Ein Molekularbiologe findet das Rezept zum Erfolg
Gerade ist Wolfgang Warschs Spiel Die Quacksalber von Quedlinburg als Kennerspiel des Jahres 2018 ausgezeichnet worden. Warschs Ganz schön clever war ebenfalls fürs “Kennerspiel” nominiert, dazu noch The Mind für das Spiel des Jahres. Selbst das vierte in diesem Jahr veröffentlichte Spiel des Shootingstars, Illusion, kam durchweg gut an. Mit uns hat er sich kurz vor (!) der Verleihung unterhalten. Wir sagen das extra, da Warsch sich sonst auch als Prophet gut machen würde.
Herr Warsch, Sie sind vor den Veröffentlichungen der vier Spiele in diesem Jahr gar nicht so sehr als Spieleautor in Erscheinung getreten. Woher kommt die plötzliche kreative Energie?
“Das ist wirklich schwer zu beantworten: Woher, warum nun (und nicht schon früher) und wieso überhaupt der kreative Funken kommt. Ich schätze mich glücklich, dass es so war, habe aber leider kein Rezept dafür, um es bald zu wiederholen. Ideen zu Spielen habe ich schon seit langem. Der einzige Unterschied zu früher ist, dass ich während eines mehrjährigen Aufenthalts in Cambridge zum ersten Mal intensiven Kontakt zu modernen Brettspielen gemacht habe, was mir zeigte, worauf es heutzutage bei guten Spielen ankommt.”
Ihre Spiele sind sehr verschieden? Wie erfindet man ein Würfel-Zahlenspiel wie Ganz schön clever, das verblüffende The Mind, das ebenfalls sehr clevere Illusion und Die Quacksalber von Quedlinburg in so kurzer Zeit?
“Das gelang dadurch, dass ich die Idee zu allen vier Spielen innerhalb kurzer Zeit hatte (und bitte nicht fragen, wie das ging) und die Spiele innerhalb kurzer Zeit fertig gestellt waren. (The Mind in etwa einer Woche, Illusion und Ganz schön clever in etwa drei Wochen und Quacksalber in etwa zwei Monaten.)
Jedoch hat nach Vertragsabschluss der Feinschliff von Quacksalber und Ganz Schön clever noch mehrere Monate in Anspruch genommen. Illusion (plus dessen Grafik) und The Mind wurden fast unverändert veröffentlicht und haben mich nur wenig Entwicklungszeit gekostet. Viel Redaktionsarbeit floss allerdings in die richtige Namensfindung und Grafik von The Mind.
Dass es vier so unterschiedliche Spiele wurden, hat sich per Zufall ergeben und war nicht angestrebt. Ich versuche, einen ungewöhnlichen, interessanten, lustigen oder emotionalen Mechanismus zu finden. Ob das Spiel dann ein kleines Kartenspiel oder eine großes Bag-Building Spiel wird, hängt davon ab, wieviel ‚Spiel‘ benötigt wird, um den Mechanismus zu tragen.
Wie man nun noch einmal vier verschiedene gute Spiele in kurzer Zeit erfindet, kann ich aber leider absolut nicht beantworten. Da gehört auch einfach eine ordentliche Portion Glück dazu.”
Wie ist denn die Entwicklung von The Mind in einer Woche abgelaufen?
“Das waren nur wenige Tage vom ersten Versuch zum finale Spiel. Dadurch, dass das Spiel so wenig Regeln hat, war das auch gar nicht so schwer. Ich hatte die Idee zum Spiel schon einige Zeit im Kopf, habe es dann aber erst im Sommer 2016 mit meinem Schwager getestet. Ich habe jedem von uns verdeckt 15 Karten eines 100-er Kartendecks ausgeteilt und ihm gesagt, dass wir diese nun ohne Kommunikation aufsteigend ausspielen sollen. Und das hat gleich wunderbar geklappt. Die weiteren Regeln (Levels, Leben, Wurfsterne, etc.) folgten dann innerhalb der nächsten ein bis zwei Tage. Der Feinschliff war dann ein paar wenige Tage später fertig. So flott ging das aber nur, da mein Schwager für einige Tage bei uns wohnte und wir somit jeden Tag viele Testspiele machen konnten.”
Wann und wie erfinden und testen Sie Ihre Spiele?
