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Wolfgang Kramer über Porta Nigra und den Spielemarkt

Brettspiel Porta Nigra - Foto von Pegasus Spiele

Gedanken über Spieleträume und Dreidimensionalität

blankWolfgang Kramer, zur Spielemesse in Essen 2015 stellen Sie gemeinsam mit Michael Kiesling bei Pegasus Spiele das Spiel Porta Nigra vor. Das klingt nach Antike und Trier. Was ist das genaue Thema?
„Das Spiel spielt etwa im 4. Jh. nach Chr. In dieser Zeit wurde Augusta Treverorum – das heutige Trier – von Generationen von Baumeistern aufgebaut.
Augusta Treverorum gehörte zu den größten Städten nördlich der Alpen.“

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Was ist die thematische Aufgabe der Spieler bei Porta Nigra?
„Die Spieler verkörpern Baumeister und bauen gemeinsam, aber in Konkurrenz – vier bedeutende Bauwerke im antiken Trier: Porta Nigra, Basilika, Amphitheater und die Stadtmauer. Es gewinnt, wer am meisten zum Aufbau der Kaiserresidenz beiträgt.“

An welche Zielgruppe richtet sich Porta Nigra? Wer wird am meisten Spaß mit dem Spiel haben?
„Die Zielgruppe des Strategiespiels sind erfahrene Spieler, sogenannte Vielspieler, die bereit sind, sich die 12seitige Spielregel zu erarbeiten und in mehreren Spielen von etwa 90 bis 120 Minuten die Spieltiefe auszuloten und die verschiedenen strategischen Möglichkeiten kennenzulernen.“

Wie setzen Sie dieses Thema in Mechanismen um? Welche sind entscheidend für den Spielspaß?
„Jeder Spieler hat denselben Satz Aktionskarten. Zwei Karten davon nimmt er auf die Hand. Auf jeder Karte sind mehrere Aktionen dargestellt, von denen er aber nur einen Teil ausführen darf. Zu den wichtigsten Aktionen gehören:

  • Bausteine kaufen
    Es gibt 5 verschiedene Bausteinarten, die unterschiedlich teuer sind.
  • Bausteine verbauen
    In welchem Bauwerk sollen die Bausteine verbaut werden?
  • Einflusschips erwerben
    Mit den Chips können Ehrenkarten (= Einflusskarten) gekauft werden, mit denen sofort wichtige Gegenstände erworben werden oder die am Spielende zu hohen Siegpunkten führen können.
  • Geld erwerben
    Geld wird benötigt zum Kaufen der Bausteine und zum Bewegen des eigenen Baumeisters.

Die Spieler müssen sich entscheiden, ob sie sich in allen vier Bauwerken engagieren oder sich auf weniger konzentrieren sollen. Dabei sollte man immer auch im Auge haben, was die Mitspieler unternehmen, und bei welchen Bauwerken das Bauen bestimmter Bausteine aktuell belohnt wird (Bauwerkskarten).“

Spielszene Porta Nigra - Foto von Pegasus Spiele

Haben Sie einen heißen Tipp des Spieleerfinders, worauf die Spieler speziell in ihrer ersten Partie besonders achten sollten, um den Spaß nicht zu verlieren?
„In Porta Nigra kann man mehrere Wege einschlagen, um erfolgreich zu sein. So kann z. B. das frühzeitige Erwerben von Einflusschips sehr lukrativ sein, weil man sich dann die besten Ehrenkarten kaufen kann, bevor es der Mitspieler macht. Wichtig ist auch, dass man einen guten Überblick über das Geschehen hat. Wer hat wo wie viele Bausteine gebaut. Wo kann man günstig Bauwerkskarten erwerben, wo kann man sich noch eine Baumeisterbelohnung sichern.“

Bei Porta Nigra spielen Sie wieder mit Türmen. Was fasziniert Sie an dieser Dreidimensionalität, die Sie immer wieder in Ihren Spielen aufgreifen?
„Ein dreidimensionales Spiel ist optisch wesentlich reizvoller als ein flaches Spiel. Außerdem macht es Spaß, Regeln zu erfinden, bei denen die dritte Dimension eine Bedeutung hat. Unser Leben spielt in einem dreidimensionalen Raum. Warum sollten die Spiele nicht auch dreidimensional sein?“

