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Sind Spiele zu teuer? – Umstrittene Preispolitik unter der Lupe

von Reich der Spiele

Die Gründe für die steigenden Spielepreise

Spätestens seit der Spiel ’02 in Essen geht ein Stöhnen durch die Spieleszene: Gesellschaftsspiele sind in der Breite teuer geworden. Natürlich gibt es Ausnahmen, doch der Trend scheint unübersehbar. Da kosten die „großen“ Neuheiten auf der Messe zwischen 30 und 35 Euro. Waren Neuheiten vor zwei bis drei Jahren noch für 50 Mark im Spiele-Fachgeschäft (!) zu haben, liegen vergleichbare Spiele jetzt bei umgerechnet bei etwa 60 Mark, was einer Steigerung um immerhin um die 20 Prozent entspricht. Gleichzeitig munkeln Experten von Umsatzeinbußen einiger Verlage in einer Größenordnung von bis zu 40 Prozent. Der Autor Bruno Faidutti prangert dagegen die Preispolitik der Verlage unter umgekehrten Vorzeichen an. Er behauptet, Spiele sind in Deutschland zu billig. Verkehrte Welt? Passt das alles zusammen? Was ist los in der Spielebranche? Liegt am Ende alles am (T)Euro? Um das herauszufinden, haben wir Verlagsvertreter, Händler und Autoren befragt.

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Hohe Preise für Gesellschaftsspiele haben verschiedene Ursachen

Einen Preisanstieg in den letzten zwölf Monaten oder im Zuge der Euroeinführung ist demnach nicht ausmachen. Vielmehr setzt sich eher ein Trend fort, der bereits in den letzten Jahren langsam zu höheren Preisen führte. Ursachen dafür gibt es viele: Angefangen bei gestiegenen Preisen für Material über ein gewissen Nachholbedarf an Preissteigerungen bis hin zu zurückgehenden Auflagenzahlen.

Besonders die Preise für Pappen sind mehrfach nach oben gegangen. Uns liegen vom Bambus Spieleverlag zwei Angebote des gleichen Herstellers für Pappe vor, die für die gleiche Anzahl einer Spieleschachtel innerhalb des letzten Jahres einen Preisanstieg von etwa 25 Prozent erkennen lassen. Fritz Gruber von Kosmos weist in einem anderen Zusammenhang ebenfalls auf gestiegene Preise für Pappen hin. Höhere Herstellungskosten sind also einer der Gründe für den Preisanstieg.

Spieleverlage haben Nachholbedarf!

Doch einer der Hauptgründe für die Preise ist der Nachholbedarf der Hersteller. Da wurden über Jahre Spielepreise mit Mühe und Not unter der psychologischen Grenze von 50 Mark gehalten. Vor dem Hintergrund gestiegener Kosten für Material und Herstellung ist das nicht länger realisierbar. Fritz Gruber meint dazu: „Man war geradezu ängstlich darauf bedacht, bestimmte ‚Schallgrenzen‘ nicht zu übersteigen. War da zum Beispiel ein Spiel, das bei normaler Kalkulation 53 Mark hätte kosten müssen, so drückte man es auf Teufelkommraus so hin, dass der empfohlene Ladenpreis bei nur 49 Mark lag.“ Bert Nilgen von Piatnik Deutschland sieht die momentane Preisgrenze bei 30 Euro. Es können nur wenige Spiele diesen Rahmen verlassen. Sonderthemen wie Wer wird Millionär etc. […] Es wird immer schwieriger, bei steigenden Kosten vom Roh- oder Vormaterial, komplexe Spiele innerhalb der 30-Euro-Grenze herzustellen.“

Auflagen der neuen Spiele werden kleiner

Ein weiterer wichtiger Grund für steigende Preise sind die Rückgänge der Auflagen für Spiele. Viele Verlage stellen nur noch eine Startauflage von wenigen tausend Exemplaren her, um nicht für die Tonne zu produzieren. Ein schönes Beispiel für den Einfluss der Auflage gibt Fritz Gruber: „Ein Spiel wie Die Sternenfahrer von Catan war auch nur deshalb zu einem Preis von 89 Mark machbar, weil man hier von vornherein von einer 100.000er Auflage ausgehen durfte. Hätte es sich um ein Spiel gehandelt, dessen Startauflage bei 10.000 liegt, hätten die ‚Sternenfahrer‘ mindestens 149 Mark kosten müssen.“

Dass es dennoch gut ausgestattete Spiele mit akzeptablen Preisen gibt, ist da schon fast eine Überraschung. Beispiel Die neuen Entdecker (Kosmos), die bei besserer Ausstattung einen ähnlichen Preis haben wie der Vorgänger Die Entdecker (Goldsieber). Ein extremes Beispiel ist Carcassonne – Die Jäger und Sammler, die im Schnitt für knapp 13 Euro zu haben sind. Aber auch ein niedriger Preis wie der von Carcassonne hat Wirkung auf den Spielemarkt.

