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Spiel ’18: Von Zwiebelsuppe, Spaßbremsen und blöden Kühen

Spieler auf der Spiel 2018 - Foto von Dirk Janßen

Welche Reize die Spiel für Augen, Ohren und Nase bereithält

Donnerstag 25.10.2018, kurz vor 9 Uhr ist die S6 von Düsseldorf aus Richtung Essen Hauptbahnhof überraschend leer. Die Anwesenden schauen nicht nach Besuchern der Spiel ’18 aus, sondern machen den gelangweilten frühmorgendlichen Eindruck von Menschen, die zur Arbeit, zur Uni oder zum Einkaufen fahren. Keine von Vorfreude geröteten Wangen, kein durch pulsierenden Kaufrausch ausgelöstes Zucken oder andere Anzeichen von Vormessestress.

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Erster Messetag

Am Essener Hauptbahnhof angekommen sieht man sie dann: Die typischen Besucher der Essener Spielemesse, die eine Stunde vor Toresöffnung vor den Hallen ausharren, um keine Minuten der kostbaren Spielzeit zu vergeuden. Die U11 Richtung Grugahalle ist dann obligatorisch vollgestopft und irgendjemand riecht schon am ersten Tag, als hätte er die Nacht in Zwiebelsuppe verbracht. Gepaart mit dem üblichen aufgeregten Geschnatter stellt sich nun echtes Messefeeling ein.

Essen Spiel 2018: Wartende Menschen vor Halle 6 am DonnerstagEingang Mitte ist auch dieses Jahr wieder eine gute Wahl, denn Besitzer von Tickets können direkt durchgehen und gelangen nach einer Taschenkontrolle zumindest schon einmal in den Vorraum der Halle 6. Im Gegensatz zum letzten Jahr geht es hier bis zur offiziellen Öffnungszeit aber nicht weiter. Punkt 10 Uhr wird die Messe dann offiziell geöffnet und die Menschenmenge schwappt gierig in die Hallen, was mich an Zeiten erinnert, als ALDI die ersten PCs verkauft hat und sich frühmorgens Hunderte vor den Discountern die Füße platt standen und sich anschließend nach dem Öffnen der Türen bürgerkriegsähnliche Zustände ergaben. An einigen Ständen bilden sich tatsächlich bereits lange Schlangen, aber im Gegensatz zur antiken Discounterschlacht bleiben die Gesichter teilnahmslos und die Gemüter ruhig.

Spielbrett vom Spiel "Holding On: The troubled life of Billy Kerr"Ich bin verabredet in Halle 1 bei Asmodee. Die VIPs aus meinem Bekanntenkreis sind bereits seit einer Stunde da und haben sich das aus meiner Sicht merklich schlechteste Spiel zum Warmwerden ausgesucht, nämlich Holding On: The troubled life of Billy Kerr. Frühmorgens im Messetrubel sich mit solch einem ernsten Thema spielerisch auseinanderzusetzen … na, ich weiß nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass das Spiel bereits zu einem großen Teil von der sichtlich überforderten Erklärbärin zu erklären versucht wurde. Durchgeatmet, Krankenpflegerkittel übergezogen und auf den Patienten gestürzt. Die Gesundheit des Patienten geht uns allerdings am Allerwertesten vorbei, wir wollen nur das Spielziel erfüllen und das erste Szenario meistern. Abwechselnd teilen wir dabei die anderen Spieler zu Schichten ein, schicken gestresste Mitarbeiter nachhause und versuchen unserem Patienten Erinnerungen zu entlocken. Ist Billy am Anfang noch bei bester Gesundheit, baut er plötzlich immer mehr ab und lässt uns auf ein paar müden Erinnerungen sitzen. Wirklich bewegt hat das Spiel keinen von uns. Holding On ist knallhartes Ressourcenmanagement, sehr mechanisch und zumindest an diesem Morgen so atmosphärisch wie Kniffel. Nach den hohen Erwartungen riecht das hier nach einem ersten Messeflop.