Sie sind schon eine ganze Weile dabei. Wenn Sie sich für eine einzige Antwort entscheiden müssten: Was hat sich für Sie persönlich am Wesentlichsten in der Spielebranche in den letzten 30 Jahren geändert? Was betraf Ihre Arbeit am meisten?
„In den letzten 30 Jahren hat sich Wesentliches in der Spielebranche verändert.
Noch nie hat sich in drei Dekaden so viel verändert. Wenn ich von dem Vielen nur einen Punkt auswählen darf, so nenne ich den ‚zweigeteilten Spielemarkt‘. Wir haben einen internationalen Markt für anspruchsvolle und komplexe Spiele, und wir haben einen Markt für Gelegenheitsspieler. Diese Zweiteilung hat unter anderem dazu geführt, dass wir jährlich mehr als 1.000 neue Spiele und eine Vielzahl von kleinen internationalen Verlagen haben. Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten. Früher habe ich alle neuen Familien- und Erwachsenenspiele mindestens einmal gespielt. Heute ist das für mich unmöglich.
Der Markt für anspruchsvolle Spiele wächst langsam. Das Problem dieses Markts ist, dass es pro Jahr nur etwa drei Spiele gibt, die sich durchsetzen. Alle anderen Spiele in dieser Kategorie können nur dann noch auf Stückzahlen von etwa 10.000 Stück kommen, wenn ausländische Vertriebspartner das Spiel ebenfalls verkaufen. Spiele, die nur in einem Land aufgelegt werden, erreichen allenfalls noch eine Stückzahl von 3.000 Stück. Vielspieler sind engagierte und erfahrene Spieler. Sie interessieren sich vor allem für neue Spiele. Deshalb werden ältere Kennerspiele kaum noch gekauft.
Auf dem Markt für Gelegenheitsspieler, dem sogenannten Massenmarkt, wird es immer schwieriger ein neues Spiel zu etablieren. Die Gelegenheitsspieler informieren sich nicht über neue Spiele. Deshalb kaufen sie nur die klassischen Spiele. Dies wiederum führt dazu, dass die Verlage insbesondere ihre Klassiker pflegen. Wenn man mit einem neuen Spiel erfolgreich sein will, muss man es massiv unterstützen. Geschieht dies nicht, hat ein neues Spiel kaum eine Chance zu überleben. Wird aber ein neues Spiel einer breiten Zielgruppe allgemein bekannt, wird es über Jahre hinweg gut verkauft, bleibt sehr lange im Programm des Verlags und es werden Stückzahlen von über 100.000 Stück erreicht.“

Nach so vielen Jahren als Spieleautor haben Sie noch so etwas wie einen Traum, den Sie als Spieleautor nach all den Veröffentlichungen noch erreichen wollen?
„Oh ja, solche Träume habe ich. Ich würde sehr gerne noch einmal die Auszeichnung Spiel des Jahres erhalten.
Ich träume davon, ein Spiel zu erfinden, das von sehr vielen Menschen immer wieder gespielt wird. Ein Spiel, wie z. B. Memory oder Uno oder Phase 10 oder Rummikub oder Carcassonne oder Die Siedler von Catan oder … Um dies zu erreichen, würde ich gerne den Spielemassenmarkt besser verstehen. Dies ist mir in 40 Jahren als Spieleautor nur geringfügig gelungen. Warum wurde z. B. Make’n’Break oder Speed Cups ein solcher Erfolg? Ich hätte dies für nicht möglich gehalten. Hätte ich die Idee zu diesen Spielen gehabt, ich hätte sie keinem Verlag angeboten, weil ich sie für zu banal hielt. Um erfolgreiche Spiele für viele Menschen zu machen, muss ich mich wohl auf die Suche nach der Banalität machen.
Es gibt aber auch Spiele, die nicht banal und trotzdem sehr einfach sind, bei denen ich rätsle, warum sie so erfolgreich geworden sind. Ein Beispiel dafür ist Dobble. Wie schafft es ein solches Spiel, innerhalb kurzer Zeit weltweit über 7 Mio. Mal verkauft zu werden? Und das, obwohl es seit Jahren das nahezu gleiche Spiel schon gab, nämlich Kunterbunt von Reinhard Staupe bei Amigo, das zwar auch erfolgreich ist, aber bei weitem nicht so erfolgreich wie Dobble.
Über 40 Jahre entwickle ich Spiele für Menschen und ich habe es immer noch nicht geschafft zu verstehen, mit welchen Spielen ich die Menschen am besten erreiche. Was ist das große Geheimnis des Spielmarktes?“

