys.

Ein Traum wird wahr und Lisa liebt einen Poolnudelvertreter

Bei den Spielen auf meiner Wunschliste für den heutigen Tag haben wir wenig Glück. Insel Express ist bereits ausverkauft und abgebaut, die Tische bei Amygdala sind dauerhaft besetzt und bei Pegasus scheinen sich die Besucher an den Stühlen festgeklebt zu haben

Daher versuchen wir es ein letztes Mal bei Bonsai, auch wenn ich schon wieder Puls kriege, wenn ich das Standpersonal sehe. Erneut wird eine Wartezeit von 20 Minuten genannt, aber dann wird plötzlich ein Tisch frei, den wir unter Freudentränen entern. Mein Traum, mir meinen eigenen Bonsaibaum aus Plättchen zusammen zu klöppeln, wird endlich wahr. Mir ist, als wäre ich nur wegen diesem einem Spiel nach Essen gekommen. Am Ende meines persönlichen Jakobswegs, der sich bereits nach Sisyphusarbeit anfühlte, erhebt sich ein alles überstrahlender Bonsaibaum. Wobei es erst einmal nur ein Blumentopf ist, aus dem ein Bonsaibaum zu wachsen gedenkt.

Mit uns spielen Lisa und Hilmar. Wieder eine Lisa. Lisa ist in der Spieleszene ein wirklich inflationärer Name. Und erinnert mich immer an den Film aus den 80ern, in dem zwei amerikanische Nerds ihre eigene Traumfrau erschaffen. Erschreckend, dass mir in diesem Moment sogar der Name der Darstellerin einfällt: Kelly LeBrock. Unnützes Wissen: Kelly LeBrock war mit Steven Seagal verheiratet und hat mit ihm drei Kinder.

Hilmar hingegen ist ein eher seltener Name. Zumindest ist mir im wahren Leben noch kein Hilmar über den Weg gelaufen. Bis zu diesem Tag. Dafür spielt Bastian Pastewka im Film “Zwei Männer im Schnee” den Poolnudelverkäufer Hilmar. Unbedingt Weihnachten gucken.

Wunderbare Mitspieler also, aber leider niemand aus Fleisch und Blut, der erklärt. Die Erklärung kommt über eine App und ist leider etwas zäh. Allerdings wissen wir alle danach, wie das Spiel funktioniert. Was aber auch keine Kunst ist, denn bei Bonsai macht man nur zwei Aktionen: Man kultiviert oder man meditiert. Beim Kultivieren legt man eine bestimmte Anzahl an Plättchen an seinen Bonsai an. Beim Meditieren zieht man eine Karte aus der Auslage. Über die Karten erhält man neue Plättchen, kann die Kulktivieren-Aktion stärker machen oder erhält zum Schluss Punkte für bestimmte Karten oder Plättchen.

Der Bonsaibaum selbst besteht aus Stamm-, Blätter-, Blüten- und Fruchtplättchen, die zum Schluss unterschiedlich viel Punkte ergeben und nach gewissen Kriterien angelegt werden müssen. Außerdem lohnt es sich, seinen Baum möglichst schnell zu entwickeln, weil man dann Bonuspunkte erhält.

Bonsai spielt sich sehr gefällig. Ist eines dieser Wohlfühlspiele, die man morgens bei einem guten Glas Rotwein oder abends bei einer Kanne Tee mit jedermann spielen kann. Wie bei Cascadia oder Dorfromantik kommt es dabei gar nicht unbedingt auf die Punktezahl an, sondern dass das, was vor einem entsteht, am Ende etwas Hübsches ergibt. Die Punkte kommen dann meistens von selbst.

Das haben sich scheinbar auch viele Besucher gedacht, denn Bonsai ist nur noch in der italienischen Fassung zu haben. Allerdings ist mein Verlangen erst einmal gestillt, zumal Kosmos das Spiel nächstes Jahr in Deutsch rausbringt.

Lisa ist übrigens wirklich der helle Wahnsinn und gewinnt knapp vor mir mit drei Punkten mehr. Ihr Bonsai sah aber auch wirklich großartig aus.

Ein Bonsai aus Spielplättchen.
Mein Bonsai in seiner vollen Pracht, der leider letztendlich doch zu wenig Punkte brachte. Aber Dabeisein ist schließlich alles.

Die Händler lassen einen fahren und wir nachhause

Zurück im Schmelztiegel der SPIEL, in der auch Sonntag noch gut gefüllten Halle 3, landen wir erneut bei Skellig Games, was auch daran liegt, dass sie einen gut platzierten und organisierten Stand mit reichlich Tischen und Erklärbären haben. Leider ist nur ein Platz bei Die Gilde der fahrenden Händler frei, ein Spiel, was mich optisch schon nicht anspricht. Farbenfroh wie ein Igel und geschrumpft, als hätte man das Spielmaterial zu heiß gewaschen. Spielerisch ist es auch nicht die Erfüllung. Wie ein beliebiges Flip’n’Write, bei dem aber Klötzchen setzt statt den Stift zu schwingen. Da spiele ich lieber noch mal Explorers.