Spielbrett von OrbisInzwischen ist auch unser letzter Mitspieler eingetroffen, der zwar um 10 Uhr an einem der anderen Eingänge war (Süd oder West), aber aufgrund mangelnder Ticketscanner erst 45 Minuten später reinkam. Die Gruppe teilt sich auf und zu Dritt bleiben wir Asmodee treu. Orbis von den Space Cowboys sah im Vorfeld schon vielversprechend aus und enttäuscht nicht. Jeder von uns darf als Gott eine pyramidenförmige Welt bauen und dabei lustig Anhänger einsetzen, sammeln und opfern. Und sich irgendwann auch noch entscheiden, welcher Gott er denn eigentlich sein will. Die Spielregeln sind flott verinnerlicht, die Optik spricht an und bereits in der ersten Partie zeigt sich, dass man nach anfänglicher Willkür schnell eine Strategie entwickelt. Knapp muss ich mich als Gott des Gleichgewichts der Göttin der Natur geschlagen geben. Nicht nur deswegen hinterlässt Orbis einen bleibenden Eindruck bei mir und wird später als bestes Spiel des Tages in Erinnerung bleiben.

Durch den Dungeon bei TrapwordsCzech Games Edition, die uns in der Vergangenheit mit Spielen wie Codenames oder Galaxy Trucker erfreut haben, hauen 2018 mit Trapwords erneut ein Wortratespiel mit Abenteuerflair raus. Zu Dritt ist das Spiel aber unspielbar, weshalb wir drei unwillige Damen willig machen, doch zumindest ein paar Runden mit uns zu spielen. So treten wir zu Dritt gegen die Damenmannschaft an und versuchen, die Damen beim Weg durch den Dungeon in Fallen zu locken. Das Ganze funktioniert ähnlich wie Tabu: In jedem Team muss ein Spieler den anderen Spielern einen Begriff in einer bestimmten Zeit erklären. Der Clou dabei ist, dass die andere Mannschaft vorher verdeckt die sogenannten Trapwords aufschreibt, die der Erklärende nicht nennen darf. Diese erfährt er aber vor dem Erklären auch nicht, so dass er zu möglichst umständlichen Erklärungen gezwungen ist. Außerdem gibt es noch ein paar Sonderkarten im Dungeon, die das Erklären zusätzlich erschweren. Wir haben mächtig Spaß, auch die Damenmannschaft lacht, verabschiedet sich dann aber doch vorzeitig, weil solche Spiele in ihren Spielrunden nicht gespielt werden. Spaßbremsen!

Spielfläche Cat RescueDa es sich in den großen Hallen inzwischen füllt, spazieren wir in die hinteren, exotischen Hallen. An irgendeinem japanischen Stand erfreuen sich meine Begleiter an einem Kartenspiel mit schnuckeligen Katzen, so dass wir Platz nehmen und kurze Zeit später von einem Erklärbär in überraschend gut verständlichen Englisch Cat Rescue erklärt bekommen. Das Katzenspiel ist kooperativ und so versuchen wir gemeinsam, möglichst viele Katzen von der Straße zu retten und in ein neues Zuhause zu vermitteln. Die Karten liegen dabei in einem 4 x4 Raster raus, bei dem man versucht, durch das seitliche Reinschieben von Karten gleichfarbige Katzen zusammenzuführen. Bei mindestens drei gleichfarbigen Katzen werden die Karten in der Mitte der Reihe rumgedreht. Schiebt man rumgedrehte Karten aus dem Raster, gelten die darauf abgebildeten Katzen als vermittelt. Grenzen weitere rumgedrehte Karten an die rausgeschobene Karte, so werden diese Karten ebenfalls abgelegt. Die schnuckeligen Katzen lassen nicht vermuten, dass das hier eine knifflige Nummer wird. Wir schlagen uns gar nicht schlecht und erhalten somit für das erste Mal eine passable Wertung. Macht nach Orbis und Trapwords nicht ganz so viel Laune, aber … Hätte man eigentlich trotzdem mitnehmen können.