“Die ‚Denkphase‘ findet meist bei langen Spaziergängen entlang der Alten Donau in Wien statt. Irgendwie kann ich besser denken und fokussieren, wenn ich in Bewegung bin. Die einzige Alternative dazu ist eine lange Badewannen-Session. Danach werden die Prototypen in Powerpoint am PC entworfen und dann gebastelt. Meine ersten Tests verlaufen (wenn möglich) solo, mit meiner Frau oder meinem Schwager. Wenn diese erste Hürde bestanden wurde, wird das Spiel einmal die Woche bei einem Autorentreffen getestet. Danach geändert und kommende Woche wieder getestet und wieder geändert …”
War es schwierig, die Spiele bei Verlagen unterzubringen? Gab es Absagen für einige der jetzt nominierten Spiele? (Wenn ja, wie viele?) 😉
“Mit allen vier Spielen, die in Nürnberg erschienen sind, hatte ich ziemlich viel Glück, sodass mir die Verlage sehr schnell eine Zusage gegeben haben. Somit gab es (erstaunlicherweise) mal keine Absagen.”
Welches Ihrer bereits veröffentlichten Spiele ist Ihr Lieblingsspiel? Auf welches sind Sie besonders stolz?
“Besonders stolz bin ich auf The Mind. Mir ist klar, dass man die Idee zu so einem ungewöhnlichen Spiel wahrscheinlich nur einmal in seinem Leben hat. Persönlich spiele ich aber am liebsten Ganz schön clever. Auch meine Frau und mein Schwager fordern regelmäßig eine weitere Partie. Es ist wohl das einzige Spiel, das ich nach dessen Fertigstellung/Veröffentlichung noch sehr gerne selber spiele.”
Welche(s) der drei nominierten Spiele sehen Sie am ehesten als Gewinner einer der Pöppel?
“Ich würde mich natürlich sehr über The Mind freuen! Wenn man sich allerdings anschaut, wie sehr Azul im Vorfeld gehypt wird und da The Mind bei geschätzten 20 Prozent der Spieler nicht funkt, sehe ich dafür nur Außenseiterchancen. Insofern rechne ich mir eher eine Chance für eines meiner Kennerspiele aus. Hier würde ich dann eher auf Die Quacksalber von Quedlinburg tippen.” (Anmerkung der Redaktion: Ein hervorragender Tipp, der sich kurz nach dem Interview bestätigt hat!)
Bekommt Ihr (nicht spielendes) Umfeld eigentlich mit, welche Erfolge Sie in den letzten Monaten gefeiert haben? Dass noch nie jemand drei Nominierungen in einem Jahr eingeheimst hat?
“Sie bekommen natürlich mit, dass ich nominiert wurde, was das allerdings für einen Autor bedeutet, ist wahrscheinlich nur für jemanden nachvollziehbar, der selber Spiele entwickelt. Meine Familie und Freunde sind alles keine großen Brettspieler, insofern finden sie es einfach witzig, dass ich so ein ungewöhnliches Hobby habe und nun auch noch für einen großen Spielepreis nominiert wurde.”
Hauptberuflich sind Sie in der Krebs-Forschung tätig?
“Ich bin Molekularbiologe. Ich habe zwölf Jahre in der Krebsforschung an der Uni gearbeitet. Nach Ablauf eines Stipendiums stand ich nun vor der Entscheidung eine weitere (reine) Uni-Karriere zu machen oder noch mal was anderes zu erleben und in die Privatwirtschaft zu wechseln. Ich habe mich für letzteres entschieden. Da ich nun aktuell einen Jobwechsel vollziehe, habe ich mich dazu entschlossen, eine Auszeit zu nehmen, um mich mal komplett aufs Spiele-Entwickeln zu konzentrieren (insofern ist mein aktueller ‚day job‘ Spieleentwickler).
Das ist aktuell wahrscheinlich die einzige Chance in meinem Leben, das zu machen, da ich keine fixe Anstellung riskieren würde, um mir diese schöpferische Auszeit zu gönnen. Wie lange ich mir diese Auszeit nehmen werde, kann ich aber selber noch nicht sagen. Das hängt nun natürlich auch vom Erfolg der aktuellen und kommenden Spiele ab. Mein Traum wäre es aber, genug durch meine Spiele zu verdienen, sodass ich mir einen Teilzeitjob ‚leisten‘ kann, um weiterhin genug Zeit für mein (intensives) Hobby zu haben.“
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