Besser wird es bei Die weiße Burg, einer Kosmos-Neuheit. Zu dritt kriegen wir kurz vor Toresschluss noch eine ordentliche Erklärung und spielen eine der drei Runden, um zumindest einen Ersteindruck zu erhaschen. Der bestätigt zwar meine Befürchtung, dass Die weiße Burg ein recht seelen- und themenloser Euroklopper ist, aber innerhalb von neun Runden das Optimum aus diesem Dice Placer herauszuholen und zum Schluss mehr Punkte als die Mitspieler zu haben, hat doch seinen Reiz. Wird irgendwann in die Sammlung geholt, wenn der PoS abgebaut und wieder Platz im Regal ist.

Weil es kurz vor Ende nicht mehr gelingt eine Runde Knarr zu spielen, landen wir auf dem Weg zum Ausgang noch bei Dobble Connect, welches das bekannte Dobble-Prinzip mit 4 gewinnt kombiniert. Meine Dobble-Skills sind allerdings zu eingeschlafen, als dass ich hier noch einen Pokal hole.

Fast wie in alten Zeiten mit viel Lametta

Rückblickend auf die vier Tage kann man sagen, dass es wieder eine SPIEL war, wie wir sie vor Corona gekannt haben. Und somit auch eine Messe mit ihren bekannten Stärken und Schwächen.

Bei den Schwächen ist wieder ganz vorne dabei die Anfahrt- und Parksituation. Nicht zuletzt aufgrund der Streckensperrung zwischen Duisburg, Essen, Oberhausen und Düsseldorf sind dieses Jahr viele aufs Auto umgestiegen und  haben damit zu Staus und überfüllten Parkplätzen gesorgt. Dass der Shuttleverkehr von P10 zusätzlich durch ein Oktoberfest und einen Unfall am ersten Tag äußerst zäh verlief, kam erschwerend hinzu. Chapeau allerdings an die Besucher, die trotz des Ärgers wie immer friedlich, offen und umsichtig miteinander umgegangen sind. Wobei es auch hierbei schwarze Schafe gab, die Rucksäcke, Koffer und Bollerwagen eher als Waffen denn Transportmittel einsetzten.

Dem neuen Hallenkonzept stehe ich im Gegensatz zu vielen anderen (noch) kritisch gegenüber. Halle 3 war schon immer das Nadelöhr der Messe. Dieses Jahr kam die Halle mir aufgrund des thematischen Schwerpunkts besonders voll vor. Dafür waren andere Hallen weniger besucht. Ich meine, dass sich die Menschenmassen in der Vergangenheit besser verteilt und aufgrund der Verteilung auch kleinere Stände mehr Aufmerksamkeit bekommen haben. Andere hingegen freuen sich, dass sie keine weiten Wege mehr gehen müssen und alles, was sie suchen, in einer Halle zu finden ist.

Und dann haben wir noch die Zeit. Die Zeit in den Messehallen läuft definitiv schneller als außerhalb der Hallen. Wie kann es sein, dass sich in den Hallen die Stunden wie Minuten anfühlen, aber manch Arbeitstag wie eine ganze Woche? Man nimmt sich vorher so viel vor und stellt zum Schluss resigniert fest, dass man nicht einmal die Hälfte davon geschafft hat. Und wie einst als Kind ziehen sich die Tage vor der Messe wie die Tage vor dem Weihnachtsfest. Und die feierlichen Tage sind dafür innerhalb eines Zwinkerns um und man muss erneut ein Jahr auf den Glanz warten. Dafür hat die SPIEL immer noch reichlich Lametta. Freuen wir uns auf das kommende Jahr. Vielleicht schaffen wir es bis dahin ja, den ganzen Bums zu spielen, den wir dieses Jahr trotz guter Vorsätze aus den Hallen geschleppt und/oder vor, während oder nach der Messe in den Online-Shops bestellt haben. Lasst uns in 11 Monaten noch einmal darüber sprechen.

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1 Kommentar

Axel Bungart
Axel Bungart 23. Oktober 2023 at 15:56

Von allem, was Du beschrieben hast, ist mir am nachhaltigsten die Schocknuss im Kopf geblieben. Es gibt hunderte von Spielsituationen, in denen ich mir diese gewünscht hätte. Lange Grübelzeiten gehören damit der Vergangenheit an. (Und Vorhofflimmern gleich mit.) Mir scheint, eine geniale Erfindung am falschen Ort.

Und ja, der Vergleich stimmt: Das Weihnachten unseres Jahrgangs findet im Oktober statt!

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