The Sound of SirensHolzschiffe auf dem Tisch von Monkeyshine Games lassen uns kurz innehalten und bevor wir uns versehen, versuchen wir in The Sound of Sirens als Sirenen erwähnte Schiffe an Klippen zerschellen zu lassen. Wir holen uns noch schnell ein vorbeischlurfendes Pärchen dazu und dann werden eifrig Karten gekloppt, aber nach ca. 45 Minuten hat noch kein Spieler ein Schiff versenkt. Das Spiel dreht sich im Kreis und wir geben auf. Hat ca. 20 Minuten Spaß gemacht, aber danach war die Luft raus. Die Kickstarternummer scheint noch nicht ausgereift.

Der Stand von Hush Hush fällt ins Auge, da er umrahmt ist von vielen bunten Herzchenballons. Auf den Tischen stehen elektrische Kerzen und Schüsseln mit Smarties. Sehr atmosphärisch. Der Erklärbär ist richtig, richtig … Ja, richtig gut drauf, so dass ich mir schnell Smartie nach Smartie in den Mund stopfe in der Hoffnung, dass es an den Schokoladenpillen liegt. Nach der Erklärung haben wir das Spiel Fog of Love zwar nicht wirklich verstanden, aber wir wissen zumindest, dass wir ein Paar sind und in verschiedenen Szenarien an unserer Beziehung arbeiten. Mein Gegenüber ist ein eher langweiliger Doktor, ist bin das smarte Model. Im Folgenden versuchen wir zu erraten, was der Gegenüber in gewissen Situationen machen würde. Das macht anfangs schon Spaß, aber das Wieso und Warum bleibt unklar. Da das Spiel mit 50 Euro auch nicht gerade ein Schnäppchen ist, brechen wir unsere Paartherapie vorzeitig ab.

An Stand von Skellig Games darf man beim Spiel Concerto Dirigent spielen. Dazu sammelt man Instrumente, denen wiederum willkürlich Bewegungen mit dem Taktstab zugeordnet werden. Die Bewegungen muss man sich merken. Hat man genug Instrumente gesammelt, kann man Stücke nachdirigieren, indem man in den Stücken die passenden Bewegungen beim Einsatz der jeweiligen Instrumente macht. Die Nummer bringt sowohl Arme als auch Geist in Bewegung.

Talisman gibt es nun in der Familienversion. Und so ist das Ganze im Gegensatz zum Originalspiel drastisch eingestampft. Wie in der großen Fassung spielen wir jeder einen Helden mit bestimmten Eigenschaften. Aber kooperativ! Der Spielplan ist klein, die Möglichkeiten gering und so quälen wir uns zu Viert durch ein ödes Szenario. Da ist selbst das Testbild spannender. Talisman und ich, das wird keine große Liebe mehr.

Nur noch zu Zweit spielen wir Räuber und Gendarm am Stand von Jumbo. How to rob a bank kommt wie eine Mischung aus Colt Express und Burgle Bros daher, hat aber zum einen keine solche smarte Optik und zum anderen fehlt es auch an Raffinesse. Zumindest zu Zweit zündet es nicht wirklich, wenn es im Gegensatz zu Talisman aber immerhin schon Vorabendserienniveau erreicht.

Spielbrett Shadows: AmsterdamBei Asmodee ergattern wir einen freien Tisch für Shadows: Amsterdam und rufen erneut ein fremdes Pärchen dazu, um Team gegen Team spielen zu können. In jedem Team muss ein Spieler den anderen mittels Bildkarten durch Amsterdam lotsen, um drei Hinweise zu finden. Dabei treten die Teams gleichzeitig gegeneinander an, so dass alle am Tisch beschäftigt sind. Meine Mitspielerin hat mächtig Spaß und giggelt die ganze Zeit vor sich her, während ich verzweifelt versuche, ihre Hinweise richtig zu interpretieren. Wir verlieren knapp. Danach wird der Spieß rumgedreht und ich darf die Hinweise geben. Diesmal gewinnen wir. Die Mischung aus Mysterium und Codenames geht gut rein, aber die comichafte Grafik gefällt mir nicht wirklich, so dass ich von einem Kauf trotz attraktivem Preis von 23 Euro absehe.

Bei Frosted Games spielen wir zum Abschluss noch Der Vetternkrieg, ein kleines, aber feines 2-Personenspiel, dass unser ebenfalls müder Erklärbär eher schlecht als recht erklärt. Wirklich verstanden haben wir es nicht, aber uns gefiel der Bluffmechanismus im Spiel. Muss ich mir später noch mal anschauen.