Konkurrenzkampf bei Herstellern von Gesellschaftsspielen

Mit solchen Preisen kämpfen die Spielehändler um ihre Kunden. Es findet unter den Einzelhändlern ein harter Konkurrenzkampf statt, der fast nur über den Preis ausgetragen werden kann. Thomas Becher, Geschäftsführer von Spielenet.de, erklärt dazu: „Gerade für den Online-Handel kann ich sagen, dass einige kleine Händler mit wenig Service und Dumping-Preisen den Markt unnötig kaputt machen.“ Harald Bilz vom Heidelberger Spieleverlag beklagt sich ebenfalls über das Preisniveau für Spiele: Wer heute noch einen Spieleladen eröffnen möchte braucht eine Menge Enthusiasmus, genügend Kapital und einen langen Atem. – Mir fallen spontan zirka 100 Warengruppen ein, die einfacher zu verkaufen und deutlich profitabler wären.“

Der Psychologische Effekt, dass Spiele so teuer sind, hängt mit dem „Verramschaktionen“ der Kaufhausketten zusammen. Für Lagersäuberungen werden hochwertige Spiele zum Teil unter dem Einkaufspreis unter das Volk gebracht. Dabei entsteht der Eindruck, dass Spiele für zehn Euro zu haben sind, was objektiv einfach falsch ist. Fritz Gruber dazu: „Oft hat man den Eindruck, die Leute würden glauben, dass ein Spiel, das nun plötzlich viel billiger zu haben ist, deswegen so viel billiger ist, weil der ach so profitgierige Verlagsunternehmer einfach mal darauf verzichtet, den Riesenreibach zu machen. Dass diese Sicht der Dinge nicht richtig ist, wissen die Endverbraucher nicht.“

In Deutschland sind Gesellschaftsspiele zu billig!?!

Dass es dem Markt in Deutschland nicht besonders gut geht, merken vor allem ausländische Hersteller, die das deutsche Preisniveau nicht alten können. Neben dem Autor Bruno Faidutti beklagt auch Kris Burm von Don & Co das deutsche Preisniveau: „Die Messe lief ganz gut, aber es war schwierig! Spiele sind in Deutschland zu billig geworden. Don & Co kann nicht mit den derzeitigen Preisen mithalten.“ Ähnliches gilt auch für viele deutsche Kleinverlage, die sich höhere Preise wünschen, um preislich mit gleichen Mitteln wie die Großen kämpfen zu können. Hier stellt sich jedoch ein ganz anderes Problem. Besonders Kleinverlage leiden unter einem schweren Zugang zum Handel und damit zu den Spielern. Uwe Himmelreich von Good Ideas erklärt dazu: „Es ist in Deutschland wahnsinnig schwer, seine Produkte in den Handel zu bringen. Da kann das Produkt noch so gut sein und man auf der Messe in Essen die besten Kritiken bekommen, der Großteil des Handels bewegt sich nicht.“

Das klingt alles paradox. Einerseits steigen die Preise, andererseits beklagen sich viele über ein zu niedriges Preisniveau. Der deutsche Spielmarkt scheint an einem Scheidepunkt zu stehen. Können die Verlage das derzeitige niedrige Niveau weiter halten, ohne wirtschaftlichen Schaden zu nehmen oder müssen die Preise noch viel stärker steigen, als es momentan das Gefühl vieler Käufer ist? Harald Bilz hat eine klare Meinung und appelliert an die Spieler: „Ein etwas höheres Preisniveau wäre bitter nötig. – Liebe Spieler, Ihr sägt an dem Ast, auf dem Ihr sitzt. Wenn der Handel und Verlage an den Spielen kein Geld mehr verdienen können (ich rede hier nicht von reich werden!), dann ist es bald aus mit den vielen tollen Neuheiten jedes Jahr…“

Vergessen sollte man in dem Zusammenhang auch nicht, dass deutsche Spiele einen hohen Qualitätsstandard haben. Nicht umsonst sind German Games im Ausland zu einem Markenzeichen geworden. Dafür sind nach Meinung fast aller Befragten höhere Preise gerechtfertigt. Jo Nikisch von Abacusspiele weist völlig zurecht auf die „hohe Qulität der Spiele in Deutschland“ hin und erläutert: „Das betrifft sowohl die Spielideen wie auch die Ausführung und das sogar bei Kleinstverlagen.“ Volker Schäfer vom Bambus Spieleverlag äußert sich in die gleiche Richtung: „Die einfache Wahrheit ist im Prinzip ja jedem bekannt: Wer billige Spiele will, soll billige Spiele kaufen; wer hochwertige Spiele will, soll hochwertige Spiele kaufen. Beides zusammen geht zumindest auf Dauer nicht.“

Es gibt also mehrere Sichtweisen. Deutlich scheint jedoch zu sein, dass jenseits von gefühlten Preissteigerungen und einem harten Preiskampf der Hersteller und vor allem des Handels Spiele nach Qualität beurteilt werden sollten. Da hilft ein Blick auf andere Konsumgüter: Der Vergleich zu einem Kinobesuch, einem Konzert oder einem Buch. Wenn man für ein gutes Spiel 30 oder 35 Euro bezahlt, scheint das eine vergleichsweise günstige Anschaffung zu sein, denn ein schön ausgestattetes Spiel mit einem großen Spielreiz wird sicherlich über Jahre immer mal wieder aus dem Regal geholt – und für kommunikative und schöne Spieltreffen mit gleich gesinnten Menschen sorgen. Gerade weil bei der derzeitigen wirtschaftlichen Situation viele bewusster kaufen, sollte man sich dieser ganz besonderen Eigenschaft des Kulturgutes Spiel bewusst sein.

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