Wolfgang Kramer und seine GesellschaftsspieleAber Herr Kramer, Ihre Liste an Auszeichnungen ist weit länger als die komplette Ludografie anderer Spieleautoren. Ein bisschen verstehen Sie doch, was der Spielemarkt erwartet?
„Es ist völlig falsch, anzunehmen, dass ein Spiel mit Auszeichnungen sich auch gut verkauft. Die Bestseller sind meist Spiele, die keine Auszeichnung erhalten haben, siehe z. B. Phase 10, Uno, Dobble, Make’n’Break, Speed Cups, Ligretto, Halli Galli usw.
Ein Beispiel von meinen eigenen Spielen: Asara und Die Paläste von Carrara wurden zum Spiel des Jahres nominiert. Das tiptoi-Spiel Abenteuer Tierwelt, das von der Spielszene überhaupt nicht wahrgenommen wurde, hat sich zehnmal besser verkauft als die beiden nominierten Spiele zusammen. Über die tiptoi-Spiele habe ich so gut wie nichts gelesen. Es gab aus der Spielszene heraus keine Auszeichnungen für diese Reihe. Dabei ist tiptoi sehr originell, eine echte Innovation und ein Millionenerfolg, der seinesgleichen sucht.
Die Spielszene kennt sich nur bei anspruchsvollen und originellen Spielen aus. Diese Spiele sind im Fokus und erhalten Auszeichnungen. Der andere Spielemarkt wird so gut wie nicht wahrgenommen. Dabei ist dies der wichtigere Markt, denn hier werden die Klassiker geboren, die auch noch nach Jahrzehnten nachgefragt werden. Nur in diesem Markt steckt ein größeres Wachstumspotential für das Spiel.
Der Markt der Vielspieler wächst zwar kontinuierlich, aber nur in geringem Umfang. Trotzdem ist dieser Markt äußerst wichtig, denn dieser Markt ist ein wichtiger Multiplikator, der Spiele bekannt werden lässt und damit in den Massenmarkt hinüberträgt, sofern die Spiele für diesen Markt überhaupt geeignet sind. Bei Qwixx, Carcassonne und Die Siedler von Catan ist dies z. B. hervorragend gelungen. Ob Abluxxen auch dazu gehören wird, muss sich erst noch zeigen. Wenn dies gelingen sollte, hat der Markt der Vielspieler einen entscheidenden Beitrag dafür geleistet.
Von meinen über 200 verlegten Spielen gibt es nur ein einziges, das sich in diesem Markt etablieren konnte, nämlich 6 nimmt! Deshalb suche ich auch nach 40 Jahren nach dem Geheimnis dieses Marktes.“

Vor diesem Hintergrund: Was glauben Sie, haben Sie mit Ihren Preisträgern richtig gemacht?
„Originalität ist besonders wichtig, aber auch, ob es einem Spiel gelingt, bei den Spielern Emotionen zu wecken. Es gibt sehr viele Kriterien, die zu einem Erfolg beitragen können, letztlich ist aber nur eine Eigenschaft entscheidend: der Spielreiz. Nur dann, wenn ein Spiel immer wieder gespielt werden möchte, gelingt es, ein Spiel längerfristig im Verlagsprogramm zu halten. Trotz alldem muss man aber auch Glück haben. Bei Auf Achse hatte ich Glück, dass es in diesem Jahr kein besseres Spiel gab. Bei El Grande hatte ich Glück, dass es ein halbes Jahr später als Die Siedler von Catan herauskam, nämlich im Herbst 1995, und somit erst 1996 von der Jury beurteilt wurde. Dagegen hatte ich mit 6 nimmt und Verflixxt Pech, dass andere Spiele vorgezogen wurden (Manhattan bzw. Niagara).“

Eine vielleicht abwegige Frage zum Schluss: Würden Sie Ihre Spielideen selbst so weit reduzieren, dass Sie scheinbar so banal werden, um einen „kalkulierten“ bzw. angestrebten Massenerfolg zu erzielen, wie Sie es oben von einigen Spielen geschildert haben? Wo setzen Sie Ihre Grenze als Spieleerinder, der ja vom einfachen Kartenspiel zum komplexen Strategiespiel bisher alles abgedeckt hat?
„Beim Entwickeln von Spielen sollte man immer die Einfachheit und den Spielreiz im Auge behalten. Jede Regel muss auf den Prüfstand gestellt werden. Die Frage ist immer dieselbe, ist der Aufwand, den eine Regel verursacht, durch einen höheren Spielreiz gerechtfertigt? Bei einem anspruchsvollen Spiel füge ich solange zusätzliche Regeln hinzu, solange der Spielreiz dadurch höher wird. Bei einfachen Spielen gehe ich eher den anderen Weg, ich nehme solange etwas weg, solange der Spielreiz darunter nicht leidet. Es kommt aber auch vor, dass man bei einem einfachen Spiel noch etwas hinzufügt, um es interessanter zu machen. Uno würde auch funktionieren, wenn man die Karten mit Sonderfunktionen weglassen würde, z. B. Karten nehmen, einmal aussetzen. Wäre der Spielreiz dann aber noch so hoch?
Einfache und banale Spiele bestehen meist nur aus nur aus einer Idee, siehe Mikado, Spitz pass auf, Quartett, Schwarzer Peter, Ligretto, Halli Galli usw. Um ein solch einfaches Spiel zu entwickeln, muss man nach solch einer Idee suchen. Ich würde auf keinen Fall, ein gut funktionierendes Spiel so lange reduzieren, bis ein einfaches Spiel vorliegt, nur um ein einfaches Spiel zu machen. Man darf sich nicht täuschen, einfache Spiele zu erfinden, ist alles andere als einfach. Es gibt ein paar Spielerfinder, die das ganz gut können. Leider sind die Personen hinter diesen Spielen gar nicht oder zumindest nicht so gut bekannt.“

Informationen zu Porta Nigra

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