Zweiter Messetag

Der Freitag ähnelt dem Donnerstag, außer dass wir ein wenig später aufbrechen und es in der U11 heute nicht nach menschlichem Zwiebelbraten sondern traditionell nach gestresster Achsel riecht. Umsäumt von aufgeregten Vorspielphilosophien aus zahlreichen Kehlen stellt sich schon in der überfüllten U-Bahn intensives Messeflair ein.

Lift Off von Hans im GlückDa wir heute nur zu Zweit sind, sind wir deutlich flexibler als am Vortag. Nach dem Reinrutschen in die Hallen finden wir überraschend einen Platz bei Hans im Glück und dürfen mit zwei aufgeweckten Jungs die HiG-Neuheit Lift Off antesten. Meiner Begleitung missfällt direkt das Design, ich hingegen fahr auf die Retrografik voll ab. Auch das Spielthema gefällt mir: Raketen optimieren, Satelliten ins All ballern und die Macht im Weltraum werden. Da das Ganze dazu noch mit einem Augenzwinken versehen ist, fällt gar nicht auf, dass Lift Off eher Kenner- als Familienspiel ist. Der Einstieg ist zwar etwas holprig, aber spätestens in der dritten Runde sind wir im Thema. Da inzwischen aber ein Pärchen mit umgeschnallten Baby an unserem Tisch steht und gerne auch mal probieren will, beenden wir die Partie vorzeitig. Der Ersteindruck von Lift Off war auf jeden Fall gut. Würde ich noch mal spielen.

The table is lavaÜber das Spiel The table is lava konnte man im Vorfeld nur erfahren, dass man gegnerische Meeple in Lava stoßen darf. Am Stand von R&R Games entpuppt sich das Ganze dann als recht simples Kartenschnippen. Dabei versucht man seine Karten so zu schnippen, dass man seine Meeple drauf setzen darf, aber dabei gleichzeitig gegnerische Meeple von den Karten in die gedachte Lava stößt. Die Spielkarten sind ebenso witzig wie das Spiel, wenn unsere Schnippversuche allerdings in zwei Partien recht unkontrolliert sind und jegliche Taktik missen lassen. Hier regiert die pure Zerstörungslust. Für 15 Euro wandert das Spiel inklusive Erweiterung in meine Tasche. Kurze Zeit später ist es dann auch ausverkauft.

Bei Frosted Games spielen wir dann mit einer vollkommen gelangweilten Erklärbärin das 3-Personen-Stichspiel Trick’n Trouble. Auf die hohen Erwartungen folgt ein tiefer Fall. Das Spiel ist stinklangweilig und erklärt die fehlende Motivation unserer Mitspielerin. Schnell weiter.

Sicht von den Orbis-Tischen Richtung Asmodee StändeOrbis hatte ich in anderer Begleitung bereits am ersten Tag in einer 3er-Runde gespielt. Heute versuchen wir es einmal zu Viert. Dabei nutze ich den Vorteil, dass ich das Spiel bereits gespielt habe und verfolge von Beginn an eine klar Strategie. Dennoch halten meine Mitspieler ordentlich mit und so gewinne ich die Partie nur knapp. Ich beginne Verhandlungen mit dem Personal und erhoffe mir bei einem Kauf die schicke Spieldecke oder andere Gimmicks, aber schließlich gibt es für meine Begleitung am Asmodee Stand nicht einmal die versprochenen Promos oder eine kostenlose Asmodeetüte. Tolles Spiel, schwache Promotion vom Verlag.

Blöde Kuh von Drei Hasen in der AbendsonneNach dem nachdenktlichen Orbis suchen wir nun etwas leichtes. Da sind wir bei Drei Hasen in der Abendsonne doch genau richtig. Deren Neuheit Blöde Kuh spielen wir mit zwei älteren Herrschaften. Das Kartenspiel ist einfach: Tierkarten ablegen, gewisse Effekte auslösen und den anderen möglichst Punkte reinwürgen. Altbekanntes Prinzip, das aber 2018 immer noch Laune macht. Generationsübergreifendes Kartenspiel, was man aber nicht unbedingt haben muss.

TaloAus dem gleichen Haus kommt auch Talo, dass vier Personen lautstark neben uns abfeiern. Also greifen wir uns zwei herumstehende Damen aus der Eifel und treten bei diesem strategischen Bauspiel gegeneinander an. Man würfelt mit einem zehnseitigen Würfel und darf sich entsprechend der Augenzahl entweder ein Holz oder zwei Hölzer nehmen und diese so bauen, dass die eigene Spielfigur wie über eine Treppe Höhe gewinnt. Dabei muss man natürlich aufpassen, dass die anderen Spieler nicht vom eigenen Bauwerk profitieren. Gewonnen hat der Spieler, dessen Spielfigur als erste Höhe 10 erreicht hat. Ich komme mir verdammt clever vor und führe auch bis kurz vor Ende, bis mich eine der fiebrigen Damen von links überholt und den höchsten Gipfel erklimmt. Die Damen freuen sich und ich überlege kurz, ob ich trotzdem in Talo investiere. Irgendwie sitzt das Geld aber noch nicht locker.

Snow TimeAnschließend landen wir wieder bei Asmodee und ergattern neben drei Personen einen Platz bei Snow Time. Hier klettern wir in einem mystischen Baum hoch, um dort Früchte zu ergattern. Dabei werden zu Beginn jeder Runde die Positionen von zwei Früchten auf dem Baum erwürfelt. Anschließend legt jeder vor sich verdeckt die Nummer der Ebene des Baums aus, auf welche er klettern will. Anschließend wird von oben nach untern geprüft. Stehen zwei Spieler auf einer Ebene, stoßen sie sich gegenseitig runter. Steht ein Spieler über einem anderen, stößt er ihn runter. Wird man nicht runtergestoßen, darf man vorhandene Früchte pflücken. Steht man ganz unten, ohne heruntergestoßen zu werden, kriegt man noch Sonderpunkte. Punkte gibt es für Früchte, gewonnene Kämpfe und für das Überleben auf tiefster Ebene. Zumindest so in meiner Erinnerung. Snow Time kann in der richtigen Gruppe sicherlich Spaß machen, nämlich wenn die Mitspieler mitfiebern. Unsere Mitspieler sind allerdings so konzentriert, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sie heimlich unter dem Tisch die Wahrscheinlichkeiten in einer Excel-Tabelle auswerten. Für eine abschließende Bewertung müsste man Snow Time noch einmal in anderer Besetzung spielen.

Meeple Circus2017 hat es nicht geklappt und auch 2018 bin ich mehrmals an besetzten Tischen vorbeigegangen. Doch am späten Nachmittag ergibt sich endlich die Gelegenheit für eine Testpartie Meeple Circus. Meine Begleitung hatte es schon am Vortag gespielt und fand es nicht so berauschend, aber zusammen mit einem sensationell netten und feurigen Pärchen aus Nürnberg wird Meeple Circus für mich ganz klar Tagessieger. Zumal unsere Erklärbärin wirklich gut drauf ist und von ihrem Smartphone Zirkusmusik einspielt. Drei Runde lang stappeln wir Meeples, zittern uns durch die Manege und foppen sowie bewundern uns gegenseitig bei unseren Stapelversuchen. Und haben alle Vier mächtig Spaß am bunt-fröhlichen Zirkusgaudi. Liebe Nürnberger, Euch wünsch ich mir für meine private Spielgruppe. Und Meeple Circus wird gekauft.

Detective ClubDanach heißt es erst einmal: Luft schnappen. Und so watscheln wir in die hinteren Hallen, die nicht so überfüllt und daher auch sauerstofflastiger sind. Bei IGames aus der Ukraine holen wir uns neben der enthusiastischen Erklärbärin drei weitere Mitspieler dazu, so dass wir Detective Club in großer Runde testen können. Das Spiel ist einfach, aber unterhaltsam: Ein Spieler schreibt einen Begriff in kleine Büchlein. Nur ein Büchlein lässt er leer. Anschließend werden die Büchlein zufällig an die Mitspieler verteilt. Nun legt der Spieler möglichst passend zum Begriff eine Spielkarte ab. Hat er beispielweise als Begriff „Natur“ genommen, legt er eine Karte ab, die einen Frosch zeigt. Anschließend legen die Mitspieler reihum ebenfalls eine Karte ab, die zur Karte des Startspielers passt. Entweder, weil sie den Begriff kennen, oder, weil ihre Karte eine Gemeinsamkeit mit der Karte des Startspielers hat. Dies wird noch einmal wiederholt. Anschließend nennt der Startspieler den Begriff und jeder Spieler muss erklären, warum er seine Karten für den Begriff gewählt hat. Dann darf jeder Spieler einen Spieler verdächtigen, den er für den Spieler hält, der den Begriff beim Legen der Karten nicht kannte. Detective Club ist etwas für kommunikative Spieler, die aber nicht nur Spaß am Reden sondern auch am Zuhören haben. Und das „Um-Kopf-und-Kragen-Reden“ der Spieler kann sehr kuriose Ausmaße annehmen. Unsere Erklärbärin ist ein wahres Goldstück und vermittelt glaubhaft den Eindruck, dass sie am liebsten von morgens bis abends Detecive Club spielt. Und die Grafik der Karten kommt vom Mysterium-Designer. Kein Wunder, dass Detective Club zumindest am letzten Tag ausverkauft war.

Vierter Messetag

Nachdem ich auch noch nachts von Spielen und dem Spielen geträumt habe, nutze ich den Samstag zur Erholung. Erst Sonntag geht es weiter. Diesmal mit meinem Sohn, der noch leichten Jetlag von der Jugendfreizeit hat und auch gesundheitlich leicht angeschlagen ist. Dennoch schaffen wir es Sonntagmorgen Punkt 10 Uhr wieder zum Eingang Mitte, wenn es diesmal aber doch deutlich voller ist. Auf die Taschenkontrolle wird heute verzichtet, was zwar den Einlass beschleunigt, aber bei solch Menschenmengen dennoch für ein mulmiges Gefühl sorgt. Leider.

Interaction von Rudy GamesDa Lost Galaxy von Rudy Games bei uns richtig gut angekommen ist, verschlägt es uns auch direkt an den Stand der Österreicher. Mit einer anderen Familie spielen wir das Familienspiel Interaction. Typisch für Rudy Games ist hierbei die Appunterstützung, wobei die App nicht nur die Spielregeln erklärt, sondern auch die Aufgaben stellt bzw. Teil der Aufgaben ist. Sohnemann geht steil, der andere Papa kommt ordentlich ins Schwitzen und auch ich finde das Spiel grundlegend nicht verkehrt. Wenn, ja, wenn das alles etwas origineller und ausgetüftelter wäre. Zwar wird via App bei jedem Mitspieler das Alter individuell eingestellt, aber den Aufgaben merkt man das an sich nicht an. Die Fragen sind zu leicht, die Sportaufgaben lassen sich mit einer gewissen Grundfitness ohne Japsen lösen und die Appspielchen beschränken sich auf Spiele wie Ping-Pong und Senso. Der Sohn findet es aber so klasse, dass wir es später noch einmal spielen müssen und es schließlich sogar für knapp 30 Euro in den Messeloot wandert. Immerhin bekommen wir noch einen Spielplan für Lost Galaxy mit und die Tüte ist auch umweltfreundlich. Ich hoffe Rudy Games hält sein Versprechen und schraubt kontinuierlich an der App, damit das Spiel für alle Altersgruppen etwas reizvoller wird.

Marble BobsleighAm gegenüberliegenden Stand von Gemblo spielen wir ein häßliches Plastikmonster namens Marble Bobsleigh, bei dem man auf farbige Murmeln reagieren muss. Dazu schießen alle Spieler reihum verdeckt Murmeln ab. Wiederholt sich dabei eine Farbe, muss man schnell seine nur durch Fahnen gehaltene Murmel losschicken und durch leichtes Pusten beschleunigen. Pustet man zu stark, fliegt die Murmel aus der Bahn. Pustet man zu wenig, kommt die Murmel des Mitspielers eher an. Das Spiel könnte Spaß machen, wenn die gesamte Konstruktion nicht so wackelig und verzogen wäre und man derzeit eh auf alles allergisch reagiert, was nach Plastikmüll ausschaut.

Wurst Case ScenarioInzwischen ist der Rest der Familie dazugestoßen und wir begeben uns an den Stand von Jumping Turtle Games, weil mir im Vorfeld das Spiel Wurst Case Scenario aufgefallen war. Hier bekommt jeder von uns verdeckt zwei Würstchen zugewiesen, von denen er eins vor dem Wursthäcksler bewahren muss. Die Würstchen stehen als Pappfiguren auf einem Kartenfließband und bewegen sich pro Runde ein Feld Richtung Häcksler. Durch das Abspielen von Karten können wir Würstchen nun einzeln oder in Gruppen vor- und zurückbewegen, den Häcksler oder das Band blockieren oder andere Effekte auslösen. Dabei weiß natürlich niemand, wer welches Würstchen hat. Klingt spaßig, aber auch in der zweiten Partien zündet das Spiel nicht wirklich. Hat irgendwie was von einer Beilage einer Kinderzeitschrift. Dabei ist das Thema unverbraucht.

The SnitchDa wir aber schon mal da sind, geben wir einem zweiten Spiel der freundlichen Belgier eine Chance. Zusammen mit unserem niederländischen Erklärbar spielen wir die Neuheit The Snitch, bei der wir gemeinsam aus einem Gefängnis ausbrechen, aber unter uns auch durchaus ein Verräter (der „Snitch“) sein kann. Dieser soll natürlich unbemerkt den Ausbruch sabotieren. Wenn wir alles für den Ausbruch zusammen haben, darf ein Spieler noch eine Pistole an sich nehmen und überlegen, ob er einem anderen Spieler, den er für den Verräter hält, ins Bein schießt, damit dieser nicht mitflüchten kann. Mein Sohn schießt belustigt seiner Patentante ins Bein, die sich zum Ende hin tatsächlich als Verräter herausstellt. Wir klatschen uns alle begeistert mit unserem Erklärbar ab, der mich an Johnnie aus dem Film „Die Flodders“ erinnert, und kaufen direkt zwei Exemplare des Spiels, was ordentlich Rabbat einbringt und uns Johnnie, das Spiel und den beglischen Spieleverlag noch sympathischer macht.

Show TimeWährend die eine Hälfte Richtung Kosmos abwandert, um Tribes anzutesten, bleib ich mit Filius bei Pegasus hängen, um eine Runde Showtime mit einer Mutter und deren Tochter zu spielen. Dazu nehmen wir in klassischen Kinositzen Platz und lassen und das komplette Spiel inklusive Wertung von einem inzwischen deutlich erschöpften jungen Mitarbeiter erklären. Bei Showtime geht es darum, seine Charaktere in einem Kino so zu platzieren, dass man nach jeder Runde möglichst viele Punkte bei der Wertung erhält. Hierbei spielen nicht nur die Position der Charakter im Kino eine Rolle, sondern auch das Thema des Films sowie die Eigenschaften der verschiedenen Charaktere. So gibt es z. B. das kaugummikauende Kind, den langen Lulatsch oder einen Jungen mit schwacher Blase, die Minuspunkte für umliegende Charaktere erzeugen. Dann gibt es aber auch Charaktere die Pluspunkte bedeuten, bspw. die heiße Mieze. Den schwerhörigen Rentner hingegen muss man in die erste Reihe bringen, damit er überhaupt was hört. Und den Grobian kann man benutzen, um zumindest männliche Charaktere des Platzes zu verweisen. Optisch ist Showtime Klamauk, aber unter der Haube ist das schon ein schönes Taktikspiel. Mir gefällt das Thema, die verschiedenen Charaktere und ihre Eigenschaften sowie das Spielprinzip. Filius hingegen gähnt in hoher Frequenz und ist froh, als er sich endlich aus dem Sitz erheben darf.

Drop itBei Kosmos spielt der Rest immer noch hochkonzentriert Tribes, so dass ich mit Filius zum Überbrücken der Zeit zwei Runden Drop it spiele. In der zweiten Runde habe ich plötzlich ein ca. vierjähriges Mädchen auf dem Schoß sitzen, dessen Mutter daneben eifrig Lucky Lachs spielt. Während ich die erste Partie noch verloren habe, gewinne ich mit Magedalena zusammen Drop it haushoch, was zeigt, dass meine Motorik schlechter als die einer vierjährigen ist. Als Magdalena sich von meinem eingeschlafenen Bein erhebt, kracht ächzend das Kinderstühlchen unter mir zusammen und ich lande unsanft auf dem Hintern. Was zumindest meinen Sohn wieder wachrüttelt und hoffentlich auch alle Umstehenden erfreut.

Zum Abschluss der Messe wird noch einmal dezent geshoppt (u. a. wandert bei Pretzel Games Flick em up: Dead of winter für schlappe 25 Euro in meine Tasche), dann hat die Spiel 2018 auch für uns ein Ende.

Und zum Schluß natürlich ein Fazit

Was nehmen wir neben einigen alten und neuen Spielen von der Messe diesmal mit? Wie immer die Erkenntnis, dass es sich lohnt, Spiele vor dem Kauf anzuspielen. Mit Holding On: The life of Billy Kerr und Discover:Lands Unknown gab es wieder zwei stark gehypte Spiele, die zumindest in einigen Berichten beide dem Hype nicht gerecht werden. Und dann gibt es Spiele, die objektiv betrachtet gut bis sehr gut sind, für die man aber die richtige Spielgruppen braucht. Showtime oder Snow Time sind sicherlich gute Spiele, aber wenn die Mitspieler recht leblos an die Sache rangehen, fehlt beiden Spielen etwas. Anders war es bei The Snitch. Hier schaffte es der Erklärbär tatsächlich die verschwörerische Atmosphäre eines Gefängnisausbruchs aufzubauen. Und zog so alle mit.

Weiterhin muss es nicht immer der neuste Shit sein. An vielen Ständen, z. B. bei der Spiele Offensive, bekam man zahlreiche ältere Spiele zu einem guten Kurs. Bei Lords of Xidit für 12 Euro kann man nur mühsam vorbeigehen. Auch Russian Railroads oder First Class gab es für kleines Geld zu kaufen. Da stört es auch nicht, wenn manche Spiele nur in der englischen Version angeboten werden. Auf Boardgamegeek gibt es die deutsche Anleitung zum Download.

Allgemein sollte man die ersten Tage rein zum Spielen nutzen. Wann bekommt man denn noch die Gelegenheit mit fremden Menschen gemeinsam ein unbekanntes Spiel zu entdecken? Kaufen kann man das Spiel auch später noch, es sei denn, es ist ein Produkt eines ausländischen Verlags, der nur eine geringe Menge der Spiele dabei hat. Das schien mir in Essen aber diesmal nicht ganz so wild zu sein. Die Sold-out-Schilder tauchten erst Sonntag auf. Und selbst wenn man ein Spiel verpasst, warten genug andere Spiele darauf entdeckt zu werden. Es müssen ja nicht immer die Spiele sein, über die alle reden.

Was Essen dieses Jahr auch wieder beruhigend gezeigt hat, was einige aber dennoch gerne vergessen: Es geht sich hier um Spiele! Etwas, mit dem ich Spaß, Leichtigkeit und auch Eskapismus im positiven Sinne verbinde. Das konnte man auf der Spiel bei Vielen erkennen, vor allem bei Kindern. Und was einige zu streng geführte Diskussion in den letzten Monaten in der Spieleszene beinahe vergessen lässt. In dem Sinne: Viel Spaß beim Würfeln, Taktieren, Karten dreschen, Meeple stürzen, Länder erobern, Prinzessinnen befreien, Worker platzieren, Schlachten schlagen, ins Unbekannte vordringen, Rätsel lösen und gemeinsam eine gute Zeit haben. In einem Jahr reden wir dann schon über das, was die Spiel 2019 gebracht hat.

Informationen zur Spiel ’18

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1 Kommentar

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Bernardo 4. November 2018 at 12:31

Ein schöner und gut geschriebener Beticht über interessante und auch andere Spiele; besten Dank!

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